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# taz.de -- Vorratsdatenspeicherung in Deutschland: Buschmann präsentiert Quic…
> Der Justizminister präsentiert einen alternativen Gesetzentwurf zur
> Vorratsdatenspeicherung. Daten sollen „eingefroren“ und „aufgetaut“
> werden.
Bild: Buschmann will Daten einfrieren und auftauen
Karlsruhe taz | Marco Buschmann macht Ernst. Der FDP-Justizminister hat
jetzt einen Gesetzentwurf für das [1][Quick-Freeze-Verfahren] vorgelegt,
mit dem er polizeiliche Ermittlungen erleichtern will, ohne gleich die
Daten der gesamten Bevölkerung auf Vorrat zu erfassen. Der 37-seitige
Gesetzentwurf liegt der taz vor.
Anlass von Buschmanns Vorstoß ist [2][ein Urteil des Europäischen
Gerichtshofs (EuGH) vom September,] in dem die Vorratsdatenspeicherung in
Deutschland als unverhältnismäßig beanstandet wurde. Als
[3][Vorratsdatenspeicherung bezeichnet man] die anlasslose Speicherung
aller Telefon- und Internetverbindungsdaten der gesamten Bevölkerung.
Telefonfirmen müssen dabei festhalten, wer wann wen angerufen oder
angesimst hat. Internetprovider müssen speichern, wer sich wann mit welcher
IP-Adresse ins Internet einloggte. Bei Mobiltelefonen wird auch der
Standort registriert. Inhalte werden zwar nicht erfasst. Dennoch entstünde
so ein riesiger Datenfundus, auf den die Polizei bei Bedarf zugreifen
könnte.
Die Vorratsdatenspeicherung stand seit 2015 zwar im Gesetzbuch, doch sie
wurde nie praktiziert. Deutsche Gerichte hatten von Beginn an Bedenken und
die Bundesnetzagentur verzichtete deshalb auf eine Durchsetzung der
Speicherpflicht.
## Nutzung der Daten bei „konkret Verdächtigen“
Als Alternative präsentiert Minister Buschmann nun das
Quick-Freeze-Verfahren, das schon seine Vorvorvorvorgängerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberg (FDP) propagierte. Dabei werden Daten nicht
anlasslos auf Vorrat gespeichert, sondern anlassbezogen in einem sehr viel
kleinerem Umfang.
So könnte die Staatsanwaltschaft nach einem Mord beantragen, dass die
Verbindungs- und Standortdaten aller potenziell Verdächtigen, des sozialen
und beruflichen Umfeld des Opfers und der möglichen Tatorte von den
Telekomfirmen vorsorglich eingefroren werden. Laut Gesetzentwurf dürfen
alle Verkehrsdaten gespeichert werden, die für die Ermittlungen noch „von
Bedeutung“ sein könnten. So können Daten von Dutzenden, aber auch von
Tausenden Personen erfasst werden. Später dürfen aber nur solche Daten
„aufgetaut“, also von der Polizei verwendet werden, die zu konkret
Verdächtigen gehören. Alle übrigen Daten müssen ungenutzt wieder gelöscht
werden.
Der Gesetzentwurf sieht einen doppelten Richtervorbehalt vor. Sowohl das
Einfrieren der Daten als auch das Auftauen muss von einem Gericht genehmigt
werden. Im Eilfall kann aber auch die Staatsanwaltschaft entscheiden und
ein Gericht muss dies nach spätestens drei Tagen bestätigen. Ein
Quick-Freeze-Befehl (die sogenannte Sicherungsanordnung) gilt einen Monat
und kann zweimal verlängert werden. Maximal können Verkehrsdaten aus dem
Umfeld einer Straftat so drei Monate gesichert werden.
Möglich wäre das Quick-Freeze-Verfahren nach Buschmanns Vorschlag bei
Straftaten „von erheblicher Bedeutung“, also bei [4][Gewalt-, Sexual]- und
schweren Vermögensdelikten, bei Drogen- und Steuerkriminalität sowie bei
politischen Straftaten.
## Faeser plädiert für IP-Adressen-Speicherung
Wie üblich wird bei Gesetzentwürfen auch angegeben, welche „Alternativen“
es gibt. Hier nennt Buschmann nur den Verzicht auf jede vorsorgliche
Speicherung. Was er nicht nennt, ist die Alternative, die Innenministerin
Nancy Faeser (SPD) propagiert: die Vorratsdatenspeicherung aller
IP-Adressen. Auch dies hat der EuGH in seinem Urteil vom September
zugelassen. Faeser wird hierbei von Kanzler Scholz unterstützt, nicht aber
von der SPD-Fraktion im Bundestag. Faeser hält Quick Freeze für ungenügend.
Wenn eine Tat zu spät entdeckt wird, seien die Verbindungsdaten längst
gelöscht und könnten daher auch nicht eingefroren werden.
FDP und Grüne [5][lehnen Faesers Vorstoß aber ab] und verweisen auf den
Koalitionsvertrag, der jeder Form der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung
eine Absage erteilt. Buschmanns Gesetzentwurf sieht deshalb vor, die
Vorratsdatenspeicherung (auch der IP-Adressen) aus allen Gesetzen zu
streichen.
Der Bundesjustizminister hat seinen Gesetzentwurf an diesem Dienstag in die
Ressortabstimmung der Bundesregierung gegeben. Wenn es in der Koalition
keine Einigung gibt – und danach sieht es derzeit aus –, bleibt es beim
Status quo: Es gäbe also weder Vorratsdatenspeicherung noch Quick Freeze.
Buschmann hofft, dass sich letztlich auch die Sicherheitsbehörden für
seinen Gesetzentwurf einsetzen werden – weil ihnen der Spatz in der Hand
mehr bringt als die Taube auf dem Dach.
25 Oct 2022
## LINKS
[1] /Die-Erklaerung/!5881410
[2] /Urteil-zur-Vorratsdatenspeicherung/!5879654
[3] /Urteil-zur-Vorratsdatenspeicherung/!5879636
[4] /Bekaempfung-von-Gewalt-gegen-Frauen/!5886457
[5] /Nach-dem-EuGH-Urteil/!5882948
## AUTOREN
Christian Rath
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