# taz.de -- Neuer Skulpturenpark in Brandenburg: Sommertag mit Bildhauerei | |
> Im Waldteich versenkt oder am Baum appliziert: Sehenswert ist ein neuer | |
> Skulpturenpark, der bei Schloss Schwante entstanden ist. | |
Bild: „The Aluminum Garden Structural Study of Plants“ (2020) von Toshihiko… | |
Oft genug scheint der Skulpturengarten nur tradiertes Museumsanhängsel zu | |
sein, dem Besucher und Besucherinnen bedauerlicherweise eher geringe | |
Aufmerksamkeit schenken. Die gegenwärtige Situation allerdings, wo unter | |
Covid-19-Bedingungen der Aufenthalt an der frischen Luft als relativ | |
gefahrlos gilt, spielt dem Kunstwerk im Freien aufs Schönste in die Hände. | |
Loretta Würtenberger und ihr Mann Daniel Tümpel hätten sich also keinen | |
besseren Zeitpunkt aussuchen können, als letztes Wochenende ihren | |
Skulpturenpark auf Schloss Schwante zu eröffnen. | |
Freilich ist es purer Zufall. Und recht besehen einfach das Ergebnis einer | |
zügigen und offensichtlich sehr gut getimten Planung. Immerhin gelang es | |
dem Paar in nur einem Jahr seine Freilichtkunstausstellung fertigzustellen. | |
Erst 2019 haben Loretta Würtenberger und Daniel Tümpel das im 18. | |
Jahrhundert erbaute Gutshaus samt Park und 20 Hektar Land in der Ortschaft | |
Schwante in Brandenburg erworben. Dass sie dort sofort einen Skulpturenpark | |
imaginierten, liegt an ihrer Profession. Mit ihrem Unternehmen Fine Art | |
Partners sind sie Geldgeber des internationalen Kunsthandels. | |
Die ehemals jüngste Richterin Deutschlands an der Großen Strafkammer in | |
Berlin und ihr ehemals im Investmentbanking tätiger Ehemann schießen also | |
großen Kunsthändlern Geld vor, damit diese Altmeister oder Werke der | |
klassischen Moderne nicht nur in Kommission nehmen, sondern auf einem stark | |
konkurrierenden Markt auch kaufen können. Statt Zinsen bekommen sie beim | |
Weiterverkauf der Werke, es handelt sich um hochpreisige Arbeiten von | |
Richter, Picasso, Beckmann und ähnlichen Größen, einen Anteil am | |
Verkaufserlös. | |
Dass das Paar dazu noch über ihr Institute for Artists Estates die Erben | |
von Künstlernachlässen berät, hängt mit Daniel Tümpels Großvater Wolfgang | |
Tümpel zusammen, einem international renommierten Gold- und Silberschmied | |
und Bauhaus-Künstler. Nach seinem Tod sah sich das Paar plötzlich vor die | |
Aufgabe gestellt, seinen Nachlass zu verwalten. | |
Obwohl Daniel Tümpel für diese Aufgabe durch sein Elternhaus – sein Vater | |
war Rembrandt-Experte und seine Mutter Museumsdirektorin – schon einiges | |
Vorwissen hatte, erkannten die beiden damals erst, wie komplex die Aufgabe | |
und wie hilfreich daher kompetente Beratung ist. Das erste erfolgreich | |
abgeschlossene große Projekt war die Reorganisation der Nachlassstiftung | |
von Hans Arp, die durch posthume Nachgüsse in Misskredit geratenen war. | |
## Ein windschiefes Tor auf der Streuobstwiese | |
Von [1][Hans Arp steht also geradezu] zwangsläufig eine „Architektonische | |
Skulptur“ von 1958 im Park. Die Bronze erinnert an ein kleines, etwa | |
windschiefes Tor und fasziniert vor allem dadurch, wie sich die Form aus | |
scharfkantigen und weichfließenden Linien aufbaut. Und so wie die | |
„Architektonische Skulptur“ sich im Gras der Streuobstwiese auffindet, | |
entspricht sie vollkommen Arps Diktum „Kunstwerke sollten im großen Atelier | |
der Natur anonym bleiben, wie Wolken, Berge, Meere, Tiere und Menschen.“ | |
Für die weithin sichtbare „Elliptical Column“ (2012) aus hochglanzpoliertem | |
Stahl gilt es nicht. Da erkennt man sofort ihren Schöpfer Tony Cragg. | |
Gleiches gilt für den kleinen Glas-Edelstahl-Pavillon, „Play Pen for Play | |
Pals“ (2018), der von niemand anderem stammen kann, als Dan Graham. Es sind | |
also hochkarätige Positionen im Park von Schwante zu finden, bekannte Namen | |
wie George Rickey, Ulrich Rückriem, Martin Creed, Carsten Nicolai, Gregor | |
Hildebrandt, Yehudit Sasportas u. v. a. | |
Für die „Sculpture in its Private Realm“ (2020), die die polnische | |
Installationskünstlerin Maria Loboda eigens für Schwante entwickelte, gilt | |
Arps Diktum wiederum in fast übertriebenem Maße. Die Documenta | |
13-Teilnehmerin appropriierte Arps Skulptur „Ruhendes Blatt“ und versenkte | |
diese Version halb im kleinen Waldteich des Parks, wo sie der ahnungslose | |
Betrachter schief, ungepflegt und offensichtlich vergessen anzutreffen | |
glaubt. | |
## Unkraut jäten der Kunst zuliebe | |
Extra für Schwante – und erstmals fürs Freie – entstand auch „The Alumi… | |
Garden Structural Study of Plants“ (2020) von Toshihiko Mitsuya. Der | |
japanische Künstler, der in Berlin lebt, betreut das Beet mit seinen | |
fantastischen Aluminiumpflanzen während der Ausstellungszeit, jätet das | |
Unkraut, bepflanzt es neu, damit der Wind und das Licht immer neue | |
Gelegenheiten bekommen, dem sommerlichen Funkeln und Flirren eine noch | |
weitere, ungleich glänzendere Dimension hinzuzufügen. | |
Nicht weit vom echten Arp entfernt hat die Künstlerin Jeewi Lee, 1987 in | |
Seoul geboren, einen Bronzeast gegossen und ihn einem Obstbaum | |
aufgepfropft. Noch ist er gut zu sehen, aber im Hochsommer versteckt er | |
sich in den Blättern, um im Winter um so sichtbarer sein. | |
Jeewi Lees Zweig ist eine leise, aber wirkungsvolle bildhauerische Setzung, | |
die sehr gut die Atmosphäre des Skulpturenparks von Schloss Schwante | |
repräsentiert – nämlich als unprätentiös und durch eine sensible Lässigk… | |
charakterisiert. Es wird mit den Kunstwerken nicht groß aufgefahren, | |
stattdessen bekommt jede der 23 Arbeiten ihren ganz eigenen, stimmigen | |
Platz wie etwa Yehudit Sasportas große Tongefäße den Sumpf, von dem sie auf | |
vielschichtige Weise erzählen. Noch ist vieles auf dem Gelände im Bau und | |
es herrscht eine stimmungsvolle Unaufgeräumtheit, von der man hofft, noch | |
eine Spur zu finden, wenn alles fertig ist. | |
Begrüßt werden die Besucher und Besucherinnen im Skulpturenpark übrigens | |
mit [2][Ai Weiweis „Flag for Human Rights] – Project Fly the Flag“ (2018). | |
Der weiße Fußabdruck auf himmelblauem Grund, den die Fahne zeigt, steht für | |
die unfreiwillige weltweite Wanderbewegung der Menschen. Kriegerische | |
Konflikte, Klimawandel, Armut und Rechtlosigkeit treiben sie fort, auf der | |
Suche nach einem besseren Leben. Da wo sie jetzt aufgestellt ist, zeigt sie | |
aber auch Flagge, wie man so schön sagt, gegen ganz anderen Fahnen und | |
Flaggen, die in Brandenburg Konjunktur haben. | |
28 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Retrospektive-von-Ai-Weiwei/!5605940 | |
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## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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