| # taz.de -- Ärger um die Gasumlage: Deutsche Dummheit | |
| > Wirtschaftsminister Habeck irrlichtert bei der Gasumlage. Die Ampel zeigt | |
| > sich uneins und unfähig, die Eliten an den Krisenkosten zu beteiligen. | |
| Bild: Warum ist in Deutschland das Nein zur Umverteilung von oben nach unten ta… | |
| Die Gaskunden sollen 34 Milliarden Euro mehr zahlen, um einen Kollaps der | |
| Gaskonzerne zu verhindern. Diese Umlage sei, so Robert Habeck, | |
| alternativlos. Dass der rhetorisch versierte Grüne, der die Sachzwänge, in | |
| denen er sich bewegt, sonst so einleuchtend darzulegen weiß, zu Merkels | |
| stereotyper Formel griff, war kein gutes Zeichen. Natürlich gibt es | |
| Alternativen – etwa die Verstaatlichung von Uniper. | |
| Dann stellte sich heraus, dass per Gasumlage Milliarden Euro in die Taschen | |
| von Konzernen fließen werden, die sowieso satte Gewinne machen. Mieter, die | |
| das Pech haben, mit Gas zu heizen, sollten also fortan Konzernkassen | |
| füllen. Ein handwerklicher Fehler, der enormen Schaden anrichtet. Man mag | |
| sich für eine Sekunde vorstellen, wie genüsslich der Oppositionspolitiker | |
| Habeck diese Politik verrissen hätte. Der amtierende Habeck will nun, nach | |
| [1][Drohungen der SPD], die Umlage im Bundestag scheitern zu lassen, | |
| einlenken. Also [2][Gasumlage vielleicht, aber irgendwie anders]. Oder auch | |
| nicht. Habeck scheint bei seinen eigenen Entscheidungen nicht mehr | |
| durchzublicken. All das wirkt konfus. | |
| Eigentlich hätte man in diesen Zeiten ja gern eine Regierung, die weiß, was | |
| sie tut. Doch die Krisenkommunikation der Ampel ist, gelinde gesagt, | |
| unprofessionell. Erst wurde unbedacht die Gasabgabe beschlossen, dann die | |
| Mehrwertsteuer für Gas generell runtergesetzt. Scholz’ Versprechen „You’… | |
| never walk alone“ klingt wie Hohn, wenn Grüne den Deutschen [3][kalte | |
| Duschen oder Waschlappen] empfehlen – Spitzenpolitiker, die sich einen | |
| goldenen Duschkopf leisten könnten. Die Unfähigkeit, dieses soziale Gefälle | |
| in die eigene politische Rhetorik einfließen zu lassen, wäre in normalen | |
| Zeiten unschön. Aber die Zeiten sind nicht normal. Und Gerechtigkeitsfragen | |
| sind in einer Gesellschaft, die ärmer wird, explosiv. | |
| Der Ukrainekrieg hat zuvor kaum Vorstellbares möglich gemacht: Die | |
| Regierung liefert Waffen in Kriegsgebiete, der grüne Wirtschaftsminister | |
| versucht, auf dem globalen Markt Gas zu kaufen, auch aus Frackingförderung | |
| und von Autokratien. Man kann all das rechtfertigen. Nur ein Tabu bleibt | |
| wie ein Granitfelsen stehen: Die deutschen Eliten werden nicht an | |
| Krisenkosten beteiligt. Die SPD-Linke denkt zwar vorsichtig über eine | |
| Vermögensabgabe nach. Die Grünen fragen leise nach, ob man nicht beim | |
| Dienstwagenprivileg ein bisschen was ändern könnte. Aber mit FDP-Minister | |
| Lindner sind noch nicht mal symbolische Korrekturen drin. Die Ampel im | |
| Stadium der Selbstblockade. | |
| Die Kluft zwischen Arm und Reich ist beim Vermögen in Deutschland extremer | |
| als in anderen EU-Ländern. Die reichsten 0,1 Prozent besitzen fast doppelt | |
| so viel wie die ärmere Hälfte der Deutschen. Alles spricht dafür, | |
| Superreiche und Konzerne, die vom Krieg profitieren, zur Kasse zu bitten. | |
| Selbst konservativ regierte Staaten wie Griechenland und Großbritannien | |
| schöpfen per [4][Übergewinnsteuer] Extraprofite ab. In Deutschland passiert | |
| nichts. Wenn es nach Habeck gegangen wäre, hätten Gaskunden Konzernen noch | |
| Extragewinne obendrauf gezahlt. | |
| Warum ist in Deutschland das Nein zur Umverteilung von oben nach unten | |
| tabu? Woher kommt die Angst davor, die oberen 0,1 Prozent an den Kosten zu | |
| beteiligen? Vielleicht, weil zum bundesdeutschen Korporatismus der Glaube | |
| gehört, dass auch die Armen davon etwas haben, wenn es den Reichen gut | |
| geht. Es gibt (oder gab?) in Deutschland zudem viel zu verteilen, der | |
| Sozialstaat schneidet im internationalen Vergleich sehr gut ab. Die | |
| deutsche Politik ist auf Konsens geeicht: allen wohl und niemand wehe. Für | |
| einen Kampf mit den Eliten fehlt es der politischen Klasse an Mut und | |
| Erfahrung. | |
| Das kann sich nun rächen. Ukrainekrieg und Sanktionen werden länger dauern. | |
| Dass 2023 hierzulande alles ökonomisch wieder normal läuft, ist Illusion. | |
| Neun Prozent Inflation sind sozialer Sprengstoff, die Nervosität wird noch | |
| zunehmen. Die Ampel gefährdet, weil sie zu feige ist, die Eliten an den | |
| Krisenkosten zu beteiligen, die gesellschaftliche Unterstützung für die | |
| Sanktionen gegen Putin. Sie düngt, ohne es zu merken, den Humus für | |
| Putin-Freunde und eine soziale Protestbewegung von rechts. Wo ist | |
| eigentlich Olaf Scholz? | |
| 26 Aug 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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