# taz.de -- Bundestags-Gremium zum Afghanistan-Abzug: Lage falsch eingeschätzt | |
> Der U-Ausschuss zum Afghanistan-Einsatz befragt erste Zeug*innen und | |
> ärgert sich über den BND. Der Geheimdienst liefert seine Unterlagen | |
> nicht. | |
Bild: Letzte Evakuierungsflüge aus Kabul am 20. August 2021 | |
BERLIN taz | Mit Verdruss startet der Bundestagsuntersuchungsausschuss zu | |
Afghanistan in die heiße Phase seiner Arbeit: Am Rande der ersten | |
Zeugenbefragungen äußerten sich Mitglieder des Gremiums am Donnerstag | |
verärgert über den Bundesnachrichtendienst (BND). Dabei geht es um E-Mails | |
und andere Unterlagen zum Afghanistan-Einsatz, die die Abgeordneten von | |
dem Geheimdienst angefordert, aber bislang nicht erhalten haben. | |
Es sei „wichtig, dass wir umfassend Unterlagen vorliegen haben“, sagte | |
Grünen-Obmann Robin Wagener. Mit Außen- und Verteidigungsministerium klappt | |
die Zusammenarbeit ihm zufolge gut. Es hake aber „in der Tat noch bei | |
Unterlagen des BND“. | |
Der Geheimdienst war schon unmittelbar nach dem Fall von Kabul im Sommer | |
2021 in die Kritik geraten, weil er den raschen Kollaps des afghanischen | |
Staates nicht vorhergesehen hatte. Deshalb steht er jetzt auch mit im Fokus | |
des U-Ausschuss: In den Blick nimmt das Gremium die letzten anderthalb | |
Jahre der deutschen Präsenz in Afghanistan. Laut Untersuchungsauftrag soll | |
er aufklären, „wie es zu den Lageeinschätzungen und Entscheidungen von | |
Vertretern von Bundesbehörden“ rund um den deutschen Abzug kam. | |
Im Detail geht es unter anderem darum, warum deutsche Staatsangehörige | |
[1][und afghanische Ortskräfte nicht rechtzeitig evakuiert wurden] und | |
warum die Große Koalition, trotz der gravierenden Sicherheitslage, lange an | |
Abschiebungen nach Afghanistan festgehalten hatte. | |
## Blick auf das Anfang vom Ende | |
Spätestens „ein halbes Jahr vor der nächsten Bundestagsauswahl“, so der | |
Ausschuss-Vorsitzende Ralf Stegner (SPD), soll das Parlament über den | |
Abschlussbericht des U-Ausschusses diskutieren können. Für | |
Zeugenbefragungen und Beweissichtungen hat das Gremium demnach rund zwei | |
Jahre Zeit. Das Pensum der Abgeordneten ist hoch: Stegner sprach von | |
„hunderttausenden E-Mails und vielem mehr“, durch die sich der Ausschuss zu | |
kämpfen hat. | |
Die erste Zeugenbefragung drehte sich am Donnerstag um die politische und | |
militärische Lage rund um den Zeitpunkt des Doha-Abkommens. Darin hatten | |
die US-Regierung unter Donald Trump und die Taliban im Februar 2020 den | |
Abzug der westlichen Truppen vereinbart – ohne Einbeziehung der | |
afghanischen oder anderer Regierungen. Das Abkommen gilt als Anfang vom | |
Ende und markiert auch den Beginn des festgelegten Untersuchungszeitraums. | |
Die geladenen Zeug*innen – überwiegend Sachverständige aus der | |
Wissenschaft – kritisierten in ihren Aussagen unter anderem die deutsche | |
Abschiebepolitik. Aufgrund der „Intensität der Gewalt“ sei es im Jahr 2020 | |
„sicherlich nicht gerechtfertigt gewesen“, weitere Abschiebungen in | |
Betracht zu ziehen, sagte die Konfliktforscherin Katja Mielke. Ihr Kollege | |
Conrad Schetter nannte es unverständlich, wie das Auswärtige Amt in seinem | |
Asyllagebericht „zu der Einschätzung kam, dass es sichere Herkunftsregionen | |
in Afghanistan gibt“. | |
Die Ausführungen der Sachverständigen bezogen sich aber nicht nur auf | |
Februar 2020. So kritisierte die Journalistin Sandra Petersmann, ehemals | |
Afghanistan-Korrespondentin der ARD, dass der deutsche Blick ab 2001 | |
zunächst zu stark auf die „Bubble Kabul“ gerichtet gewesen sei. Zudem habe | |
der Westen vor Ort falsche Partner ausgewählt, darunter auch | |
„Menschenrechtsverächter“. | |
Thematisch überschnitt sich der Auftakt des U-Ausschuss somit mit dem | |
Auftrag eines zweiten Bundestagsgremiums: [2][Eine Enquetekommission, die | |
ebenfalls diese Woche die Arbeit aufnahm,] evaluiert die kompletten 20 | |
Jahre deutscher Afghanistan-Politik. | |
22 Sep 2022 | |
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[1] /Ortskraefte-der-Bundeswehr-in-Afghanistan/!5868444 | |
[2] /Afghanistan-Enquete-Kommission/!5882895 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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