| # taz.de -- Todestag von New York-Ikone Wojnarowicz: Feuer im Bauch | |
| > Er war eine große Figur der New Yorker Subkultur: Vor 30 Jahren starb | |
| > David Wojnarowicz an den Folgen seiner HIV-Infektion. | |
| Bild: David Wojnarowicz im Selbstporträt (unten) | |
| Während die Namen Jean-Michel Basquiat und [1][Keith Haring] selbst | |
| denjenigen, die sich nicht für Kunst interessieren, geläufig sind, verhält | |
| es sich mit ihrem Zeitgenossen David Wojnarowicz anders. Auch er stammt aus | |
| der [2][Subkulturszene von Downtown Manhattan der 1980er Jahre], und auch | |
| seine Werke sind in Sammlungen von Museen wie dem MoMA, Whitney oder Met zu | |
| finden. | |
| Doch während ein Bild von Basquiat bei einer Auktion im Jahr 2017 für die | |
| unglaubliche Summe von 110 Millionen US-Dollar unter den Hammer kam, wurde | |
| diesen Mai ein Kunstwerk von David Wojnarowicz für „nur“ knapp 1 Million | |
| US-Dollar versteigert. Wer war dieser Künstler, der sich auf der schmalen | |
| Grenze zwischen Underground und Mainstream bewegte? | |
| Geboren wurde Wojnarowicz am 14. September 1954 in Red Banks, New Jersey. | |
| Seine Kindheit war geprägt von Gewalt, regelmäßig verprügelte der Vater im | |
| Alkoholrausch ihn und seine beiden Geschwister. Als Teenager – wann genau, | |
| ist unklar, da David Wojnarowicz gerne Variationen seiner eigenen Biografie | |
| erzählte – lebte er eine Zeit lang auf der Straße und ging auf dem Times | |
| Square auf den Strich, einer Gegend, die damals schmuddelig und gefährlich | |
| war. | |
| Schließlich landete er im East Village. Ähnlich wie der Times Square war | |
| das East Village bekannt für seine Drogenszene und Kriminalität. Aber das | |
| war auch ein Vorteil: In die verfallenen Gebäude mit extrem niedrigen | |
| Mieten zogen Künstler*innen. Madonna, RuPaul und Chloë Sevigny gehören | |
| zu denjenigen, die aus der [3][East-Village-Szene der 1980er Jahre] zu | |
| Weltruhm aufstiegen. | |
| ## Das queere Gegenstück zu SoHo | |
| Anfang der 1980er öffneten an jeder Ecke kleine Kunstgalerien, die, anders | |
| als im fancy SoHo, dem Viertel, das eigentlich bekannt war für seine Kunst, | |
| gewagtere, politischere, explizitere und queerere Werke zeigten. Und David | |
| Wojnarowicz wurde zum Liebling dieser Underground-Kunstszene. | |
| Seine gesellschaftskritischen, teils ironischen Gemälde, Collagen, | |
| Installationen und Fotos thematisierten Homosexualität, den Zustand der USA | |
| und den Tod. Als Material verwendete er alles, was ihm unter die Finger | |
| kam: alte Supermarktplakate, Sperrmüll, die Metalldeckel von Mülltonnen, | |
| Landkarten oder einfach den Schrott, den er auf den Brachflächen des | |
| Viertels fand. | |
| Das East Village und seine Kunstszene boomte, bis der Zenit Mitte der | |
| 1980er Jahre überschritten war. „Die Kunstwelt hat die magische Fähigkeit, | |
| jede Kritik an ihr zu übernehmen und damit Geld zu verdienen. Die | |
| East-Village-Szene war anfangs fast eine Parodie der Kunstwelt“, sagt | |
| Cynthia Carr, die heute noch in dem Viertel lebt und die umfangreiche | |
| David-Wojnarowicz-Biografie „Fire in the Belly“ verfasst hat. | |
| „Aber 1985 war sie dann die Kunstwelt. Die Sammler kamen, um nach dem | |
| nächsten großen Ding zu suchen. [4][Als die Szene erst einmal entdeckt] und | |
| ausgebeutet war, stiegen die Mieten in all den billigen Ladenlokalen in die | |
| Höhe.“ | |
| ## In Berlin lernt er Rosa von Praunheim kennen | |
| David Wojnarowicz, der sich langsam einen Namen machte, hatte sich zu | |
| diesem Zeitpunkt bereits weiterentwickelt. Er war auf Einladung mehrfach in | |
| Europa, unter anderem in Berlin, wo er eins der Motive, die er in seinen | |
| frühen Jahren an viele Wände malte, auch auf die Mauer sprühte: die Gagging | |
| Cow. [5][In Berlin lernte er den Regisseur Rosa von Praunheim kennen], in | |
| dessen Aids-Doku „Silence = Death“ er zusammen mit Keith Haring und Allen | |
| Ginsberg später zu sehen sein sollte. | |
| Fast wichtiger noch als sein Erfolg in der Kunstwelt war für ihn allerdings | |
| die enge Bindung zum Fotografen Peter Hujar. Hujar, der unter anderem Fran | |
| Lebowitz und Susan Sontag fotografierte und dessen Bild „Orgasmic Man“ auf | |
| dem Cover von Hanya Yanagiharas Bestseller „Ein wenig Leben“ zu sehen ist, | |
| hatte er 1980 kennengelernt; nach einer kurzen Affäre entwickelte sich | |
| zwischen den beiden eine Beziehung, die irgendwo zwischen | |
| Vater-und-Sohn-Verhältnis und enger Freundschaft angesiedelt war. | |
| Die 1980er Jahre waren die HIV-Jahre. Gerade New York City wurde schwer von | |
| dem Virus getroffen. Viele der queeren Künstler*innen im East Village | |
| starben, so auch Peter Hujar Ende 1987 im Alter von 53 Jahren (Keith Haring | |
| folgte ihm am 16. Februar 1990). | |
| David Wojnarowicz, der sich wie viele seiner Zeitgenossen zunächst nicht | |
| testen lassen wollte, da es keine Heilungsmöglichkeiten gab, erfuhr im | |
| Frühjahr 1988, dass er Aids hatte. Diese Diagnose zusammen mit dem Tod von | |
| Hujar und anderen Freunden machte seine Kunst umso politischer und | |
| wütender. | |
| ## Seine Kunst lässt sich nicht auf Krankheit reduzieren | |
| Und er fing an, sich aktivistisch zu engagieren. „IF I DIE OF AIDS – FORGET | |
| BURIAL – JUST DROP MY BODY ON THE STEPS OF THE FDA“ stand in Majuskeln auf | |
| dem Rücken seiner Jacke, ein Foto davon geht heute noch manchmal viral. Aus | |
| diesem Grund ist er vielen als „Aids-Künstler“ bekannt. | |
| Doch Wojnarowicz’ Kunst und seine Texte (wie etwa der gefeierte Essayband | |
| „Close to the Knives“) lassen sich nicht darauf reduzieren. Die große | |
| Retrospektive „History Keeps Me Awake at Night“, die das Whitney 2018 | |
| organisierte, zeigte die Vielfältigkeit des multidisziplinarischen | |
| Künstlers. Am 22. Juli 1992 starb David Wojnarowicz in Manhattan. Seine | |
| Kritik am politischen System und an der Queerfeindlichkeit der Gesellschaft | |
| aber ist heute, 30 Jahre nach seinem Tod, immer noch aktuell. | |
| 22 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Isabella Caldart | |
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