| # taz.de -- Abschiebungen nach Afghanistan: In den Tod geschickt | |
| > Ein Mann, der aus Hamburg nach Afghanistan abgeschoben wurde, soll durch | |
| > eine Granate gestorben sein. Zwei weitere Abschiebungen stoppte ein | |
| > Gericht. | |
| Bild: Bereits im Februar 2017 wurde in Hamburg gegen Abschiebungen nach Afghani… | |
| Hamburg taz | Die Bundeswehr hat Afghanistan verlassen, doch die | |
| Abschiebungen dorthin gehen weiter. Sieben Menschen sind in diesem Jahr | |
| schon gegen ihren Willen von Hamburg nach Afghanistan gebracht worden. Ein | |
| Mann, der am 9. Februar im Abschiebeflieger saß, hat das laut Berichten aus | |
| Helferkreisen nicht überlebt. | |
| Er soll am 21. Juni in der Provinz Baglan ums Leben gekommen sein. Das | |
| Haus, in dem er schlief, sei nachts von einer Granate getroffen worden, | |
| wurde über in Deutschland lebende Verwandte bekannt. Sie schickten Fotos | |
| von der zerstörten Hauswand und dem Getöteten. | |
| Unerträglich findet das die Abgeordnete Carola Ensslen. „Afghanistan ist | |
| das unsicherste Land der Welt“, sagt die flüchtlingspolitische Sprecherin | |
| der Linksfraktion. „In Krieg und Elend darf niemand abgeschoben werden.“ | |
| Hinzu komme, dass nach dem Truppenabzug die Taliban eine Offensive | |
| starteten. „Noch mehr Terror und Gewalt sind vorprogrammiert“, warnt | |
| Ensslen. | |
| Nach Information des [1][Hamburger Flüchtlingsrates] sitzen seit Kurzem | |
| wieder zwei Männer im Abschiebegewahrsam am Hamburger Flughafen. „Am | |
| Dienstag, den 6. Juli, findet die nächste Sammelabschiebung nach | |
| Afghanistan vom Flughafen Hannover aus statt“, schrieb der am Montag. | |
| Hamburg sei „wieder beteiligt“. Nach Auskunft des [2][Flüchtlingsrates im | |
| benachbarten Niedersachsen] wurden auch aus Celle und den Kreisen Leer und | |
| Osnabrück Männer in die Abschiebehaft in Langenhagen überführt. Dagegen gab | |
| es am Montag Protest vor der Stadtverwaltung Celle. Heute ist eine | |
| Kundgebung in Hamburg geplant. | |
| ## Linke kritisiert „doppelte Bestrafung“ der Menschen | |
| Um „die Maßnahme nicht zu gefährden“, äußert sich die Innenbehörde nic… | |
| vorab zu geplanten Abschiebungen. „Wir wissen, die Lage ist schwierig“, | |
| sagt ein Sprecher. Es würden nur Straftäter ausgewiesen. Von dem Todesfall | |
| wisse er nichts, sagt er und verweist auf das Amt für Migration. | |
| Dessen Pressestelle beantwortet fast alle Fragen der taz lakonisch mit | |
| „nein“. Das Amt könne weder bestätigen noch ausschließen, dass eine im | |
| Februar aus Hamburg nach Afghanistan abgeschobene Person dort durch eine | |
| Granate zu Tode gekommen sei. Auch auf die Frage, ob das Amt für Migration | |
| oder eine andere Stelle in Hamburg sich nach dem Wohlergehen der | |
| Abgeschobenen erkundigt, heißt es nur „nein“. | |
| Die Hamburger [3][Innenbehörde schreibt auf ihrer Homepage], dass | |
| Deutschland „bemüht“ sei, sicher zu stellen, dass diese in Afghanistan | |
| angemessen empfangen und versorgt werden. Das zuständige | |
| Bundesinnenministerium beantwortete Fragen der taz bis Redaktionsschluss | |
| nicht. Und auch verspätet gab es nur ein allgemeines Statement, ohne auf | |
| die Frage nach dem Todesfall einzugehen. | |
| Carola Ensslen stellt regelmäßig [4][Anfragen zu Abschiebungen]. Demnach | |
| traf es im Februar zwei Personen, bei einer passten die Daten zu dem Toten. | |
| Der war 2018 vom Amtsgericht zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt | |
| worden wegen einer Körperverletzung. Doch diese Gefängniszeit hat der Mann | |
| vor einem Jahr abgesessen. | |
| „Hier werden mit der Abschiebung Menschen doppelt bestraft“, sagt Ensslen. | |
| „Es sind junge Männer dabei, die ihre Strafe verbüßt und ihr Leben neu | |
| aufgestellt haben.“ Jeder habe eine zweite Chance verdient. Von Angehörigen | |
| wisse sie, dass dem einen, der neu abgeschoben werden soll, eine alte | |
| Jugendstrafe angelastet werde, dieser aber jetzt einen Job und | |
| Ausbildungsvertrag habe. | |
| ## Studie warnt vor Gefahr für Abgeschobene | |
| Die Flüchtlingsräte verweisen zudem auf eine [5][Studie der | |
| Afghanistan-Expertin Friederike Stahlmann] zu den Erfahrungen von 113 der | |
| 908 zwischen 2016 und März 2020 abgeschobenen Afghanen. Demnach laufen die | |
| Abgeschobenen Gefahr, verfolgt zu werden oder gar zu sterben. | |
| Kurz vor Redaktionsschluss informierte der Grünen-Politiker Michael Gwodz | |
| die taz darüber, dass das Verwaltungsgericht beide Abschiebungen gestoppt | |
| hat. Auch er nennt die Lage in Afghanistan nach Abzug der Nato | |
| „besorgniserregend“. Es sei dringend, dass das Auswärtige Amt und | |
| Bundesinnenministerium ihre Einschätzung zur Sicherheit überdächten. Auch | |
| Straftäter hätten das Recht, „nicht in lebensbedrohende Situationen zu | |
| geraten“. | |
| Ensslen sagt: „Es ist besorgniserregend, dass erst die Gerichte die Behörde | |
| stoppen.“ Sie will nun eine Anfrage stellen, um die Umstände des Todesfalls | |
| aufzuklären. | |
| 6 Jul 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.fluechtlingsrat-hamburg.de/ | |
| [2] https://www.nds-fluerat.org/49717/aktuelles/nichts-ist-gut-in-afghanistan-d… | |
| [3] https://www.hamburg.de/contentblob/7996456/7bce7e09bc3f1029cceaf71d930c3a8b… | |
| [4] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/75148/abschiebungen_nach_a… | |
| [5] https://www.diakonie.de/journal/erfahrungen-und-perspektiven-abgeschobener-… | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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