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# taz.de -- Fotoausstellung im Haus am Kleistpark: Der Hund ist immer interessa…
> Zehn Jahre lang fotografierte Anne Schönharting Menschen in
> Berlin-Charlottenburg in ihren Wohnungen. Zu sehen ist das Ergebnis in
> „Habitat“.
Bild: Wolfshund Peggy mit Bühnen- und Kostümbildner Bernd Skodzig
Allein die Einladungskarte zu [1][Anne Schönharting]s Ausstellung „Habitat“
im Haus am Kleistpark kann einen lange beschäftigen. Zu sehen sind darauf
in einem edel, freilich etwas dunkel und antiquitätenlastig eingerichteten
Wohnzimmer „Peggy und Bernd Skodzig“. Wobei es vor allem Peggy ist, die man
sieht: einen riesigen grauen Irischen Wolfshund, der sich vor dem im Sessel
sitzenden Bernd Skodzig aufgebaut hat.
Peggy stützt sich mit ihren Vorderpfoten auf den Knien ihres Herrn auf,
wodurch dieser völlig hinter dem mächtigen Tier verschwindet. Der Hund
schaut zur Seite, sein eindrucksvoller Kopf ist im Profil erfasst. Peggy
wirkt gut gelaunt, scheint leicht zu lächeln – wie es sich eben gehört,
wenn man fotografiert wird.
Wovon aber handelt diese Fotografie? Will sie Porträt-, will sie Interieur-
oder will sie Milieustudie sein? Wie sehr inszeniert sie? Wie weit
dokumentiert sie? Und ist es nicht cool, wie der Mann seinem Hund den
Vortritt lässt in der Aufnahme? Wohl wissend, der Hund ist eh immer
interessanter als der Mann? Der Hund jedenfalls wird gleich gegoogelt und
erst danach der Mann, von dem sich herausstellt, dass er ein bekannter
Bühnen- und Kostümbildner ist.
Und wie all die anderen Personen, deren Bilder nun in der Ausstellung wie
in dem dort ausliegenden, schön gestalteten und sorgfältig gedruckten
Bildband gleichen Titels zu sehen sind, lebt Bernd Skodzig in
Berlin-Charlottenburg.
## Charlottenburger Nachbarschaft porträtieren
Zehn Jahre lang porträtierte Anne Schönharting dort Menschen und ihre
Wohnungen. Angefangen hatte es mit der Bitte, die C/O Berlin 2012
anlässlich des Umzugs vom Postfuhramt Mitte [2][ins Amerikahaus am Bahnhof
Zoo] an die Mitglieder der Fotoagentur Ostkreuz richtete: Könntet ihr nicht
für die Eröffnungsausstellung in den neuen Räumen die Nachbarschaft
Charlottenburgs fotografieren?
Anne Schönharting, 1973 in Meißen geboren und seit 1999 Mitglied bei
Ostkreuz, hatte also Lust, wie sie bei der Eröffnung sagte, sich die
Bewohner:innen hinter großen erleuchteten Fenstern der Altbauwohnungen
etwas näher anzuschauen. Es war der Beginn einer bis 2022 andauernden Reise
in eine – man ist ja schnell geneigt zu sagen unbekannte, aber weil das
nicht wirklich stimmt, wohl richtiger – ganz eigene Welt in dieser Stadt.
Das Leben in dieser Welt spielt stets in spektakulären Räumen, zeigt
mondänen Luxus und stilsicheren, teils originellen Geschmack gepaart mit
einigem Kunstsinn. In dieser Welt nimmt die Fotografin dann [3][Loretta
Würtenberger], Daniel Tümpel und ihre Tochter im Gegenlicht vor einem
großen Altbaufenster auf, vor dem sie sich wie in einem Gemälde von Monet
gruppieren.
Blickfang ist das exquisit schöne Kleid der Hausherrin, das in einer
weiteren Fotografie einen großen Auftritt hat, in der Würtenberger von
hinten beim Betreten eines Zimmers gezeigt wird, wobei sich die
Querstreifen ihres Kleids mit den Stripes von Jasper Johns Flag an der Wand
kabbeln. Die Klassenfrage ist also schnell geklärt.
## Die Lust am Fell
Weniger schnell geklärt ist tatsächlich die Faszination der Bilder. In ihr
zeigt sich die Kunst von Anne Schönharting. Ihrem besonderen Blick ist es
zu verdanken, dass die Porträtierten nicht in dem Museum ihrer
Bedeutsamkeit und des Zeitgeists erstarren, als das ihre Wohnungen zum
großen Teil eingerichtet sind, mit all der kostbaren und/oder absolut
zeitgenössischen Kunst an der Wand, den raumhohen, reich bestückten
Bücherregalen, den Designerküchen, den Möbeln der klassischen Moderne wie
Le Corbusier oder etwas geistreicher dem Midcentury von Finn Juhl, die
endlich das elende Biedermeier verdrängen.
Schönharting versteht die Lust am Fell, sei es am Hund, auf Bett oder Sofa
und als Kleidung, die alle Bewohner Charlottenburgs zu teilen scheinen, und
sie feiert diese Lust als altmeisterlichen Akzent im Bildaufbau. Sie
honoriert den Großmut, mit dem die Beteiligten der Fotografin Einblick in
ihren privaten Alltag gewährten, durch das Ergebnis besonderer,
eigenartiger Bilder.
Denn ihre Charlottenburger Porträts sind nur als Bild und Komposition
verständlich. Es verfängt nicht, sie psychologisch oder soziologisch zu
lesen, da ist wenig Geheimnisvolles zu entdecken. Ansonsten haben die
Stillleben aus dem Habitat Berlin-Charlottenburg aber einiges zu erzählen
und geben manches Rätsel auf. Es braucht weniger [4][Bourdieu], dafür mehr
Bredekamp, sie zu verstehen.
24 Oct 2022
## LINKS
[1] /Fotografin-auf-der-Spur-ihrer-Ahnen/!5715529
[2] /Fotogalerie-C/O-Berlin/!5077049
[3] /Neuer-Skulpturenpark-in-Brandenburg/!5692695
[4] /Pierre-Bourdieus-90-Geburtstag/!5697549
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Kunst
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