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# taz.de -- Misslungener WM-Einstand von Katar: Krasse Unterlegenheit
> Beim Auftakt der WM enttäuscht Gastgeber Katar gegen Ecuador. Das
> Publikum wandert noch während der Partie in Scharen ab.
Bild: Verzweiflung pur: Mohammed Muntari hat sich das erste WM-Spiel von Katar …
„Im Namen Allahs, des Gnädigsten, des Barmherzigsten, heiße ich jeden
willkommen zu dieser Weltmeisterschaft“, sagte Emir Tamim Al Thani. Dann
sprach der polyglotte Fifa-Präsident Gianni Infantino im Stadion Al Bayt
ein paar Worte auf Arabisch: „Ahlan wa sahlan bekom, aelat korat ghadam“,
was übersetzt so viel bedeutet wie: „Willkommen, Fußballfamilie!“ Gekommen
waren über 67.000 Fans in jene Arena, die einem Wüstenzelt nachempfunden
ist und als Solitär in der Steppe steht. Die Besucher wurden am Eingang von
einem Trupp berittener Katarer, hoch zu Kamel, empfangen, das erste
folkloristische Highlight dieses überraschend kühlen und windigen Abends.
Bei der Eröffnungsfeier wurde unter anderem US-Schauspieler Morgan Freeman
mit einem bunten Lichtspektakel in Szene gesetzt. Er unterhielt sich mit
Ghanim Al Muftah, einem Botschafter dieser WM. Al Muftah leidet am kaudalen
Regressionssyndrom, einer Fehlbildung des unteren Rumpfes. Dieses Bild des
Dialogs zwischen einem schwarzen Westler und einem behinderten Araber
sollte eine Symbolkraft entfalten, die [1][dieses beargwöhnte Championat]
so dringend braucht.
Doch in den VIP-Lounges der hohen Politik war fast nur die arabische Welt
zugegen, angefangen beim saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman, Ägyptens
Präsident Abdel Fattah el Sisi, Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune,
Recep Tayyip Erdoğan aus der Türkei, dem König von Jordanien, Abdullah II.,
dem Sultan von Oman, Haitham bin Tarik, und dem Palästinenserpräsident
Mahmud Abbas – um nur einige Staatenlenker aus diesem Kulturkreis zu
nennen.
Sie alle waren gespannt, [2][wie sich die katarische
Fußballnationalmannschaft wohl schlagen wird] in diesem Turnier. Kann sie
mithalten? Ist sie gar für eine Überraschung gut? Die Fragen müssen nach
dem ersten Auftritt der vom Spanier Félix Sánchez gecoachten Mannschaft
fürs Erste mit einem klaren Nein beantwortet werden.
## Nicht einmal zweitklassig
Das Team, das sich zuletzt in Österreich fit gemacht hatte, enttäuschte auf
ganzer Linie. Fahrig, nervös, ja geradezu mit schlotternden Knien spielte
die Auswahl um Kapitän Hassan Al-Haydos von Minute eins an. Sie erreichten
über weite Strecken des Spiels nicht einmal das Niveau der zweiten
deutschen Bundesliga, obgleich sie von etwa 300 Fans in weinroten
Katar-Trikots lautstark angefeuert wurden; sogar einen sogenannten Capo,
also einen Fan-Instruktor, hatten sie aufgeboten.
Doch all das nutzte nichts, denn schon nach wenigen Minuten stand es 1:0
für Ecuador. Nach einer zweifelhaften Abseitsentscheidung wurde der Treffer
von Enner Valencia annulliert – und die WM schien ihren ersten, kleinen
Skandal zu haben, denn das Fachpublikum im Al-Bayt-Stadion sah überwiegend
keinen Grund für eine Revision. Es sollte nicht zum Problem für die
Südamerikaner werden, denn Valencia netzte noch zweimal ein, per Kopfball
und Elfmeter. Die Gelbhemden müssen sich allenfalls vorwerfen lassen, nicht
noch höher gegen die inferioren Gastgeber gewonnen zu haben. Der frühe
Eindruck der krassen Unterlegenheit hatte sich in der Halbzeit zur
Gewissheit verdichtet, weswegen etliche Katarer schon zu ihren SUVs
gepilgert waren; das Stadion leerte sich.
Selbst die katarische Jubeltruppe hatte sichtbare Verluste erlitten, und
spätestens ab Minute 80 war die Arena halb leer. Mahnend schrieb Arab New“
nach dem ernüchternden Abend in Al Chaur: „Coach Sánchez braucht nun ein
positives Resultat im Spiel gegen Senegal, um der Schmach zu entgehen, als
zweites Gastgeber-Team nach Südafrika 2010 schon in der Gruppenphase
rausgekickt zu werden.“
Man gab zu bedenken, dass es in der 92-jährigen WM-Geschichte die
Heimmannschaft immerhin 16 Mal geschafft hat zu gewinnen. Es muss die
Katarar gewurmt haben, dass dann auch noch [3][Mohammed bin Salman], der
vor Jahren einen groß angelegten arabischen Boykott Katars orchestriert
hat, mit einem vergifteten Angebot um die Ecke kam: Er habe alle
staatlichen Stellen und Ministerien von Saudi-Arabien angehalten, jede
Unterstützung zu gewähren, die von Katar zur Bewältigung der WM nötig sei.
Unterstützung könnte Félix Sánchez gebrauchen. Seit 2006 lehrt er in Katar
Fußball. Im Jahr 2019 hat er mit dem A-Team sogar die Asienmeisterschaft in
den mit Katar verfreundeten Vereinigten Arabischen Emiraten gewonnen. In
der Pressekonferenz nach dem Spiel hörte der 47-Jährige gar nicht mehr auf,
die Defizite seiner Schützlinge aufzuzählen. Man müsse sich in Passspiel
und Taktik verbessern, schneller, robuster, vertikaler und kompakter
spielen. Fast schon ratlos sagte er: „Hm, eigentlich haben wir Topspieler
in unseren Reihen, mit viel Potenzial.“ Das gilt es nun schnell abzurufen,
denn der Clan der Al Thanis hasst diese Art der Demütigungen vor den Augen
der Welt.
21 Nov 2022
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## AUTOREN
Markus Völker
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