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# taz.de -- Frachtflughafen in Leipzig: Der Widerstand wächst
> Der Leipziger Flughafen soll ausgebaut werden – Aktivist:innen wollen
> das verhindern. Am Wochenende sind gleich mehrere Protestaktionen
> geplant.
Bild: Blockade von Zufahrt am Flughafen Leipzig im September 2021
Leipzig taz | Ein Jahr und 19 Tage ist es her, dass eine Protestaktion am
Leipziger Flughafen eine bundesweite Debatte auslöste. Rund 50
Aktivist:innen hatten eine Zufahrt zum Logistikzentrum von DHL besetzt,
um gegen den geplanten Ausbau des DHL-Luftdrehkreuzes zu protestieren –
weswegen sie von der Polizei in Gewahrsam genommen wurden, viele von ihnen
zwei Nächte lang.
Für Aufsehen sorgte die Aktion nicht nur wegen der Inhaftierung, sondern
auch, weil die Polizei zunächst von einem Millionenschaden sprach und
behauptete, manche der durch die Blockade aufgehaltenen Lastwagen seien mit
Impfstoffen beladen gewesen – was sich beides später als falsch
herausstellte. Hinzu kam, dass Aktivist:innen nach ihrer Freilassung
[1][über unwürdige Behandlung klagten]. Einige hätten durchnässt in
Unterwäsche ohne Decken teils in Einzelzellen ausharren und lange auf
Verpflegung warten müssen, so schilderten es Demonstrierende.
Für dieses Wochenende haben Gegner:innen des geplanten Flughafenausbaus
erneut Proteste angekündigt: Am heutigen Donnerstag findet ein
Aktionstraining auf dem Klimacamp Leipziger Land statt, am Freitag ist eine
Mahnwache vor der sächsischen Landesdirektion in Leipzig geplant, die für
die Genehmigung des Flughafenausbaus zuständig ist, am Samstag eine große
Demo. Die Demo beginnt um elf Uhr am S-Bahnhof Schkeuditz und endet auf dem
Flughafengelände. Außerdem soll es Aktionen des zivilen Ungehorsams geben,
wie das Protestbündnis „Transform LEJ“ mitteilte. Die drei Buchstaben sind
der Flughafencode von Leipzig/Halle.
Das Bündnis hat sich im Januar gegründet und organisiert die Proteste am
Wochenende. „Es ist eine absolut unsinnige und unverantwortliche Idee, in
Zeiten der Klimakrise einen Flughafen zu vergrößern“, sagte Sprecherin
Ronja Freitag der taz. „Daher fordern wir ein sofortiges Ende der
Ausbaupläne und einen Rückbau des Flughafens.“
## Beim Bau des Drehkreuzes jubelten die Anwohner:innen
Der Airport Leipzig/Halle ist Deutschlands zweitgrößter Frachtflughafen
nach Frankfurt am Main und das viertgrößte Luftfracht-Drehkreuz Europas.
Jede Nacht werden hier Hunderttausende Sendungen aus der ganzen Welt
innerhalb kurzer Zeit entladen, sortiert und weiterverschickt. Weltweit
gibt es nur drei solcher DHL-Drehkreuze: eins in Leipzig, eins in Hongkong
und eins in Cincinnati (USA).
[2][Weil immer mehr Menschen Waren im Internet bestellen] – von
Medikamenten über Hundefutter hin zu Traktorreifen und Hollywoodschaukeln –
werden immer mehr Pakete quer durch die Welt verschickt. Daher plant die
DHL, ihr Drehkreuz in Leipzig zu vergrößern. Der Logistikkonzern will unter
anderem das Vorfeld erweitern, auf dem seine Flugzeuge parken. So soll die
Anzahl der Parkplätze für Flugzeuge von bislang 60 auf 90 oder 100 erhöht
werden. Das würde zu deutlich mehr Starts und Landungen in der Nacht führen
– der Flughafen hat für Frachtmaschinen eine Nachtflugerlaubnis. Die
Flughafengesellschaft Mitteldeutsche Flughafen AG will 500 Millionen Euro
in den Ausbau des Drehkreuzes investieren.
Während die Bürger:innen in Sachsen und Sachsen-Anhalt einst jubelten,
als DHL das Drehkreuz 2008 in Schkeuditz bei Leipzig eröffnete, lehnen die
allermeisten dessen Ausbau heute strikt ab. Die Gründe dafür liegen auf der
Hand. In den Nullerjahren war die Arbeitslosigkeit in der Region sehr hoch,
die Menschen sehnten sich nach Vollzeitstellen und sicherem Einkommen.
Heute, fast 15 Jahre später, haben sich zahlreiche große Unternehmen in der
Gegend niedergelassen, etwa BMW oder Amazon. Die Arbeitslosenquote liegt in
Leipzig nur noch bei 6,1 Prozent, in Halle bei 8,1 Prozent. Hinzu kommt die
starke Belastung durch den nächtlichen Fluglärm, der sich durch die
Vergrößerung des Airports noch verstärken würde, sowie der erhöhte
CO2-Ausstoß und die Feinstaubbelastung.
Im August 2020 hat die Flughafengesellschaft einen Antrag auf den Ausbau
bei der Landesdirektion Sachsen eingereicht. Gegen die Ausbaupläne sind
6.560 Einwendungen eingegangen. Die Landesdirektion ist noch dabei, die
Beschwerden zu prüfen. Wie viele der Einwendungen sie schon bearbeitet habe
und wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei, teilt die Behörde nicht
mit.
## 40 Millionen Euro Entschädigung soll es geben
Seit vielen Jahren schon protestieren Klimaaktivist:innen und
Anwohner:innen aus dem Saalekreis gegen den Leipziger Flughafen, weil
dieser zu laut und klimaschädlich sei. Im Mai teilte die sächsische
Landesregierung mit, den von steigender Lärmbelastung betroffenen Kommunen
als Ausgleich für den geplanten Ausbau 40 Millionen Euro Entschädigungen zu
zahlen. Von dem Geld sollen unter anderem Straßen und ein Schwimmbad in
Schkeuditz gebaut werden.
Für Ronja Freitag von „Transform LEJ“ sind die 40 Millionen Euro nicht
anderes als Schmiergeld. Mit dem Geld versuche die Landesregierung, das
eigentliche Problem zu vertuschen. „Wir können ein noch so tolles
Schwimmbad haben und super Straßen, aber die Flugzeuge fliegen trotzdem
noch über die Häuser der Menschen und die können immer noch nicht
schlafen.“
Das Bündnis fordert die sächsische Regierung dazu auf, den Flughafen
Leipzig/Halle nicht weiter mit Steuergeldern zu subventionieren. „Die DHL
macht Profite mit einem wachsendem globalen Warenverkehr, der immer
stärkere zerstörerische Ausmaße annimmt“, sagte Freitag. „Statt die
Erweiterung des Airports zu unterstützen, sollte die Regierung
zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen und den Ausbau des Schienennetzes
vorantreiben, sodass kurze Lieferketten überhaupt erst möglich werden“,
sagte Freitag.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) jedoch steht hinter der
geplanten Vergrößerung des Flughafens. „In unserer hochvernetzten Welt wird
eine gute Logistik immer wichtiger. Dafür ist ein moderner Flughafen
unabdingbar“, heißt es aus dem Ministerium. Außerdem sei der Airport ein
wichtiger „Job-Motor und Wirtschaftsfaktor“ für Sachsen. „Am Flughafen
arbeiten in den rund 120 angesiedelten Unternehmen über 12.000
Beschäftigte.“
## Der LEJ sei nicht zukunftsfähig, sagt eine Aktivistin
Freitag von „Transform LEJ“ entgegnet, dass diese Arbeitsplätze aufgrund
der eskalierenden Klimakrise nicht zukunftsfähig seien. „Die Klimafrage
darf nicht gegen die soziale Frage ausgespielt werden.“ Man müsse jetzt
darüber nachdenken, wie man den Flughafen transformieren und zukunftsfähige
Jobs schaffen könne, sagte Freitag.
Dieser Meinung ist auch Marco Böhme, Landtagsabgeordneter der sächsischen
Linksfraktion und Sprecher für Klimaschutz und Mobilität: „Wir forderten im
Landtag den Stopp des Ausbaus und eine Transformation des Flughafens zu
einem sozial-ökologisch Arbeitgeber. Alle Fraktionen inklusive der Grünen
lehnten das aber ab.“ Böhme befürchtet, dass die Landesdirektion Sachsen
den Ausbau des Airports genehmigen wird. „Dann wird es massive Proteste
geben, die ich ebenso unterstütze wie darauffolgende Klagen der
Bürgerinitiativen. Dafür wird bereits jetzt Geld gesammelt.“
Das Bündnis „Transform LEJ“, das momentan vor allem die Klimakrise und dem
Fluglärm thematisiert, will sich in Zukunft auch mit Abschiebung und
Antimilitarismus auseinandersetzen. „Vom Flughafen Leipzig/Halle werden
[3][unzählige Menschen abgeschoben] und Waffen in die ganze Welt
verschickt“, kritisierte Freitag. „Auch das wollen wir unterbinden.“
28 Jul 2022
## LINKS
[1] /Protest-gegen-Flughafenausbau-Leipzig/!5781095
[2] /Kleidung-und-ihre-Produktionsbedingungen/!5859244
[3] /Abschiebungen-an-den-Hindukusch/!5773062
## AUTOREN
Rieke Wiemann
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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