| # taz.de -- Kolonialismus als Spielfilm-Thema: Geklaut aus Afrika | |
| > Zu sehen in Hamburg: In seinem Spielfilm „Invasion 1897“ erzählt Lancelot | |
| > Oduwa Imasuen, wie das Königreich Benin durch die Briten zerstört wurde. | |
| Bild: Eines von vielen: Kunstobjekt aus Benin, ausgestellt im Stuttgarter Linde… | |
| Hamburg taz | Der Streit um die [1][Rückgabe der Benin-Bronzen] gehört zu | |
| den Konflikten, an denen deutlich wird, dass der Postkolonialismus noch | |
| längst nicht überwunden ist. Die Skulpturen und Metalltafeln machen fast | |
| das gesamte kulturelle Erbe des einstigen Königreichs Benin im heutigen | |
| Nigeria aus und wurden als Beutekunst des britischen Imperiums über Museen | |
| und Sammlungen in Europa und die USA verstreut. | |
| Dabei ist die Geschichte, wie das Königreich Benin Mitte des 19. | |
| Jahrhunderts unterging und wie die 3-5.000 Artefakte in die Hände der | |
| Briten kamen, kaum bekannt. Geschichte schreiben nun mal die Gewinner. | |
| Deshalb sind die Geschichten der Eroberten umso wichtiger als immer bloß | |
| die der Eroberer. | |
| Ein perfektes Beispiel dafür ist [2][der Film „Invasion 1897“] von dem | |
| nigerianischen Filmemacher Lancelot Oduwa Imasuen, der nun selbst in | |
| Hamburg dabei ist, wenn sein Film gezeigt wird. Dieser erzählt vom | |
| bewaffneten Einfall britischer Truppen in das Königreich Benin – und das | |
| eben aus der afrikanischen Perspektive: Der letzte König Benins, Nogbaisi | |
| Ovonramwen (1857–1914), ist der tragische Held und dadurch vermittelt der | |
| Film aus dem Jahr 2014 nicht zuletzt einen Einblick in die Machtstrukturen | |
| jener Jahrhunderte alten afrikanischen Monarchie. | |
| Benins König betrachtet die britische Queen Victoria als gleichrangig. Die | |
| britischen Offiziere hingegen, an den reichen Kautschukernten seines Landes | |
| interessiert, erwarten ganz selbstverständlich, dass der König sich der | |
| Queen unterwirft – und damit auch ihnen selbst. Ovonramwen hält sich unter | |
| dem Schutz der „200 Götter“ seines Reichs für unbesiegbar, aber gegen die | |
| Schusswaffen der Briten hat er keine Chance. | |
| ## Unterschiedliche Weltbilder geschickt herausgearbeitet | |
| Diese unterschiedlichen Weltbilder arbeitet Imasuen geschickt heraus. | |
| Einmal lässt er einen der Beniner Götter bei einem höfischen Ritual | |
| erscheinen, während die Briten pragmatisch – mit europäischer Arroganz – | |
| ihren Feldzug planen. Die inzwischen über 120 Jahre zurück liegende | |
| Geschichte verknüpft er über eine Rahmenhandlung mit der Gegenwart: Im | |
| London des Jahres 2014 versucht der nigerianische Student Igie Ehanire | |
| (Charles Venn) einige aus Benin stammende Skulpturen aus dem Britischen | |
| Museum zu stehlen. | |
| Er wird erwischt, verhaftet und landet vor einem britischen Gericht, wo er | |
| sein Handeln rechtfertigt: „Man kann nicht stehlen, was einem selbst | |
| gestohlen wurde.“ In einer großen Rückblende erzählt er dann die Geschichte | |
| des Raubes. | |
| In Nigeria hat sich seit den 1990er-Jahren eine lebendige und erfolgreiche | |
| Filmszene entwickelt; gemessen an der Anzahl produzierter Filme ist dieses | |
| „Nollywood“ [3][längst größer als das US-Vorbild]. In der Tradition der … | |
| von nordamerikanischer oder europäischer Warte aus – billigen | |
| Produktionsmethoden steht auch Imasuens Film, der deshalb kaum mit den | |
| westlichen Maßstäben zu bewerten ist. | |
| So werden die durchweg männlichen Briten gespielt von offensichtlich in | |
| Nigeria zusammengesuchten Laien, die kaum ihre Dialogsätze aufsagen können; | |
| die Schlachtszenen wurden mit visuellen Effekten von Videospielen | |
| aufgepeppt – und Imasuens zeigt gleich vier Mal, wie einem Menschen der | |
| Kopf abgeschlagen wird. | |
| Dies mag manche Zuschauer*innen befremden, Aber wichtiger als jede | |
| Geschmacksfrage ist, dass das – [4][seit Längerem um die | |
| Kolonialismus-Aufarbeitung bemühte] – frühere Hamburger Völkerkundemuseum | |
| damit nun ein Beispiel für originäre nigerianische Kultur bei sich zu Gast | |
| hat; zu Gast, [5][nicht einfach geklaut.] | |
| 26 Jul 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Schwerpunkt-Kunst-und-Kolonialismus/!t5773861 | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=zLRaPNlTqZc | |
| [3] /Aus-fuer-nigerianischen-Film-bei-Oscars/!5635668 | |
| [4] /Archiv-Suche/!5542295 | |
| [5] /Archiv-Suche/!5823605 | |
| ## AUTOREN | |
| Wilfried Hippen | |
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