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# taz.de -- Rassismus bei Sicherheitsbehörden: Polizei verschleppt Aufarbeitung
> Die Polizei tut sich schwer, in den eigenen Reihen gegen Rassismus und
> Hetze vorzugehen. Es geht zwar um eine Minderheit – aber die ist
> gefährlich.
Bild: Protest in Berlin gegen rassistische Gewalt bei der Polizei und in Sicher…
Berlin taz | Das Problem ist virulent – und auch unter der neuen
Bundesregierung noch lange nicht abgearbeitet: Es gibt [1][Rassismus und
Antisemitismus bei der Polizei], und immer neue Fälle kommen ans Licht. Am
Donnerstag stellte der Mediendienst Integration eine neue Recherche zum
Umgang der Behörden mit diesem Phänomen vor.
Der Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler (SPD), langjähriger
Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, erklärte bei einem
Fachgespräch, dass gerade die Sicherheitsbehörden im besonderen Fokus von
[2][Gegner:innen der Demokratie] stünden. Rechtsextreme, aber auch
Verschwörungsextremist:innen würden sich auf diese Zielgruppe
„besonders stürzen“, sagte er. Er verteidigte allerdings zugleich die
Polizei gegen den grundsätzlichen Vorwurf einer zu schlechten Fehlerkultur.
Rassismus, Hass und Hetze werde sehr wohl entgegengetreten. Die neue
Bundesregierung sei bei diesem Thema „so aktiv wie keine zuvor“. Als ein
Beispiel nannte er das neue [3][Hinweisgeberschutzgesetz], das auch in
Behörden – also auch den Sicherheitsbehörden – dafür sorgen soll, dass
Rechtsverstöße aufgedeckt, untersucht, verfolgt und unterbunden werden.
Aber tun Bund und Länder wirklich alles Mögliche, um Rassismus,
Antisemitismus oder auch Antiziganismus bei der Polizei weitgehend zu
verhindern? Die Recherche des Mediendienstes Integration lässt Zweifel
aufkommen.
## Anti-Rassismus-Workshops oft spärlich besucht
Als eines der zentralen Ergebnisse heißt es, dass solche Diskriminierungen
bei der Polizeiausbildung kaum Thema seien. Module zu Rassismus und
Antisemitismus in der Polizei – etwa zum Thema Racial Profiling – gebe es
bisher nur in fünf Bundesländern. Verpflichtend für alle angehenden
Polizist:innen nur in Berlin, im Saarland und in Thüringen, in
Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg lediglich beim Polizeistudium für den
gehobenen Dienst.
Auch in der späteren Laufbahn von Polizist:innen würden Rassismus und
Antisemitismus kaum behandelt – und verpflichtend schon gar nicht. Entweder
sind die Fortbildungen freiwillig. Oder sie richten sich nur an
Führungskräfte. Wie das dann aussieht, zeigt ein Beispiel aus Sachsen: Dort
gab es im vergangenen Jahr bei der Polizei eine Fortbildung „Rassismus und
Diskriminierungserfahrungen im Kontext polizeilicher Gewaltausübung“. Mit
gerade einmal drei Teilnehmer:innen.
Weitere Kritikpunkte im Papier des Mediendienstes: Erst in sieben von 16
Bundesländern gibt es unabhängige Polizei-Beschwerdestellen, und sogar nur
in drei Bundesländern gibt es Referent:innen für Antidiskriminierung
bei der Polizei, die sich um solche Fälle innerhalb der Behörde kümmern
sollen.
Fragt man verschiedene Expert:innen, so fällt die Bilanz sehr
unterschiedlich aus. Maria Scharlau hat im September 2021 für die
Nichtregierungsorganisation Amnesty International ein Positionspapier zu
menschenrechtswidrigen Personenkontrollen, zu sogenanntem Racial Profiling,
veröffentlicht. Nach ihren Worten machen People of Color und Schwarze
Menschen in Deutschland diese Diskriminierungserfahrung nahezu täglich.
„Trotz zahlreicher Anhaltspunkte und internationaler Kritik bestreitet die
Bundesregierung, dass Racial Profiling in Deutschland praktiziert wird“,
schrieb sie in ihrem Positionspapier.
## Es wird zu wenig geforscht
Auch beim Fachgespräch des Mediendienstes Integration werden Lücken
benannt. So habe zwar das Bundesverwaltungsgericht bereits 2019 eine
Kennzeichnungspflicht von Polizist:innen als rechtmäßig erachtet, in
vielen Bundesländern sei dies aber längst nicht umgesetzt worden, sagte der
Düsseldorfer Rechtsanwalt Blaise Francis Ndolumingo, der Personen
kostenfrei berät, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind.
Seine Kritik an Rassismus unter Beamt:innen betreffe „ganz klar“ nicht
die Mehrheit der Polizei. Doch von einer Minderheit gehe eine „enorme
Gefahr“ aus.
Aus Angst um den Ruf der Polizei fehle es aber auch am Aufklärungswillen.
Der Politikwissenschaftler Markus End, der unter anderem zu
antiziganistischen Ermittlungsansätzen bei Polizei- und Sicherheitsbehörden
publiziert hat, sieht mit Hinweis auf sein Spezialgebiet, dass Sinti* und
Roma* „kollektive Erfahrungen von Fehlverhalten bei der Polizei“ machen.
Die Polizei spiele bei Antiziganismus seit Jahrzehnten eine „zentrale
Rolle“ – vor dem Nationalsozialismus, während des Nationalsozialismus und
auch noch danach.
Worin sich die Fachleute aber derzeit einig sind: Es fehlt an Forschung in
diesem Bereich. Auch die neue Polizeistudie auf Bundesebene – das
Forschungsprojekt Megavo zu Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag
von Polizeivollzugsbeamt:innen – kann das nicht leisten, so die
einhellige Meinung. Schon auf der Startseite des Webauftritts zur Erhebung
heißt es dann auch, es handele sich „nicht um die von der Öffentlichkeit
geforderte sogenannte Rassismusstudie“. Anwalt und Berater Blaise Francis
Ndolumingo sagte dazu ernüchtert: „Wir wissen viel zu wenig.“
4 Aug 2022
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Polizeigewalt-und-Rassismus/!t5008089
[2] /Rechte-Umtriebe-bei-Frankfurter-Polizei/!5871328
[3] /Gesetzentwurf-im-Kabinett/!5867415
## AUTOREN
Matthias Meisner
## TAGS
Sicherheitsbehörden
Schwerpunkt Rassismus
Antisemitismus
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Diskriminierung
Antiziganismus
Schleswig-Holstein
Antisemitismus
Lesestück Recherche und Reportage
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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