# taz.de -- Rechte Umtriebe bei Frankfurter Polizei: Fünf Beamte suspendiert | |
> Wieder gibt es Durchsuchungen wegen rechtsextremer Chats bei der Polizei | |
> Frankfurt. Diesmal stehen auch Vorgesetzte im Fokus. | |
Bild: Einmal mehr führen Spuren ins 1. Revier der Frankfurter Polizei | |
FRANKFURT AM MAIN taz | Die Mitglieder des Innenausschusses im hessischen | |
Landtag werden wohl ihren Urlaub unterbrechen müssen. Zu ungeheuerlich sind | |
die Nachrichten vom Wochenende: [1][Erneut sind fünf Beamte der Frankfurter | |
Polizei] wegen rechter Umtriebe in den Fokus der Ermittlungsbehörden | |
geraten, darunter offenbar auch Vorgesetzte. Zumindest gegen einen Beamten | |
wird wegen der „Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher | |
Organisationen“ in Chats ermittelt. Das steht im Juristendeutsch für | |
Hakenkreuze und andere NS-Symbole. Dazu kommen als weitere Vorwürfe gegen | |
das Quintett „Strafvereitelung“ und „Verrat von Dienstgeheimnissen“. | |
Auf Anordnung des Frankfurter Amtsgerichts hatte es am Freitag | |
Durchsuchungen bei vier der Beamten gegeben. Die Fahnder beschlagnahmten | |
mehrere Mobiltelefone. Dabei ergaben sich offenbar Anhaltspunkte gegen | |
einen weiteren Beamten, dem jetzt die Verletzung von Dienstgeheimnissen | |
vorgeworfen wird. Alle fünf Beschuldigten sind erst einmal suspendiert und | |
dürfen ihre Amtsgeschäfte nicht weiter ausüben. | |
## „Völlig inakzeptables Verhalten“ | |
Während die gemeinsame Presseerklärung von Landeskriminalamt und | |
Staatsanwaltschaft vom Wochenende nur dürre Angaben zu den Vorgängen | |
enthält, spricht Frankfurts neuer Polizeipräsident Stefan Müller Klartext: | |
„Dieses Verhalten ist völlig inakzeptabel und konterkariert alles, was die | |
hessische Polizei hinsichtlich einer neuen Führungs- und Fehlerkultur | |
aufgebaut hat“, erklärte Müller, der erst wenige Tage im Amt ist. Das | |
„schnelle und konsequente Durchgreifen“ des neuen Präsidenten lobt auch der | |
innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, der zufällig ebenfalls | |
Stefan Müller heißt. Er kritisiert die „erneut schlechte | |
Informationspolitik“ von Innenminister Peter Beuth (CDU), die mehr Fragen | |
offen lasse als beantworte. Oppositionspolitiker Müller hält deshalb schon | |
bald eine Sondersitzung des Innenausschusses für erforderlich. | |
Einmal mehr führen Spuren [2][ins 1. Revier der Frankfurter Polizei], das | |
für die Kernstadt mit Banken- und Bahnhofsviertel, für Paulskirche, Dom und | |
Römer zuständig ist. Hier nahm vor vier Jahren der [3][Skandal um rechte | |
Umtriebe in der hessischen Polizei] ihren Anfang. Im Zusammenhang mit den | |
Ermittlungen wegen rassistischer und sexistischer Morddrohungen gegen die | |
NSU-Opferanwältin Seda Başay-Yıldız unter [4][dem anonymen Absender „NSU | |
2.0“] waren die Fahnder auf den illegalen Abruf von persönlichen Daten der | |
Rechtsanwältin gestoßen, der von einem Dienstcomputer im 1. Revier | |
ausgegangen war. | |
Auch damals waren Dienst- und Privatwohnungen durchsucht und Handys und | |
Computer beschlagnahmt worden. Bei deren Auswertung stießen die Fahnder auf | |
Chatgruppen in der hessischen und später auch in der Polizei anderer | |
Bundesländer, in denen rassistische, sexistische Posts ausgetauscht wurden, | |
bis hin zu der Verherrlichung des Nationalsozialismus. Dutzende Beamte | |
wurden suspendiert, gegen zahlreiche Beamte wird verhandelt oder laufen | |
Anklagen. | |
## Expertenkommission wurde eingesetzt | |
Auch der neue Fall geht wohl auf Chats eines Beamten aus dem Jahr 2018 | |
zurück, in dem er strafbewehrte Symbole teilte. Warum der Mann erst jetzt | |
auffiel, beantworten LKA und Staatsanwaltschaft nicht. Allerdings gibt die | |
Stellungnahme des Frankfurter Polizeipräsidenten dazu einen Hinweis: In | |
diesem Fall seien Vorgesetzte beteiligt, „die ihrer besonderen | |
Verantwortung nicht gerecht wurden, sondern mutmaßlich auch noch ihre | |
Funktion missbrauchten, um Fehlverhalten zu vertuschen beziehungsweise zu | |
verschleiern“, erklärte Präsident Müller. | |
Das alles passiert vier Jahre nach den ersten Schlagzeilen über die rechten | |
Umtriebe in der Frankfurter Polizei und ein Jahr nach der Auflösung des | |
Sondereinsatzkommandos SEK, nachdem bis zu 20 Beamte wegen Chats mit | |
volksverhetzenden Inhalten, kinderpornografischen Posts und Strafvereitlung | |
aufgeflogen waren. | |
Wegen der „NSU 2.0“-Drohschreiben steht zwar seit dem 16. Februar | |
[5][Alexander Horst A. als mutmaßlicher Täter vor Gericht.] Doch nach wie | |
vor ist der Verdacht gegen einen Polizeibeamten des 1. Reviers nicht | |
ausgeräumt, er könne zumindest für das erste Drohschreiben verantwortlich | |
sein. Zu möglichen Verbindungen zwischen den neuen Vorgängen und dem Fall | |
der „NSU 2.0“-Drohschreiben wollte die Staatsanwaltschaft am Montag auf | |
taz-Nachfrage nichts erklären. | |
Innenminister Beuth hatte wegen der rechten Umtriebe in der hessischen | |
Polizei eine Expertenkommission eingesetzt und versprochen, deren | |
Empfehlungen umzusetzen. „Immer wieder hören wir das Märchen von einer | |
neuen Fehler- und Führungskultur“, kommentierte die SPD-Innenpolitikerin | |
Heike Hofmann die Nachricht vom Wochenende. „Dieses Märchen endet | |
allerdings mit jedem Kapitel tragisch.“ | |
1 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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