# taz.de -- Pläne für Gesetzesverschärfung: Kritik an Volksverhetzungsparagr… | |
> Die beschlossenen Regeln zur Verharmlosung von Kriegsverbrechen gehen zu | |
> weit, sagen Kritiker. Der Bundesrat muss noch dazu tagen. | |
Bild: Können Demonstranten, die den Völkermord an den Armenien verharmlosen, … | |
Freiburg taz | Justizminister Marco Buschmann (FDP) gerät unter Druck, weil | |
er eine Verschärfung des Meinungsstrafrechts initiiert hat, die vom | |
Bundestag [1][faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschlossen | |
wurde]. In Zukunft soll die Leugnung und gröbliche Verharmlosung von | |
Völkermorden und Kriegsverbrechen in Deutschland als Volksverhetzung | |
strafbar sein – wenn dies den öffentlichen Frieden stört und geeignet ist, | |
zu Hass und Gewalt aufzustacheln. | |
Der Bundestag hat die Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafen 130 am | |
20. Oktober spätabends beschlossen. Grundlage war eine Formulierungshilfe | |
des Justizministeriums, die erst am Vortag in ein anderes Gesetz eingefügt | |
worden war. Das Gesetz wurde im Bundestag dann gegen die Stimmen von AfD | |
und Linken angenommen, wobei die Linke am Vortag im Rechtsausschuss noch | |
dafür gestimmt hatte. | |
Bisher war in Deutschland nur die Billigung, Leugnung und Verharmlosung des | |
Holocaust sowie die Billigung von Straftaten aller Art ausdrücklich | |
strafbar. Die EU-Kommission hatte aber im Dezember 2021 ein | |
Vertragsverletzungs-Verfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil | |
Deutschland einen EU-Rahmenbeschluss von 2008 zur Bekämpfung des Rassismus | |
nicht richtig umgesetzt habe. Dort ist keine Beschränkung auf den Holocaust | |
vorgesehen, weil die osteuropäischen Staaten insbesondere auch | |
Völkerstraftaten der einstigen Sowjetunion erfassen wollten. | |
Insofern musste Deutschland reagieren. Die Leipziger Rechtsprofessorin | |
Elisa Hoven wirft Buschmann und dem Bundestag nun aber vor, dass sie nicht | |
von einer Möglichkeit der Einschränkung Gebrauch gemacht haben, die der | |
EU-Rahmenbeschluss ausdrücklich vorsieht. Danach kann die Strafbarkeit des | |
Leugnens und groben Verharmlosens auf Völkerstraftaten begrenzt werden, die | |
„ein internationales Gericht“ endgültig festgestellt“ hat. | |
## Historische Wahrheit soll Debattengegenstand bleiben | |
So könnte verhindert werden, dass künftig jedes deutsche Amtsgericht | |
Beweisaufnahmen durchführen müsste, wie sie sonst am Internationalen | |
Strafgerichtshof in Den Haag üblich sind, so Hoven auf [2][dem juristischen | |
Webportal Libra], „deutsche Amtsgerichte sollten nicht darüber verhandeln | |
müssen, ob das [3][Massaker an den Armeniern] ein Völkermord war oder ob | |
Israel in besetzten Gebieten Kriegsverbrechen begangen hat“. | |
Die Kölner Rechtswissenschaftlerin Paula Rhein-Fischer hält [4][auf dem | |
Verfassungsblog] den Verzicht auf diese Einschränkung ebenfalls für | |
„unglücklich“. Sie fordert die deutschen Strafgerichte daher auf, die | |
Strafnorm „so restriktiv wie möglich auszulegen“. Die historische Wahrheit | |
müsse weiter „Gegenstand der öffentlichen“ Debatte sein. | |
Noch ist aber eine unproblematische Änderung durch den Gesetzgeber möglich, | |
denn die neue Strafnorm ist noch gar nicht endgültig beschlossen. Erst am | |
25. November wird sich der Bundesrat mit der Sache befassen. Nötig ist zwar | |
nicht die Zustimmung der Länderkammer, doch könnte der Bundesrat, wenn er | |
Korrekturbedarf sieht, den Vermittlungsausschuss anrufen. Dort könnte dann | |
die Einschränkung auf international festgestellte Völkermorde und | |
Kriegsverbrechen noch eingefügt werden. Wie die Stimmung auf Länderseite | |
ist, wird sich bereits am 9. November zeigen, wenn der Rechtsausschuss des | |
Bundesrats über die Reform berät. | |
Minister Buschmann, der als liberaler Rechtspolitiker sicher keine | |
Verschärfung des Meinungsstrafrechts beabsichtigte, bleibt tapfer bei der | |
Behauptung, die von ihm vorgeschlagene Formulierung sei gar keine | |
Verschärfung, sondern nur eine „Klarstellung“. Die Leugnung und grobe | |
Verharmlosung von Völkermorden sei nämlich bereits heute als | |
Volksverhetzung strafbar, wenn sie zu Hass und Gewalt aufstachelt. So habe | |
der Bundestag schon 2010 argumentiert, als es darum ging, den | |
EU-Rahmenbeschluss umzusetzen. | |
Das ist zwar richtig, nur ging es damals darum, eine explizite Verschärfung | |
des Meinungsstrafrechts zu verhindern, während Buschmann nun die faktische | |
Verschärfung damit verschleiert. | |
Auch eine Einschränkung der Strafnorm auf international festgestellte | |
Völkermorde und Kriegsverbrechen lehnt das Justizministerium bisher „aus | |
systematischen Gründen“ ab. Schließlich gebe es beim „Billigen“ von | |
Straftaten in Paragraf 140 auch keine derartige Beschränkung. [5][Sein | |
liberales Profil] schärft Buschmann so eher nicht. | |
3 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Verharmlosung-von-Kriegsverbrechen/!5889964 | |
[2] https://www.libra-rechtsbriefing.de/L/volksverhetzung/ | |
[3] /Voelkermord-an-den-Armeniern/!5762505 | |
[4] https://verfassungsblog.de/regieren-der-erinnerung-durch-recht/ | |
[5] /Vorratsdatenspeicherung-in-Deutschland/!5890806 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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