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# taz.de -- Gastgeber Katar scheidet vorzeitig aus: Schlecht kicken, gut klotzen
> Das klägliche Scheitern von Katars Nationalteam mag die Machthaber im
> Emirat schmerzen. Ein wichtigeres Ziel haben sie bereits erreicht.
Bild: Nicht konkurrenzfähig: Der Frust bei den katarischen Nationalspielern is…
Katar ist raus. Nach zwei Spielen in der Vorrunde. Das ist einem
WM-Gastgeber bisher nur einmal passiert: den Südafrikanern 2010 nach drei
Partien. Das Team des spanischen Trainers Félix Sánchez, immerhin
Asienmeister, kassierte gegen Senegal die zweite Niederlage – [1][nach dem
0:2 gegen Ecuador] zum Auftakt der Weltmeisterschaft. Die Katarer haben
alles versucht, den Anschluss an die gewachsene Fußballkultur des Westens
zu finden. Sie entwarfen ein weltweites Sichtungsprogramm für
Fußballtalente, schickten die Besten in Sportakademien in Senegal und Doha.
Der belgische Klub AS Eupen wurde zum Testfeld für katarische Fußballer,
doch der Wissens- und Kulturtransfer klappte nur bedingt.
Was den Katarern bei der Handball-WM 2015 mit vielen eingebürgerten
Spielern gelang, Platz zwei, scheiterte im Fußball, weil die Fifa –
aufgeschreckt von den vielen „Naturalisierungs-Coups“ – bereits im Jahr
2007 ein strenges Regelwerk entwarf: „Um einen Missbrauch zu unterbinden,
beschloss das Exekutivkomitee, dass nur Spieler, denen auf dauerhafter
Basis eine Staatsbürgerschaft gewährt wurde, für den Verband eines
bestimmten Landes spielberechtigt sind.“ Fünf Jahre sollten sie ab dem 18.
Lebensjahr in dem Land gewohnt haben, für das sie spielen wollen.
Coach Sánchez glaubt dennoch, einen nachhaltigen Prozess angestoßen zu
haben. Nein, der katarische Fußball stehe nicht vorm Ende eines Zyklus,
sagte der Spanier nach dem 1:3 gegen Senegal. Es gebe im Land etliche junge
Spieler. Er erwarte allerdings einen Umbruch. Generell müsse [2][ein
kleines Land wie Katar mit Beschränkungen leben]. „Wir haben hier eine
andere Situation als ein Land mit einer größeren Bevölkerung.“
Dass Katar fußballerisch früh scheiterte, mag Emir Tamim Al-Thani
schmerzen, doch seine übergeordnete Mission war bisher erfolgreich: Katar
hat sich spätestens mit diesem Turnier aus der Isolation in der Golfregion
befreit. „Katar hat sich positioniert als eine WM der Region“, sagt
Abdullah Al-Arian, Professor an der Georgetown-Universität in Doha. Der
Historiker hat das Buch „Football in the Middle East“ herausgegeben.
Fußball sei ein Soft-Power-Instrument, aber der Sport werde genutzt für
Hard-Power-Interessen: bestimmte Player wieder zusammenzuführen.
## Annäherung durch die WM
Von 2017 bis 2021 dauerte die Blockade von Katar durch Saudi-Arabien,
Bahrain, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate. Vor allem die
Saudis wollten Katar in die Knie zwingen, doch die Katarer retteten sich
durch eine Kooperation mit der Türkei und Lieferungen unter anderem aus
China über die Zeit. Während der Blockade versuchte Fifa-Präsident Gianni
Infantino alles, um Katar die verfeindeten Nachbarstaaten als Co-Gastgeber
aufzuzwingen; mit dem Mittel der um vier Jahre vorgezogenen Erweiterung der
WM auf 48 Teilnehmer sollte das funktionieren.
Die WM bringt die Gegner nun aber näher zusammen. Der saudische Kronprinz
Mohammed bin Salman, der im Mordfall des saudischen Dissidenten Jamal
Kashoggi zuletzt Immunität von den USA zugesichert bekam (so viel zu den
westlichen Werten), hatte sich beim zweiten Katar-Spiel eine Flagge des
Gastgeberlandes umgeworfen. Emir Al-Thani trug eine saudische Fahne beim
Überraschungssieg der „Grünen Falken“ gegen Argentinien.
Am Rande des Eröffnungsspiels kamen der türkische Präsident Recep Tayyip
Erdoğan und der ägyptische Präsident Abdel Fatah al-Sisi zusammen, und sie
hätten sich „enthusiastisch“ die Hände geschüttelt“, will die in
Saudi-Arabien ansässige Zeitung Arab News beobachtet haben. „Das Turnier
hat auch dazu gedient, die Einheit und Solidarität der Golfstaaten deutlich
zu festigen.“
Professor Al-Arian ist sich klar darüber, dass der Fußball nur ein Vehikel
für die autoritären Führer der Region ist, besser dazustehen und
geostrategische Ziele durchzusetzen. So wartet er mit einer interessanten
Einschätzung des Wechsels von Neymar zu Paris St. Germain im Jahr 2017 auf.
Die damals schier unglaubliche Summe von 222 Millionen Euro sei nicht
vordergründig ein Zeichen galoppierender Kommerzialisierung gewesen,
sondern von den Katarern gezahlt worden, „um die Isolation zu beenden. Du
hast die größte Sportikone fortan in deinen Reihen, die Katarer sehen ihn
in Mobilfunk-Spots von Ooredoo, auf Flügen von Qatar Airways, das hat den
Leuten Mut gemacht.“
[3][Es ist eine Strategie des Whatever-it-takes], ein Klotzen auf höchstem
Niveau, dessen Denkmale in Doha überall zu sehen sind: Stadien, Metro,
Infrastruktur, Digitalisierung – alles wurde mit einem
200-Milliarden-Dollar-Entwicklungsplan angeschoben, in nur zwölf Jahren von
2010 an, der Kür Katars zum WM-Ausrichter bis zur Eröffnungsfeier vor
einigen Tagen. Dass die Nationalmannschaft jetzt nur noch eine WM-Partie
spielen wird? Sei’s drum. Das viel größere Ziel hat Katar mit seinem
megalomanen Planungseifer und einer ausufernden Bauwut erreicht: Respekt
und Ansehen in der Region.
Was Deutschland oder Dänemark über Katar denken, wird für den Emir zur
Marginalie. Und dass die Hüter eines der größten Erdgasschätze der Welt
unlängst einen LNG-Deal mit China abgeschlossen haben über 27 Jahre und sie
in Zukunft mit bis zu 100 LNG-Tankern ihr Flüssiggas über den Ozean
schicken wollen, wird dem Selbstbewusstsein der Katarer auch nicht
geschadet haben. Das eine ist der Fußball – und das andere die wirkliche
Welt.
27 Nov 2022
## LINKS
[1] /Misslungener-WM-Einstand-von-Katar/!5894110
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## AUTOREN
Markus Völker
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