| # taz.de -- Fluglärm-Bürgerinis verlassen Dialog: Austritt mit einem lauten K… | |
| > Hamburger Bürgerinis gegen Fluglärm verlassen eine Runde mit Vertretern | |
| > von Flughafen und Behörden, weil es im Kampf gegen Nachtflüge keine | |
| > Erfolge gibt. | |
| Bild: Bringt Jobs, ist für die Anwohner aber die Pest: Flugverkehr über Hambu… | |
| Die Entscheidung ist ein kalkulierter Eklat. Am Mittwoch hat der | |
| Umweltverband BIG Fluglärm die Hamburger Allianz für den Fluglärmschutz | |
| verlassen. „Wir haben festgestellt, dass wir nicht länger Teil eines | |
| Formats sein wollen, wo mehr geredet als gehandelt wird“, sagt der | |
| BIG-Vorsitzende Martin Mosel. Zehn Jahre Gespräche hinter verschlossenen | |
| Türen hätten wenig gebracht. Jetzt sei es an der Zeit, Konsequenzen zu | |
| ziehen. | |
| Die [1][Allianz war auf Wunsch der Bürgerschaft gegründet worden], um | |
| zwischen Interessen des innerstädtischen Flughafens, der Wirtschaft und der | |
| lärmgeplagten Anwohner zu vermitteln und die Umsetzung des Lärmschutzes am | |
| Flughafen zu begleiten. An ihren Beratungen sollen alle betroffenen | |
| Interessengruppen teilnehmen – vom Flughafen und den Fluggesellschaften | |
| über die Wirtschaft, Kommunen und Behörden bis zu den Anwohnerinitiativen. | |
| Ziel der Allianz ist es, „gemeinsam getragene Vorschläge zu erarbeiten, wie | |
| Fluglärmbelastungen verringert werden können“. | |
| Eben das ist aus Sicht des BIG, einem Dachverband von vier | |
| Lärmschutzinitiativen, nicht in ausreichendem Maße geschehen. Die | |
| Initiativen stören sich vor allem daran, dass in den vergangenen Jahren die | |
| Zahl der Nachtflüge zwischen 23 und 24 Uhr stark gestiegen ist und das | |
| Vor-Corona-Niveau erreicht hat – obwohl der gesamte Flugbetrieb erst bei 80 | |
| Prozent des Vorkrisenniveaus steht. Aus Sicht der BIG ist es höchste Zeit, | |
| diese Entwicklung zu stoppen. | |
| ## Viele Verspätungen | |
| Ein Hebel wäre die „Verspätungsregelung“, die es Flugzeugen im Linien- und | |
| Pauschalreiseverkehr erlaubt, zwischen 23 und 24 zu starten und zu landen, | |
| „wenn die Verspätung nachweislich unabweisbar war“. Laut dem Bericht der | |
| Fluglärmschutzbeauftragten des Senats gab es 2023 dafür verschiedene | |
| Ursachen: Personalknappheit bei der Sicherheitskontrolle, Streiks bei der | |
| Flugsicherung, den Ukraine-Krieg, [2][mehr militärische Flüge], aber auch | |
| das Wetter. | |
| Die Begründungen der Fluggesellschaften werden nachträglich geprüft. Falls | |
| sie sich als nicht stichhaltig erweisen, gibt es ein Bußgeld. Von elf | |
| Ordnungswidrigkeitenverfahren 2023 wurden der Fluglärmschutzbeauftragten | |
| zufolge zehn eingestellt und im gesamten Jahr 10.000 Euro Bußgeld verhängt. | |
| Mosel vom BIG wollen die Begründungen nicht einleuchten. Der Ukraine-Krieg | |
| tobe ja schon drei Jahre und dass der Klimawandel Wetterextreme mit sich | |
| bringe, sei auch keine Neuigkeit. „Darauf muss man sich doch einstellen | |
| können“, findet Mosel. „Viele der Verspätungen sind schlicht Schlendrian�… | |
| vermutet er. | |
| ## Wohlwollende Diskussionen ohne Konsequenz | |
| Die Fluglärminitiativen ärgert, dass die Diskussion in der Allianz für den | |
| Fluglärmschutz über die Verspätungsregelung folgenlos geblieben sei. So | |
| habe ein juristisches Gutachten darauf hingewiesen, dass die Kriterien für | |
| eine Inanspruchnahme der Verspätungsregelung zu unbestimmt formuliert | |
| seien. Das sei in dem Gremium zwar fachlich wohlwollend diskutiert worden – | |
| jedoch ohne institutionelle Konsequenz. | |
| „Wir haben zusammen mit Politik und Verwaltung festgestellt, dass es | |
| Reformbedarf gibt“, sagt Mosel, „und dann passiert einfach nichts“. | |
| Stattdessen sei die Verspätungsregelung von der Tagesordnung genommen | |
| worden. | |
| In einer Allianz mitzuarbeiten, die keine politischen Ergebnisse zeitigt, | |
| ist aus Sicht der Initiativen keine Bürgerbeteiligung, sondern ein | |
| Hemmschuh. „Wie oft haben wir versucht, Vertreter der Alllianz für eine | |
| Podiumsdiskussion zu gewinnen“, sagt Mosel. Regelmäßig seien solche | |
| Anfragen unter Verweis auf die Allianz abgelehnt worden. | |
| ## Flughafen schafft Jobs | |
| „Wenn Gespräche vertraulich sind, dann müssen sie im Ergebnis auch zu | |
| Ambitionen im politischen Raum führen“, findet Mosel. Der Austritt aus der | |
| Allianz verschaffe dem BIG nun wieder mehr Spielraum für | |
| zivilgesellschaftlichen Protest. | |
| Das gilt nicht zuletzt mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen | |
| zwischen der SPD und den Grünen, wo zum Flugverkehr noch nichts verlautbart | |
| wurde. Allerdings hatten sich einige Politiker im Wahlkampf positioniert. | |
| Sie fände es „falsch, die Betriebszeiten anzufassen und weiter | |
| einzuschränken“, [3][sagte Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD)] | |
| laut dem Hamburger Abendblatt im Januar. Die Stadt habe ein großes | |
| Interesse daran, dass der Flughafen leistungsfähig bleibe. Zudem sei er ein | |
| großer Arbeitgeber. | |
| Der Flughafen, der zur Hälfte der Stadt gehört, unterfütterte das | |
| vergangene Woche mit einer Studie des Hamburgischen | |
| Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), nach der jeder Job am Flughafen zwei | |
| [4][Arbeitsplätze in der Region] sichere. Das entspreche 11.000 | |
| Beschäftigten in der Region. Sie erwirtschafteten mehr als eine halbe | |
| Milliarde Euro pro Jahr. | |
| ## Senator ist für Startverbot ab 23 Uhr | |
| Auf den Austritt der Fluglärmschutzinitiativen reagierte der Flughafen | |
| irritiert, schließlich sei für kommende Woche die nächste Sitzung geplant. | |
| „Es ist schwer nachvollziehbar, warum die Initiativen um Herrn Mosel, der | |
| die Agenda für diesen Termin mit erstellt hat, ohne jede Vorankündigung | |
| ihre Mitarbeit beenden“, sagt Kommunikationschef Johannes Scharnberg. Der | |
| Airport werde den Dialog mit den verbliebenden Teilnehmern gerne | |
| fortführen. | |
| Noch im Wahlkampf hatte sich der [5][scheidende Umweltsenator Jens Kerstan | |
| (Grüne)] auf die Seite der Initiativen geschlagen. Er wies darauf hin, dass | |
| nach Zählung der Umweltbehörde die Flüge mit Verspätungsregelung im | |
| vergangenen Jahr zahlreicher waren als im letzten Vor-Corona-Jahr 2019. „Es | |
| zeigt sich, dass die bestehende Regelung die Anwohnenden nicht effizient | |
| vor nächtlichem Fluglärm schützt“, stellte Kerstan fest. | |
| Der Senator plädierte dafür Starts nach 23 Uhr zu verbieten: „Diese sind | |
| immer vermeidbar.“ Landungen dagegen müssten in unvermeidbaren Fällen | |
| weiter möglich sein. „Es wird die Aufgabe des nächsten Senates sein, sowohl | |
| für eine neue Regelung zu sorgen als auch eine Definition für unvermeidbare | |
| Gründe zu entwickeln“, erklärte Kerstan. | |
| 17 Apr 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.ik-fluglaerm.de/wp-content/uploads/Dokumente/Allianz/PDF/201911… | |
| [2] /Proteste-gegen-Nato-Manoever/!5939639 | |
| [3] /Rot-Gruen-will-weniger-daemmen-Koalitionsverhandlungen-in-Hamburg/!6082552 | |
| [4] /Stadtforscher-ueber-Hamburger-Hafen/!5996055 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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