# taz.de -- Urteil zur Vorratsdatenspeicherung: Einfrieren statt speichern | |
> Die Erfassung der Daten aller Bürger:innen jederzeit war ein klar | |
> unverhältnismäßiges Gesetz. Politisch machbar ist nur die | |
> Quick-Freeze-Regelung. | |
Bild: Big Brother is watching you – aber zumindest nicht ohne strenge Regeln | |
Stellen Sie sich vor, dass die Post auf staatliche Anweisung speichert, wem | |
Sie Briefe schreiben und von wem Sie Briefe erhalten. Oder falls Sie jünger | |
sind und keine Briefe mehr schreiben: Stellen Sie sich vor, dass die | |
Internetfirmen auf staatliche Anordnung speichern, welche Streamingdienste | |
Sie abonniert haben, wann Sie einschalten und wann Sie sich wieder | |
ausloggen. | |
Vielleicht denken Sie: Das ist ja krass, Ich habe zwar nichts zu verbergen, | |
aber deshalb muss ich noch lange nicht mein Privatleben erfassen lassen. | |
Doch genau das ist [1][seit 2015 eigentlich Pflicht] für die | |
Telekom-Verbindungsdaten. Die gesetzliche Ansage war: Telefonfirmen müssen | |
speichern, wen Sie wann, wie lange angerufen haben. Und Internetfirmen | |
müssen festhalten, wann Sie im Netz mit welcher IP-Adresse unterwegs waren. | |
Betroffen wäre die gesamte Bevölkerung – rund um die Uhr. | |
Das nennt sich Vorratsdatenspeicherung: die Erfassung der Daten aller | |
Bürger:innen für den Fall, dass die Polizei doch mal einzelne Daten | |
brauchen kann. Das Gesetz war so offensichtlich unverhältnismäßig, dass es | |
schon vor der ersten Anwendung von deutschen Gerichten ausgesetzt wurde. | |
Nun hat der [2][Europäische Gerichtshof] (EuGH) – völlig absehbar – | |
entschieden, dass das deutsche Gesetz gegen EU-Recht verstößt. | |
Damit könnte die Debatte über die Vorrratsdatenspeicherung eigentlich | |
enden. Das Gegenteil ist richtig. Sie wird nun neu beginnen. Denn der EuGH | |
hat die Vorratsspeicherung nicht generell verboten. Er hat vielmehr | |
zahlreiche begrenzte Formen der Vorratsdatenspeicherung zugelassen. | |
Strenger ist da der Koalitionsvertrag der Ampelregierung. Während der EuGH | |
die anlasslose Speicherung der IP-Adressen zulässt, schließt dies der | |
Koalitionsvertrag aus. | |
Darauf kann sich Justizminister Marco Buschmann (FDP) berufen. Und er wird | |
davon sicher nicht abgehen, denn der Kampf gegen die anlasslose | |
Vorratsdatenspeicherung gehört ebenso zum Markenkern der FDP wie die Liebe | |
zur Schuldenbremse. Deshalb hat [3][Innenministerin Nancy Faeser] (SPD) nun | |
zwei Möglichkeiten: Entweder sie streitet mit Buschmann bis zum Ende der | |
Wahlperiode über die Auslegung von EuGH-Urteil und Koalitionsvertrag und | |
nichts passiert. | |
Oder sie akzeptiert das Angebot von Buschmann, der bereit ist, eine | |
Quick-Freeze-Regelung einzuführen, die die Polizei auch bei Ermittlungen | |
zum Beispiel gegen Missbrauchsdarstellungen von Kindern nutzen kann. Bei | |
Quick Freeze würden Daten nicht auf Vorrat gespeichert, sondern | |
eingefroren, damit sie nicht vorschnell gelöscht werden. Die | |
Innenministerin kann nun entscheiden, ob sie sofort mit Buschmann reale | |
Verbesserungen für die Polizei einführt. Oder ob sie lieber auf die nächste | |
Koalition mit der CDU wartet, um eine anlasslose Speicherung aller | |
IP-Adressen zu beschließen. | |
20 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Vorratsdatenspeicherung-beschlossen/!5243774 | |
[2] /Nach-dem-EuGH-Urteil/!5882948 | |
[3] /Ampel-streitet-ueber-Massenspeicherung/!5876702 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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