# taz.de -- Deutscher Afghanistan-Einsatz: Gezielte Schönfärberei | |
> Die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan muss der Bundesrepublik | |
> bekannt gewesen sein. Doch man schloss die Augen, um Abschiebungen zu | |
> ermöglichen. | |
Bild: Bewusst zurück in die Gefahr abgeschoben: ein junger Afghane am Flughafe… | |
Die zentrale Frage, bei der es im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum | |
Afghanistan-Einsatz geht, lautet: „Wo gab es Fehleinschätzungen und warum? | |
Waren das überhaupt Fehleinschätzungen oder hat man sich die Lage schön | |
geredet?“. So formulierte es der Ausschussvorsitzende Ralf Stegner (SPD) | |
vorab in den Medien. Seine Frage kann man kurz und eindeutig beantworten: | |
Ja, es war Schönfärberei. Der Bundesregierung war die prekäre | |
Sicherheitslage in Afghanistan natürlich bekannt. | |
Aber es konnte nicht sein, was nicht sein durfte, und zwar aus innen-, | |
konkret: abschiebepolitischen Gründen. Hätte die Bundesregierung zugegeben, | |
auf welch tönernen Füßen die von ihr unterstützte Regierung in Kabul stand, | |
hätte sie nicht mehr begründen können, dass [1][Menschen dorthin | |
abgeschoben werden]. | |
Die Tatsachen sind bekannt: Im November 2016 beschloss die | |
Innenministerkonferenz von Bund und Ländern, [2][Abschiebungen nach | |
Afghanistan] wiederaufzunehmen. Das geschah ausgerechnet zu einem | |
Zeitpunkt, als sich infolge des Abzuges der meisten NATO-Kampftruppen aus | |
Afghanistan mit dem Ende des ISAF-Kampfeinsatzes 2014 die Sicherheitslage | |
in Afghanistan erheblich verschlechtert und erhebliche Fluchtbewegungen in | |
Richtung Europa ausgelöst hatte. | |
Dem und der xenophoben politischen Ausschlachtung durch Völkische und | |
Rechtspopulisten wollte die Bundesregierung, unter Federführung des | |
damaligen Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU), eine „harte | |
Asylpolitik“ entgegensetzen. Um das zu begründen, wurde die Sicherheitslage | |
in Afghanistan systematisch schöngeredet. Das Hauptargument lautet, einige | |
Gebiete Afghanistan seien hinreichend sicher – ohne dass diese Gebiete | |
irgendwann einmal öffentlich definiert wurden. | |
Das Hauptinstrument dafür waren die vom Auswärtigen Amt erstellten, als | |
„nur für den Dienstgebrauch“ der Öffentlichkeit vorenthaltenen | |
Asyllageberichte. Darin wurden selbst Erkenntnisse der UNO ignoriert, wenn | |
sie – was häufig der Fall war – den innenpolitisch gewünschten | |
Einschätzungen widersprachen. | |
Etwa als das [3][UN-Flüchtlingshilfswerk] im September 2018 von | |
„generalisierter Gewalt“ am Abschiebezielort Kabul sprach und erklärte, die | |
Stadt könne nicht mehr als „inländische Fluchtalternative“ angesehen | |
werden. Zumindest in dieser Frage sollte die Arbeit des | |
Untersuchungsausschusses schnell getan sein. | |
10 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Abschiebungen-nach-Afghanistan/!5780519 | |
[2] /Sicherheitslage-in-Afghanistan/!5358607 | |
[3] https://www.unhcr.org/news/latest/2018/9/5b9148b14/afghanistan-un-refugee-r… | |
## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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