# taz.de -- Kunst im öffentlichen Raum in Basel: Große Bühne für einen Baum | |
> In Basel begeistert nicht nur Ólafur Elíassons Flutung der Fondation | |
> Beyeler. Noch interessanter ist die Arena für einen Baum auf dem | |
> Münsterplatz. | |
Bild: Installationsansicht von „Arena for a Tree“ von Klaus Littmann, Müns… | |
Es muss Kunst sein, was da seit Neuestem auf dem Münsterplatz in Basel | |
steht, denn es kann demnächst schon wieder weg. Nein, es geht ganz klar um | |
Kunst im öffentlichen Raum, sind doch die Gegebenheiten sehr auffällig. | |
Denn es steht dort, wo das Naturhistorische Museum den Platz begrenzt, ein | |
hübscher kleiner Baum auf einem Podest, eingefasst von einer umlaufenden | |
Holzlamellenkonstruktion, die ausschaut wie ein luftiger Korb. | |
Es führt aber eine kleine Treppe ins Innere der Installation, die ihr | |
Schöpfer Klaus Littmann nicht ohne Grund „Arena for a Tree“ nennt. Im | |
Innern der Tribüne kann man sich auf einem der vier Ränge der Tribüne | |
niederlassen und sich den Baum genauer anschauen. Klaus Littmann ist der | |
Künstler, Kurator und Kunstvermittler, der vor zwei Jahren [1][mit „For | |
Forest – The Unending Attraction of Nature“ international für Furore] | |
sorgte. | |
„For Forest“ bildete einen kleinen Wald auf dem Rasen des Wörthersee | |
Stadions, also dort, wo sonst der SK Austria Klagenfurt seine Heimspiele in | |
der zweiten Liga absolviert. 299 Bäume waren es 2019, die entsprechend der | |
vorbildgebenden, um 1970 entstandenen Zeichnung des österreichischen | |
Künstlers Max Peintner zu stiller Betrachtung, aber auch Begeisterung und | |
Standing Ovations einluden. Bis in den Oktober hinein ging das, bis sich | |
die Bäume herbstlich bunt färbten. | |
Natürlich knüpft die Arena für nur einen Baum an dieses Kunstprojekt an. | |
Trotzdem ist sie keine einfache Fortsetzung. Das zeigt schon ihr Bild im | |
öffentlichen Raum. Denn der bergende Holzbau muss nicht als Stadion, er | |
kann auch als Arche gelesen werden. | |
## Parrotia persica, der Baum mit Zukunft | |
Freilich finden in ihr nur zukunftsfähige Spezies Aufnahme. Das jedenfalls | |
besagt die Wahl des Baumes. Sie oblag, wie schon bei der künstlerischen | |
Intervention in der Klagenfurter Fußballarena, auch jetzt in Basel dem | |
Landschaftsarchitekten und Baumspezialisten Enzo Enea, der jetzt auf | |
Parrotia persica, den Persischen Eisenholzbaum, setzte. | |
Der genügsame, an unterschiedlichste Klimabedingungen anpassungsfähige und | |
robuste Baum wird noch in unseren Breiten gedeihen, wenn die Kastanien, die | |
jetzt auf dem Münsterplatz stehen, verschwunden sein werden, weil sie dem | |
Klimawandel im wahrsten Sinne des Wortes nicht gewachsen sind. | |
Triage, die grausame Priorisierungsmethode der Kriegs- und | |
Katastrophenmedizin, die uns aufgrund von Corona wieder ein Begriff wurde, | |
ist, wie [2][die New York Times berichtet,] in den National Parks der | |
Vereinigten Staaten, deren erstes Ziel immer die Konservierung des | |
Naturerbes war, längst Praxis; schon ist entschieden, welche Pflanzen und | |
Tiere nicht mitgenommen werden. | |
Aber die „Arena for a Tree“ will primär weder Mahnmal noch Hoffnungszeichen | |
in Zeiten des Klimawandels sein, sondern auf das ästhetische Erlebnis | |
abheben. Schon der Baum an sich hält einige sichtbare Überraschungen | |
bereit. Seine ersten Blätter etwa treibt er nicht in zartem Grün, sondern | |
in einem hellen Rosa aus; und am meisten wundert, wie seine Stämme und Äste | |
sich kreuzen. | |
## Die Schleier des Tages verändern das Bild | |
Sie wachsen dann nicht da und dort deutlich erkennbar zusammen, sondern | |
fließen nahtlos ineinander. Im Herbst, wenn der Baum einen dauerhaften | |
Standort in Basel gefunden hat, werden sich seine Blätter dann in | |
prachtvollstes Rot und Orange verfärben. | |
Jetzt sind es die Schleier des Tages, die sein Bild ständig verändern und | |
erneuern, die Wolken, die ihn verschatten, die Sonne, die seine Blätter zum | |
Glänzen bringt, deren Rosa in der Morgendämmerung bezaubert und schließlich | |
der Abend, der dem Baum dunkle Wucht verleiht. Auf dem Münsterplatz gibt es | |
keine Lichteffekte wie beim anderen Kunst-im-öffentlichen-Raum-Projekt, das | |
derzeit in Basel die Besucher anzieht: [3][Ólafur Elíassons Flutung der | |
Fondation Beyeler.] | |
Für „Life“, wie der dänisch-isländische Künstler seine 24 Stunden an 7 | |
Tagen geöffnete Intervention genannt hat, wurde die Glasfassade entfernt | |
und der Gartenteich in den Renzo-Piano-Bau hinein erweitert. Das mit dem | |
Pflanzenfarbstoff Uranin giftgrün gefärbte Wasser steht flach in den | |
Räumen, in denen sonst die Picassos und Monets hängen, nachts fluoresziert | |
des Wasser, unterstützt durch eine dramatische Lichtinszenierung. | |
Elíassons „Raum der Koexistenz“ von Kunstinstitution und Besucher:innen, | |
von Architektur und Natur ist – so steht zu befürchten – aufgrund seines | |
spektakulären Minimalismus mit dem Selfie für Instagram abgehakt. Die sehr | |
viel leisere Intervention auf dem Münsterplatz lädt dazu nicht wirklich | |
ein. | |
## Das kunstgeschichtliche Schicksal des Baums | |
Stattdessen lädt sie ein, das kunstgeschichtliche Schicksal des Baumes zu | |
erkunden, wie sie Klaus Littmann in der Ausstellung „Tree Connections“ in | |
den Räumen der Kunststiftung Basel H. Geier aufrollt, angefangen im 19 | |
Jahrhundert, wo der Baum, wie Florian Illies im Katalog schreibt, | |
„essenzieller Bestandteil der Ausbildung an den Akademien“ wurde, bis in | |
die jüngste Zeit. | |
Franz Burckhardts „Container 2 Kubik“ aus diesem Jahr stellt dem Titel | |
gemäß einen Metallcontainer in den Raum, angefüllt mit Bauholz, Brettern | |
und Dachlatten, wie sie Georg Herold in der zeitgenössischen Kunst berühmt | |
machten, als er in den 1990er Jahren mit viel Witz installierte. | |
Doch dann wird man mit einigem Staunen gewahr: Weder Metall noch Holz sind, | |
was sie scheinen, das schwergewichtige Kunstwerk besteht aus bemaltem | |
leichtem Styropor. Als Bauschutt also endet der hochgewachsene | |
Fichtenstamm, den der Schweizer Maler Hans Emmenegger durch das satte | |
Orangerot der abendlichen Sonne aus dem Dunkel seines „Waldbild“ (1934) | |
herausstellt. | |
Der Reichtum der gezeigten Arbeiten, skulpturale Arbeiten aus dem 10. bis | |
15. Jahrhundert aus Mali und aus dem 17. Jahrhundert aus China, wunderbare | |
Studien in Öl auf Papier oder Pappe aus dem 19. Jahrhundert von Christian | |
Friedrich Gille, Alexandre Calame oder Johann Martin von Rohden über | |
Arbeiten aus den 1920igern wie Niklaus Stöcklins „Kapelle mit Erhängtem“ | |
(1929/30) über die Abstraktion der 50er Jahre wie Mark Tobeys „Forest | |
Cathedral“ (1955) hin zu Arbeiten wie Michael Sailstorfers erster Arbeit zu | |
Beginn seines Studiums an der Kunstakademie München, „Waldputz“ (2000), ist | |
insofern beachtlich, stammen sie doch, von zwei Ausnahmen abgesehen, alle | |
aus Privatsammlungen in Basel und Umgebung und konnten daher umwelt- und | |
klimaverträglich zusammengebracht werden. | |
## Joseph Beuys und Anselm Kiefer fegen den Wald | |
Es sind wahre Entdeckungen zu machen, Arbeiten, die eher selten und | |
manchmal auch gar nicht im Ausstellungsbetrieb auftauchen. Natürlich ist im | |
Jubiläumsjahr zum 100. Geburtstag Joseph Beuys gegenwärtig mit den „7000 | |
Eichen/Documenta VII“ (1982), aber auch der Aktion „Rettet den Wald“ | |
(1972), wo hinter Beuys deutlich erkennbar Anselm Kiefer den Wald fegt. | |
Der Waldputz bei Sailsdorfer funktionierte ein bisschen anders, er säuberte | |
in der Dimension 4,80 Meter mal 4,80 Meter mal 2,50 Meter hoch Boden und | |
Bäume von jeglichem Bewuchs. Aber es ist weniger der Wald als vielmehr der | |
einzelne Baum, der interessiert, und fällt Meret Oppenheims Plastik „Er | |
sieht sich um“ von 1971 auf, ein Stück Baum, das mit Plastik und | |
Metallteilen zum Vogel mutierte. | |
Mit noch viel mehr solcher Teile, darunter neben Autoreifen auch kleine | |
Elektromotoren, hat Jean Tinguely seinen Baumstumpf beladen, der sich | |
unbeweglich doch bewegt. Wie Tinguely gehört auch Hans Arp mit seinen | |
Holzreliefs oder Miriam Cahn mit ihrer Kohlezeichnung einer Palme zu den | |
Künstlern, die man in Basel zu sehen erwartet. | |
Doch mit dem koreanischen Fotografen Kim Jung-man und seiner simplen und | |
direkten Schwarzweißaufnahme eines Baumstamms „Drawing Shadows“ (2012) | |
fühlt man sich plötzlich weit weg, in einem anderen Kulturkreis, einer | |
anderen, asiatischen Wahrnehmung des Baums, wie sie merkwürdigerweise auch | |
der österreichische Künstler Edgar Honetschläger mit seinen | |
Tuschezeichnungen „Ki“ (2020) und „Alba“ (2020) evoziert. Die Kunst hat | |
eben ihre eigene Geografie, die sich hier von den speziellen Papieren | |
ableitet, auf denen getuscht und gedruckt wird. | |
26 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Aufsehenerregende-Kunstaktion/!5622479 | |
[2] https://www.nytimes.com/2021/05/19/climate/americas-national-parks-in-a-new… | |
[3] https://www.monopol-magazin.de/eliasson-flutet-fondation-beyeler | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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