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# taz.de -- Kampf gegen hohe Mieten: 100 Jahre billige Miete
> Der Hamburger Senat hat sich mit der Mieterbewegung geeinigt. Er soll
> keinen Grund mehr verkaufen und Sozialwohnungen mit „ewiger“ Bindung
> bauen.
Bild: Wohngrundstücke können künftig nur nach Bürgerschaftsbeschluss verkau…
Hamburg taz | Es könnte ein Modell sein, das den sozialen Wohnungsbau in
Deutschland revolutioniert: Am Dienstag stellten der rot-grüne Hamburger
Senat und die Volksinitiative „Keine Profite mit Boden und Miete“ einen
Kompromiss vor. Er soll gewährleisten, dass städtischer Grund und Boden
künftig grundsätzlich nicht mehr verkauft wird. Außerdem werden die
Sozialwohnungen auf städtischem Grund mit einer ewigen Preisbindung
versehen.
Die Hamburger Koalition setze „damit auch ein bundespolitisches Zeichen“,
sagte Dominik Lorenzen, Fraktionschef der Grünen in der Bürgerschaft. Es
könne die von der Berliner Ampelkoalition vereinbarten Bemühungen
voranbringen, in Zukunft wieder gemeinnützigen Wohnungsbau zu ermöglichen
„Keine Profite mit Boden und Miete“ wird von 30 Organisationen aus einem
breiten gesellschaftlichen Spektrum getragen – von den Mietervereinen über
örtliche Mieter- und Stadtteilinitiativen, über Attac und Ver.di bis hin
zum Plenum des autonomen Stadtteilzentrums Rote Flora.
Mit der Einigung reagiert der Senat auf den enormen Druck auf dem
Wohnungsmarkt – und er verhindert, dass die Initiative die nächste Stufe im
Verfahren der Volksgesetzgebung zündet. Zudem dürfte der Kompromiss einer
weiteren Initiative unter dem Titel „[1][Hamburg enteignet“ den Wind aus
den Segeln nehmen].
## Zwei Erfolge
[2][„Keine Profite mit Boden und Miete“] besteht aus verfassungsrechtlichen
Gründen aus zwei Initiativen. Beim ersten Teil zum Grundeigentum reicht
die Vereinbarung mit dem Senat sogar über das ursprünglich Angestrebte
hinaus: Die Nichtveräußerung städtischer Wohnungen und Wohngrundstücke
erhält Verfassungsrang. Bauplätze sollen nur noch im Wege des Erbbaurechts
vergeben werden. Ausnahmen bedürfen eines Beschlusses der Bürgerschaft.
Außerdem werden „die Schaffung, die Erhaltung und die Bereitstellung von
bezahlbarem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen in die Verfassung
aufgenommen.“ Möglich macht das die Zweidrittelmehrheit von Rot-Grün in der
Bürgerschaft. „Es wird auch für spätere Senate nicht mehr so einfach
möglich sein, das städtische ‚Tafelsilber‘ Grund und Boden leichtfertig
durch Verkauf zu Spekulationsobjekten zu machen“, sagte Marc Meyer vom
Verein „Mieter helfen Mietern“.
Bei ihrem zweiten Anliegen, sämtliche Neubauwohnungen auf städtischem Grund
als Sozialwohnungen zu vermieten und beim Mietpreis entsprechend zu
deckeln, musste die Initiative Abstriche vornehmen: Künftig sollen 33
Prozent der neu gebauten Wohnungen auf städtischem Grund Sozialwohnungen im
ersten Förderweg, also besonders günstig sein.
Dass es nur ein Drittel ist, wird [3][aus Sicht von „Keine Profite mit
Boden und Miete“ dadurch ausgeglichen], dass die mit der Förderung
verbundene Bindungsfrist von den üblichen 20 oder 30 Jahren auf 50 Jahre
verlängert wird. Im Anschluss daran soll die Miete weitere 50 Jahre an die
Verbraucherpreise und die Reallöhne gekoppelt werden. „Dauerhafte
Mietpreisbindungen über Zeiträume von 100 Jahren sind in Hamburg, aber auch
bundesweit, einmalig“, sagte Paul-Hendrik Mann vom Mieterverein zu Hamburg.
## Anstoß für einen Paradigmenwechsel
Nach der Vereinbarung sollen im Fünfjahresdurchschnitt mindestens 1.000
solcher Wohnungen jährlich gebaut werden. „Ich hoffe, dass das einen Anstoß
geben, kann von dem üblichen Sozialwohnungsmodell wegzukommen“, sagt der
Anwalt und Mieteraktivist Bernd Vetter.
Die [4][Verbände der Hamburger Wohnungswirtschaft bezeichneten den
Kompromiss zwischen Senat und Initiative als „dramatische
Fehlentscheidung“]. Um mit einer 100-jährigen Mietpreisbindung bauen zu
können, müsse die Förderung drastisch erhöht werden, was der Senat mit der
Verlängerung auf 50 Jahre ja auch vorsieht.
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) versicherte, dass hierfür auch an die
Finanzierung gedacht sei und insgesamt nicht weniger Sozialwohnungen etwa
im zweiten Förderweg oder auf privaten Grundstücken gebaut werden sollten.
Diese sind im Hamburger Bündnis für das Wohnen zwischen dem Senat, den
Bezirken und der Wohnungswirtschaft vereinbart, wonach bei Neubauprojekten
35 Prozent Sozialwohnungen gebaut werden sollen.
Die wohnungswirtschaftlichen Verbände befürchten, dass sich Sozialwohnungen
in bestimmten Quartieren ballen und diese instabil werden könnten. Dort
könne „der Anteil der geförderten Wohnungen noch steigen, wenn die Stadt
nicht jährlich Flächen für mindestens 3.000 Wohneinheiten zur Verfügung
stellt“, warnen die Verbände. Dabei seien Baugrundstücke ja schon seit
Langem Mangelware.
Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapeldfeldt (SPD) wies darauf hin,
dass die Fördertöpfe für den sozialen Wohnungsbau bisher nicht ausgeschöpft
würden. Insofern sieht sie jetzt schon finanziellen Spielraum für eine
längere Förderdauer.
Marc Meyer von „Mieter helfen Mietern“ wies darauf hin, dass sich eine
lange Bindung lohne, weil dann nicht ständig aus der Bindung gefallene
Sozialwohnungen durch Neubauten ersetzt werden müssten. „Ein noch so
bemühter Senat kann da nicht hinterherbauen“, sagte er. Zudem sei das wegen
des Ressourcenverbrauchs unsinnig.
2 Nov 2022
## LINKS
[1] /Berlin-als-Vorbild/!5877683
[2] https://keineprofitemitbodenundmiete.de/die-volksinitiativen/
[3] /Grundstuecksvergabe-ueber-Erbbaurecht/!5720057
[4] /Streitgespraech-ueber-Mieteninitiative/!5734222
## AUTOREN
Gernot Knödler
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