# taz.de -- Sozialer Wohnungsbau in Hamburg: Miese Bilanz und miese Aussichten | |
> Der soziale Wohnungsbau in Hamburg liegt brach. Steigende Baukosten, der | |
> Mangel an Grundstücken und fehlende Bundesförderung verschärfen die | |
> Probleme. | |
Bild: Ein seltenes Bild, hier aus dem Jahr 2019: Richtfest bei einem Sozialwohn… | |
Hamburg taz | Es liest sich wie eine Horrornachricht: Im ersten Halbjahr | |
2022 sind in Hamburg nur 19 neue Sozialwohnungen genehmigt worden. „Weshalb | |
schrillen da nicht sämtliche Alarmglocken“, fragte sich die | |
Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Heike Sudmann angesichts dieser | |
„dramatischen Zahlen“. | |
Die 19 zeigt zwar ein verzerrtes Bild, wie die Stadtentwicklungsbehörde | |
betont. Die Zahl wirft jedoch ein Schlaglicht darauf, dass der rot-grüne | |
Hamburger Senat sein selbst gesetztes Ziel von einem Drittel | |
Sozialwohnungen im Neubau in den vergangenen zehn Jahren fast immer | |
verfehlt hat. Und die Aufgabe wird eher schwieriger als einfacher. | |
Angesichts des erwarteten Zuzugs und hoher Mieten strebt der Senat den | |
Neubau von 10.000 Wohnungen pro Jahr an. Ein Drittel davon sollen | |
Eigentumswohnungen sein, ein Drittel frei finanzierte Mietwohnungen und ein | |
Drittel geförderte Mietwohnungen in zwei Preisstufen für arme und für | |
gering verdienende Mieter. | |
Hamburg hat mit dem Programm Furore gemacht, [1][obwohl es von 2011 bis | |
2021 das grobe Ziel nur dreimal erreicht hat]. Einen Sozialwohnungsanteil | |
von mehr als 30 Prozent hat der Senat dabei zweimal erreicht. [2][Im | |
vergangenen Jahr brach eine jahrelange Aufwärtsentwicklung ab.] Von 7.500 | |
fertiggestellten Wohnungen waren nur 1.900 Sozialwohnungen. Dabei stehen | |
den derzeit insgesamt 80.000 Sozialwohnungen mehr als 420.000 Haushalte | |
gegenüber, die eine Sozialwohnung beanspruchen dürften. | |
Was den Einbruch bei den Baugenehmigungen im laufenden Jahr angeht, bittet | |
Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) darum, das Jahresende | |
abzuwarten. Wegen der vielen notwendigen Schritte von der Planung über die | |
Beantragung und Prüfung bei der Investitions- und Förderbank (IFB) sowie | |
der Abstimmung zwischen der IFB und den Bauherren würden die meisten | |
Projekte immer erst im vierten Quartal eines Kalenderjahres bewilligt. „An | |
dieser Zahl kann unsere Arbeit gemessen werden, nicht an dem | |
Halbjahresbericht zum Haushalt“, sagt die Senatorin. | |
Stapelfeldt gibt allerdings zu bedenken, dass die Rahmenbedingungen des | |
Wohnungsbaus derzeit schwierig seien: Gestörte Lieferketten, mangelnde | |
Rohstoffe, verdreifachte Zinsen, das Hin und Her bei den Förderbedingungen | |
des Bundes und die gestiegenen Baukosten machten Bauherren das Leben | |
schwer. „Um so wichtiger ist es festzuhalten, dass die Hamburger | |
Wohnungsbauförderung kontinuierlich an die Baukosten-Entwicklung angepasst | |
wird“, sagt die SPD-Politikerin. Allein für 2022 hat der Senat die | |
Wohnraumförderung deshalb um zwölf Prozent erhöht. | |
Wie schwer es ist, den Wohnungsmarkt hinterher zu fördern, illustriert | |
Andreas Breitner, Direktor des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen | |
(VNW), der vor allem Genossenschaften und öffentliche Unternehmen vertritt: | |
„Wer heute in Hamburg mit einem Wohnungsbauprojekt startet, muss mit | |
Erstellungskosten rechnen, die eine Miete von 18 Euro und mehr pro | |
Quadratmeter notwendig machen“, sagt Breitner. | |
Für Sozialwohnungen im ersten Förderweg darf aber nur eine Netto-Kaltmiete | |
von 6,90 Euro pro Quadratmeter verlangt werden. Die Differenz muss also | |
durch staatliche Förderung ausgeglichen werden – und zwar über die gesamten | |
30 Jahre, in denen die Mietpreis- und Belegungsbindung gilt. „Das kostet | |
viel Geld, das über lange Zeiträume durch die öffentliche Hand – also durch | |
den Steuerzahler – aufgebracht werden muss“, sagt Breitner. | |
Doch selbst die gut 300 Millionen Euro, die die Stadt in diesem Jahr für | |
soziale Wohnraumförderung ausgibt, könne den Kostenauftrieb beim | |
Wohnungsbau und die [3][weggefallenen Fördermittel des Bundes] nicht | |
vollständig kompensieren – das Bundeswirtschaftsministerium ordnet die | |
Förderung für energiesparende Gebäude gerade neu. „In vielen Fällen ist es | |
heute nur über den in Hamburg erfolgreich etablierten Drittel-Mix überhaupt | |
noch möglich, öffentlich geförderte Wohnungen zu errichten, da diese | |
zusätzlich zur öffentlichen Förderung aus den anderen beiden Segmenten | |
quersubventioniert werden müssen“, sagt Breitner. | |
## Diskussion über Erbbaurecht | |
Ein Hindernis sieht der Verbandsdirektor darin, dass [4][die Stadt | |
öffentliche Baugrundstücke nur noch im Wege des Erbbaurechts vergibt]. Vor | |
allem Genossenschaften schrecke das vom Neubau auf städtischen Grundstücken | |
ab. „Das Argument, beim Erbbaurecht müsse die Genossenschaft das Grundstück | |
nicht bezahlen, stimmt so leider nicht“, sagt Breitner. | |
Denn mit dem Erbbauzins zahle eine Genossenschaft jahrzehntelang, ohne dass | |
ihr das Grundstück am Ende gehöre. „Es gibt keinen Grund, | |
Wohnungsgenossenschaften, die in der Hansestadt seit mehr als 120 Jahren | |
ihre Gemeinnützigkeit unter Beweis stellen, in einen Topf mit | |
Bodenspekulanten zu werfen“, sagt Breitner. | |
Die Linken-Abgeordnete Sudmann findet dagegen, es komme darauf an, wie das | |
Erbbaurecht ausgestaltet werde, so dass es günstig und attraktiv sei. „Der | |
Senat muss nach allen Wegen suchen, Wohnungen billiger zu machen“, fordert | |
sie. | |
9 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/16174598/2022-05-16-rund-7500-neue-… | |
[2] /Wohnungsbau-in-Hamburg/!5852471 | |
[3] /KfW-Geld-fuer-energieeffiziente-Haeuser/!5832812 | |
[4] /Grundstuecksvergabe-ueber-Erbbaurecht/!5720057 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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