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# taz.de -- Wiederaufbau der Ukraine: Solidarität und jede Menge Fragen
> Bei Beratungen um den Wiederaufbau der Ukraine haben die EU-Länder
> dominiert. Derweil führte der Bundespräsident Gespräche in einem
> Luftschutzbunker.
Bild: Korjukiwka, Ukraine am Dienstag: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier…
Berlin taz | An markigen Worten fehlt es nicht. Von Mammutaufgaben ist die
Rede, von gewaltigen Herausforderungen, von grenzenloser Solidarität – und
es werden Versprechen gegeben, die über Generationen halten sollen. Die
Bundesregierung, die bis Ende des Jahres den Vorsitz der G7 innehat, und
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen haben zur nächsten Runde für
den [1][Wiederaufbau der Ukraine] eingeladen. Es wird um Vertrauen geworben
bei den ukrainischen Vertretern und bei den Geldgeber-Staaten.
Die Probleme sind in der Tat gewaltig. Der [2][Krieg in der Ukraine ist in
vollem Gange] und die russische Armee bombardiert zunehmend Kraftwerke,
Straßen, Zufahrten und Wohngebäude. Die Wirtschaftsleistung der Ukraine ist
eingebrochen, Exporte etwa von [3][Getreidelieferungen werden nach wie vor
blockiert] oder erschwert. Das Land braucht jetzt Geld, um
Sozialleistungs-, oder Finanzsysteme aufrechtzuerhalten, um Gehälter für
Lehrer oder Ärzte auszuzahlen. Dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir
Selenski zufolge braucht sein Land kommendes Jahr 38 Milliarden US-Dollar.
Zugleich muss auch an die Zeit „nach dem Sieg über Russland“ gedacht
werden, so formuliert es Selenski, live aus der Ukraine zugeschaltet.
Und immer wieder fällt ein Begriff: Es müsse ein Marshall-Plan für die
Ukraine her. Das US-Aufbauprogramm für Deutschland und ganz Europa nach dem
Zweiten Weltkrieg bestand aus Hilfen in Milliardenhöhe, Kreditzusagen und
Schuldenerlassen. Für den Wiederaufbau der Ukraine werde die „Stärke der
gesamten Völkergemeinschaft“ notwendig sein, betonte Scholz.
Während der Kanzler in Berlin die Solidarität mit der Ukraine bekräftigt,
ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Kiew eingetroffen. Es ist
sein erster Besuch in der Ukraine seit Beginn des Krieges. Eigentlich
wollte Steinmeier bereits Mitte April nach Kiew reisen – wurde dann aber
[4][von Seiten der Ukraine ausgeladen]. Ihm sei es wichtig, sagte er nun,
„gerade jetzt, in der Phase der niederträchtigen russischen Luftangriffe im
ganzen Land“ ein Zeichen der Solidarität zu senden. Er sicherte weiter
militärische, politische, finanzielle und humanitäre Hilfe zu.
## Wer koordiniert was?
Steinmeier wollte nicht nur Selenski treffen, sondern besuchte auch das
nord-ukrainische Städtchen Korjukiwka nahe der belarussischen Grenze. In
Korjukiwka ging es ebenfalls um Wiederaufbauhilfe. Die Stadt hat mit
zerstörter Infrastruktur durch russischen Beschuss zu kämpfen. Kurz nach
Steinmeiers Ankunft wurde Luftalarm ausgelöst. Der Bundespräsident,
Bürgermeister Ratan Achmedow und eine Gruppe von Bürger*innen mussten
ihre Gespräche in einem Luftschutzkeller führen.
Von der Leyen schwört derweil in Berlin die Weltgemeinschaft auf
Zusammenarbeit ein: Die G7, die EU, Finanzinstitutionen wie den IWF, die
Weltbank, die Europäische Investitionsbank. Die G7 haben für 2023 bereits
Budgethilfen von rund 20,7 Milliarden US-Dollar zugesagt, mehr als 33
Milliarden US-Dollar sollen es werden. Die USA sind derzeit der größte
Geldgeber, innerhalb der EU ist Deutschland an der Spitze. Was den
bisherigen Gesamtschaden für die Ukraine betrifft, gehen die Berechnungen
teilweise weit auseinander. Die Weltbank spricht von etwa 350 Milliarden
US-Dollar bis Sommer, der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal
sprach von aktuell 750 Milliarden US-Dollar.
Die Vielfalt der Akteur:innen wirft außerdem etliche Fragen auf. Wer
koordiniert die Hilfen, bestimmt über die Verteilung des Geldes? Unter
welchen Kriterien? „Die Ukraine wird die Führung übernehmen“, sagt von der
Leyen. Denn das Land habe eine klare Vision, EU-Mitglied zu werden. Für sie
ist die „Straße zum Wiederaufbau der Weg zu dieser Vision“. Damit macht von
der Leyen auch klar, dass die EU eine entscheidende Rolle bei der
Koordination des Aufbaufonds übernehmen wird.
Ein Vorschlag für eine entsprechende Plattform liegt bereits auf dem Tisch.
Den Aufbau von Infrastruktur und wirtschaftliche Zusagen braucht es, um
geo- und sicherheitspolitische Garantien zu gewähren. Selenski bringt hier
die USA ins Spiel, auf die der ukrainische Präsident auch weiterhin setzt.
Ein hochrangiger US-Vertreter spricht aber bei keiner der
Diskussionsrunden. Von der Leyen, Scholz und der ukrainische
Ministerpräsident Schmyhal dominieren.
## Die Zeit drängt
Bei der ersten Wiederaufbau-Konferenz im Juli im schweizerischen Lugano
einigte man sich auf sieben Prinzipien: Partnerschaft, Fokus auf Reformen,
Transparenz, demokratische Teilhabe, Einbeziehung verschiedener
Interessenvertreter, Gleichberechtigung der Geschlechter und
Nachhaltigkeit. Nichtregierungsorganisationen machen seitdem Druck, dass
die Zivilgesellschaft bei der Umsetzung dieser Prinzipien eingebunden
werden – und der Fokus nicht nur auf etwa Privatinvestitionen von Firmen
liegt.
Viel Zeit bleibt den G7, der EU, den internationalen Finanzinstutionen
nicht für eine Entscheidung und einen konkreten Fahrplan für Koordination
und Verteilung. Es bleibt kein Spielraum für Überbürokratisierung oder ein
Verstricken in Absprachen. Denn die nächste Konferenz findet erst im
Frühjahr 2023 in Großbritannien statt, die Lösungen braucht es jetzt.
25 Oct 2022
## LINKS
[1] /Konferenz-zur-Ukraine-Hilfe/!5890061
[2] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5890792
[3] /Getreideexporte-der-Ukraine/!5880891
[4] /-Nachrichten-im-Ukrainekrieg-/!5852776
## AUTOREN
Tanja Tricarico
Jasmin Kalarickal
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