| # taz.de -- Film über Klima- und Arbeiterbewegung: „Die Unzufriedenheit ist … | |
| > Klima- und Arbeiter*innenbewegung können zusammenpassen, zeigt die | |
| > Filmemacherin Johanna Schellhagen. „Der laute Frühling“ ist jetzt im | |
| > Kino. | |
| Bild: „Die Regierung sind dabei, das Leben auf der Erde auszulöschen“: Sze… | |
| taz: Frau Schellhagen, Sie haben viele Filme über Arbeitskämpfe gemacht, | |
| warum widmen Sie sich in „Der laute Frühling“ jetzt der Klimabewegung? | |
| Johanna Schellhagen: Ich habe irgendwann begriffen, [1][dass Regierungen | |
| und Unternehmen dabei sind, das Leben auf der Erde auszulöschen]. Wir | |
| wollten denjenigen, die schlau und mutig genug sind, das nicht zu | |
| verdrängen, sondern dagegen zu kämpfen, alles in einem Film zur Verfügung | |
| stellen, was wir in den letzten 20 Jahren gelernt haben. | |
| In Ihrem Film wenden Sie sich gegen die Vorstellung, dass es einen grünen | |
| Kapitalismus geben kann. Was ist ihre zentrale Kritik? | |
| Wir haben mehrere Wissenschaftler*innen zu dem Thema befragt: Julia | |
| Steinberger, Andreas Malm und Matthias Schmelzer. Die Datenlage ist | |
| erdrückend: Wirtschaftswachstum und Emissionen korrelieren direkt. Und | |
| Kapitalismus ohne Wachstum scheint nicht zu funktionieren. Sonst wären wir | |
| gar nicht erst in der Situation, in der wir heute sind. | |
| Oft wird Gewerkschaften und auch Arbeiter*innen der Vorwurf gemacht, | |
| dass es ihnen um den Erhalt von Arbeitsplätzen gehe, auch in | |
| umweltschädlichen Branchen. Wie können sie dann überhaupt mit der | |
| Klimabewegung zusammenkommen? | |
| Arbeiter*innen für die Klimakrise verantwortlich zu machen, ist nicht | |
| besonders clever. Wir haben im Juni Arbeiter in einer Autoteilefabrik in | |
| Florenz interviewt, die seit einem Jahr ihren Betrieb besetzen, um die | |
| Arbeitsplätze zu erhalten. Einer hat gesagt. „Als ich eingestellt wurde, | |
| hat mich niemand gefragt, was ich gerne produzieren möchte. Ich wurde | |
| eingestellt und fertig.“ Die Arbeiter haben sich mit der Klimabewegung | |
| zusammengetan und zusammen mit Studierenden in Pisa Konversionsprojekte für | |
| eine ökologische Produktion entwickelt. Sie würden gerne Achswellen für | |
| Autobusse produzieren. Die Regierung hat das bisher abgelehnt. Der andere | |
| Teil der Antwort ist, dass große Teile der DGB-Gewerkschaften für den | |
| Wirtschaftsstandort Deutschland und für Wirtschaftswachstum kämpfen, Seite | |
| an Seite mit den Unternehmen. Arbeiter*innen müssen sich deshalb selber | |
| organisieren. Es geht darum, diese Selbstorganisation zu unterstützen, von | |
| außen und von innen. | |
| Sie entwerfen im Film ein sehr optimistisches Zukunftsszenario. Darin | |
| agieren Beschäftigte von Volkswagen gemeinsam mit | |
| Klimaaktivist*innen. Woraus speisen Sie Ihren Optimismus, dass das | |
| funktionieren kann? | |
| Ich bin optimistisch, weil ich 20 Jahre lang Proteste, Aufstände und | |
| Streikwellen dokumentiert habe. Ich weiß, was ich gesehen habe. Dass die | |
| Leute aktiv werden, sobald sie die Chance sehen, dass sie damit etwas | |
| erreichen können. In dem Film entwerfen wir einen Fluchtpunkt. Etwas, | |
| worauf wir hinarbeiten sollten. Viele Menschen haben eine klare Vorstellung | |
| vom Ausmaß der Klimakatastrophe. Die Unzufriedenheit mit dem System ist | |
| riesig, und [2][im Globalen Süden – aber nicht nur dort – gibt es einen | |
| Aufstand nach dem anderen]. Das wird auch nicht mehr aufhören, sondern | |
| immer mehr und intensiver werden, weil Menschen ihrer Lebensgrundlagen | |
| beraubt werden. | |
| Worauf beziehen Sie sich damit konkret? | |
| Die UNO sagt voraus, dass 2050 Milliarden Menschen [3][keinen Zugang zu | |
| sauberem Wasser] haben werden. Gleichzeitig hat sich die | |
| Staatengemeinschaft monumental delegitimiert, weil die Emissionen von | |
| Treibhausgasen seit Beginn der Klimakonferenzen 1992 nicht etwa gesunken, | |
| sondern um etwa 60 Prozent angestiegen sind. Die Staaten haben 2020 5.900 | |
| Milliarden US-Dollar ausgegeben, um die fossile Industrie zu | |
| subventionieren – diese Zahl stammt vom Internationalen Währungsfonds. Wir | |
| müssen als Klimabewegung aufhören, Hilfe zu erwarten von Institutionen, die | |
| Öl ins Feuer gießen. Die Unternehmen und die Regierungen machen das, weil | |
| sie in systemischen Zwängen stecken. Der Wachstumszwang, der Zwang, | |
| Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen, der Zwang, als Staaten um | |
| Absatzmärkte gegeneinander zu konkurrieren – das sind die Gründe, weshalb | |
| Regierungen derart monumental versagt haben. | |
| Haben Sie bei Ihren Gesprächen mit Klimaaktivist*innen in Deutschland | |
| denn überhaupt den Eindruck gewonnen, dass diese bereit sind für eine | |
| Kooperation mit Arbeiter*innen? | |
| Klar, ich denke sie wären bereit, alles zu tun, was Aussicht auf Erfolg | |
| verspricht. Deshalb möchte der Film Folgendes vermitteln: Die meisten Leute | |
| haben, besonders wenn sie in schlechten Jobs arbeiten, zu wenig Freizeit | |
| und Energie, um sich politisch zu engagieren. Obwohl ihnen klar ist, dass | |
| sie dringend etwas machen müssten. Wir müssen also [4][Wege finden, dass | |
| die Diskussionen über Klimaschutz und die Organisierung dort stattfinden, | |
| wo die meisten Menschen die meiste Zeit verbringen]: am Arbeitsplatz. | |
| 7 Aug 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Endzeitszenarien-in-Klimastudien/!5867790 | |
| [2] /Deutsche-Entwicklungszusammenarbeit/!5807294 | |
| [3] /Zwischenbilanz-des-UN-Aktionsplans-2015/!5856396 | |
| [4] /Landtagswahl-in-Nordrhein-Westfalen/!5850411 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Nowak | |
| ## TAGS | |
| Wassermangel | |
| Trockenheit | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Kapitalismuskritik | |
| Film | |
| Arbeiterbewegung | |
| Schwerpunkt Klimaproteste | |
| Grüner Kapitalismus | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Bildende Kunst | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Polizei Hamburg | |
| Luisa Neubauer | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Bewegungstermine in Berlin: Erinnern, Tanzen und Dagegenhalten | |
| Die Ferien sind vorbei, die Struggles nicht. „A100 wegbassen!“, | |
| Antikriegsdemo und mehr laden zum Aktivwerden und -bleiben ein. Worauf | |
| warten Sie? | |
| Videokunst auf der Ruhrtriennale: Großes Überwältigungskino | |
| Julian Rosefeldt stellt auf der Ruhrtriennale die Filminstallation | |
| „Euphoria“ vor. Diese erzählt vom unwiderstehlichen Sog des Kapitalismus. | |
| Erderwärmung und soziale Gerechtigkeit: Die Welt retten | |
| Die Autorin Octavia Butler hat vor 30 Jahren vieles vorausgesehen, was | |
| heute passiert. Sie zeichnet eine düstere aber nicht aussichtslose | |
| Perspektive. | |
| „System Change Camp“ in Hamburg: Gericht kassiert Camp-Verbot | |
| Aktivist:innen wollen in Hamburg ein Klimacamp errichten. Die Polizei | |
| hatte das zunächst verboten. | |
| Debatte über Atomkraft in Deutschland: Keine Frage des Alters | |
| Steckt hinter der hitzigen Debatte um längere AKW-Laufzeiten ein | |
| Generationenkonflikt? Wer das behauptet, lenkt vom eigentlichen politischen | |
| Streit ab. |