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# taz.de -- Taxigewerbe beantragt Tariferhöhung: Im Rollstuhl zahlt man extra
> Taxis werden teurer. Zum Entsetzen der Behindertenbeiräte überlegen
> Niedersachsens Landkreise, einem Zuschlag für Rollifahrer zuzustimmen.
Bild: Wer mit dem Rolli kommt, zahl in manchen Landkreisen Niedersachsens extra…
Hannover taz | „Natürlich ist das die schlechtere Lösung“, sagt Harald Ga…
vom [1][Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN)] ganz freimütig.
Der Interessenvertreter des Taxigewerbes ist mit dafür verantwortlich, dass
in manchen Landkreisen Rollstuhlfahrer bald noch einmal extra zur Kasse
gebeten werden – zusätzlich zu den ohnehin steigenden Taxitarifen.
Das gilt allerdings nur für Menschen, die im Rollstuhl sitzend
transportiert werden müssen, weil sie nicht umgesetzt werden können. Die
meisten Behinderten- und Inklusionsbeiräte sind empört, dass ausgerechnet
derart mobilitätseingeschränkte Menschen noch einmal zusätzlich belastet
werden.
Und auch der Sozialverband Deutschlands (SoVD) schlägt Alarm: „Deutlicher
kann man Menschen mit Behinderung nicht diskriminieren“, [2][sagt der
niedersächsische Landesvorsitzende Bernhard Sackarendt.]
Doch der Reihe nach: Um eine Erhöhung der Taxitarife bittet der
Branchenverband GVN schon länger. Niemand bestreitet, dass dieses Gewerbe
ein üble, holprige Durststrecke hinter sich hat. Die meisten aktuell
gültigen Tarife sind sechs oder sieben Jahre alt – in der Zwischenzeit
wurde der Mindestlohn mehrfach erhöht, stieg der Dieselpreis in ungeahnte
Höhen [3][und brachte Corona einen Großteil des Geschäfts zum Erliegen.]
## Taxiunternehmer wollen Aufwand und Umbau bezahlt haben
Gleichzeitig ist so eine Erhöhung auch nicht ganz einfach: Übertreibt man
es, bleiben die Kunden weg – dann verdienen die Unternehmen auch nicht
besser. Und so eine Tariferhöhung muss ein Weilchen halten: Das
Abstimmungsprozedere ist lang und umständlich – das möchte man nicht in
jedem Landkreis alle zwei Jahre durchführen, zumal die technische
Umstellung der geeichten Taxameter ja auch Zeit und Kapazitäten braucht.
In diesem Fall hat der GVN also schon zu Beginn des vergangenen Jahres bei
fast allen der 45 Landkreise und kreisfreien Städte in Niedersachsen eine
Anpassung der Tarife beantragt und dabei auch die Einführung des
Rollstuhlfahrerzuschlags angeregt.
„Das ist einfach ein erheblicher Mehraufwand: Sie brauchen extra geschulte
Fahrer, müssen die Rampe ausfahren, den Rollstuhlfahrer in Empfang nehmen,
reinfahren, sichern – alles ohne dass die Uhr läuft“, rechtfertigt sich
Gast. Auch die Umrüstung der Fahrzeuge werde immer teurer, 8.000 bis 10.000
Euro koste dies mittlerweile.
Corona sei Dank blieb die Forderung bei den meisten Landkreisen aber erst
einmal liegen. So lange, dass nun selbst das niedersächsische
Wirtschaftsministerium zu einer raschen Beratung drängt. Das geht dann
schon einmal schief: [4][Im Landkreis Rotenburg etwa wurde der
Behindertenbeirat] so spät in die Beratung einbezogen, dass er seine
Einwände kaum noch geltend machen konnte.
## Es gäbe Alternativen, doch die interessieren kaum jemanden
Insgesamt sieben Landkreise haben nach der vorläufigen Zählung der GVN
bisher einen Zuschlag für Rollstuhlfahrer beschlossen, in sechs Kreisen
oder Städten (darunter Göttingen) gab es so etwas vorher schon, in 15
Kreisen steht die Entscheidung noch aus, manche Landkreise (darunter
Wesermarsch und die Region Hannover) haben den Rollstuhlzuschlag abgelehnt,
andere haben nur die allgemeine Tariferhöhung beschlossen und wollen über
den Rollstuhlfahrerzuschlag noch einmal extra beraten.
„So entsteht ein Flickenteppich. Es kann doch nicht sein, dass es vom
Wohnort abhängt, ob ich als Mensch mit Behinderung am gesellschaftlichen
Leben teilhaben kann oder nicht“, sagt Sackarendt vom SoVD.
Die Zuschläge bewegen sich zwischen 5 und 15 Euro für die einfache Fahrt.
Wenn es ganz unglücklich läuft, kann ein Ausflug ins Kino also plötzlich
mal dreißig Euro mehr kosten. In solchen Fällen greift auch die beliebte
Argumentation „Das zahlt doch eh die Kasse“ nicht – die kommt nämlich nur
für medizinisch notwendige Fahrten auf.
Der SoVD hätte es lieber gesehen, wenn die Landkreise oder das Land
stattdessen die Umrüstung der Taxen subventionieren würden. „Damit wären
wir auch viel glücklicher, dann bräuchten wir den Zuschlag nicht“,
versichert Harald Gast vom GVN. Diesen Alternativvorschlag habe er auch in
jeden seiner Anträge geschrieben, sagt er. Bisher habe aber nicht ein
Landkreis darauf reagiert.
## Möglicherweise drohen Klagen
Alternativ hätte man die Kosten für den Rollstuhltransport natürlich auch
bei den allgemeinen Tariferhöhungen einpreisen können – immerhin werden
Rollstuhlfahrer im öffentlichen Nahverkehr (und zu dem zählen Taxen
rechtlich auch) sonst ja auch nicht für den Bau von Hochbahnsteigen und die
Anschaffung barrierefreier Busse zur Kasse gebeten. Aber angesichts der
Tatsache, dass die Tariferhöhungen nun ohnehin schon ziemlich üppig
ausfallen (25 bis 30 Prozent), traut sich das im Moment niemand.
Gerhard Bredehorst, der Vorsitzende des übergangenen Behindertenbeirats im
Landkreis Rotenburg, zweifelt daran, dass die Zuschlagsregelung rechtens
ist. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies mit der
UN-Behindertenkonvention oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass jemand dagegen klagt.“
Er hat jedenfalls darauf gedrängt, dass sich der Landesbehindertenbeirat
auf einer seiner nächsten Sitzungen mit dem Thema befasst. „Das letzte Wort
ist da noch nicht gesprochen.“
21 Jul 2022
## LINKS
[1] https://www.gvn.de/
[2] https://www.sovd-nds.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen/presse…
[3] /Unternehmen-in-der-Pandemie/!5772899
[4] https://www.weser-kurier.de/landkreis-rotenburg/kreis-rotenburg-streit-um-n…
## AUTOREN
Nadine Conti
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