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# taz.de -- Wärmepumpe oder Holzofen?: Runter vom Gas
> Mit Gas heizen gefährdet das Klima – und wird teurer. Die Bundesregierung
> will die Wärmewende einleiten. Gibt es schnelle Alternativen?
Bild: Begehrte Fachkraft: Mitarbeiterin montiert Wärmepumpe
Berlin taz | Nein, die Wärmepumpe soll nicht das E-Auto der Energiewende im
Gebäudesektor werden. Gebäude seien „sehr viel komplexer“ als Autos, darum
werde es beim Heizen nie nur die eine Lösung geben, sagte
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) nach dem Wärmepumpengipfel am
Mittwoch.
Als einen entscheidenden Faktor in der Wärmewende sieht die Bundesregierung
das Heizen, mit dem Strom Wärme aus Luft, Boden oder Wasser zieht, aber
doch. Darum traf sie sich mit Vertretern von Herstellern, Netzbetreibern,
der Wohnungswirtschaft und der Energiewirtschaft.
Sechs Millionen Wärmepumpen sollen 2030 hierzulande Gebäude heizen, sagte
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach dem Gipfel. 2021 [1][haben
Heizungsfirmen 150.000 solcher Pumpen eingebaut,] „2024 müssen es 500.000
sein“, um das Ziel zu erreichen, so Habeck.
Die Hersteller täten alles in ihrer Macht Stehende, um „einen
schnellstmöglichen Hochlauf des deutschen Wärmepumpenmarktes zu
ermöglichen“, erklärte Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbandes
Wärmepumpe. Allerdings müsse die Bundesregierung dafür noch in diesem Jahr
das Gebot gesetzlich verankern, dass ab 2024 alle neu eingebauten Heizungen
auf der Basis von 65 Prozent erneuerbaren Energien arbeiten müssen,
forderte Sabel. „Erst diese gesetzliche Fixierung bringt den Marktakteuren
die notwendige Sicherheit, sich im erforderlichen Maßstab auf Wärmepumpen
auszurichten.“
Da blitzt die Angst der Branche hervor, wie die Solarindustrie zu enden:
Diese war euphorisch gestartet und dann fast gänzlich nach China
abgewandert. Ursache dafür war laut Habeck fehlende politische
Verlässlichkeit. Das wolle die Bundesregierung nun anders machen. So
beteuerten beide Minister, Deutschland müsse auch Produktionsstandort für
Wärmepumpen werden und bleiben. Die Wärmewende sei nicht nur Klimaschutz,
sondern auch Industriepolitik.
Über die bestehenden Programme hinaus fördern wolle man den Einbau von
Wärmepumpen nicht, sagte Geywitz, das sei in dem ausgelasteten Markt nicht
nötig. Sehr wohl fördern wolle man aber Forschung und Entwicklung, sagte
Habeck. Die deutsche Forschungslandschaft soll den Unternehmen zur
Verfügung stehen. „Was im Gebäudesektor vor uns liegt, ist genauso
umwälzend wie der Umbau der Autoindustrie“, sagte Geywitz. „Wir bereiten
den Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe vor.“
Damit das gelinge, müsse man „die Kommunen mit ins Boot holen“ und dafür
sorgen, dass der immense Strombedarf der Pumpen auch möglichst in den
Gebäuden selbst erzeugt werden könne. „Dafür [2][müssen wir die Bedingung…
für Mieterstrom verbessern, Genehmigungen für Photovoltaik schneller
erteilen] und die Wartezeiten auf Genehmigungen für Wärmepumpen
verringern“, so die Ministerin.
Zumindest rhetorisch war auch die FDP auf dem Wärmepumpengipfel vertreten:
An die Energiewende im Gebäudesektor wolle man „technologieoffen“
herangehen, betonte Geywitz. Je nach Standort könnten auch Pelletheizungen
oder Fernwärmesysteme zum Einsatz kommen. Nur dem Wasserstoff erteilten
beide Minister eine Absage: Der sei zum Heizen zu teuer.
## Wärmepumpe im Altbau – möglich, aber teuer
Langfristig sind Wärmepumpen das Mittel der Wahl – aber können sie auch
eine mögliche Gaskrise im kommenden Winter überbrücken? „Viele Wärmepumpen
sind derzeit nicht lieferbar, Wartezeiten von einigen Monaten oder auch
über einem halben Jahr sind nicht unüblich“, sagt Benjamin Weismann,
Bundesgeschäftsführer des GIH, der Interessenvertretung für
Energieberaterinnen und Energieberater. Zudem seien die Preise für die
Anlagen und oft auch für Handwerker stark gestiegen. Ein weiteres Problem
ist der Fachkräftemangel. Die Handwerksbetriebe im SHK-Bereich –
Sanitär-Heizung-Klima – sind stark ausgelastet, bei vielen bekommt man erst
2023 wieder Termine. Und weniger als die Hälfte der SHK-Betriebe baut
regelmäßig Wärmepumpen ein.
Dabei ist eine gute Beratung das A und O beim Einbau einer Wärmepumpe.
Schlecht geplante Öl- und Gasheizungen sind zwar teuer im Betrieb – heizen
aber am Ende trotzdem. Bei Wärmepumpen hingegen könne eine mangelhafte
Planung zu ungünstigen Ergebnissen führen. „Die Gefahr beim Einbau von
Wärmepumpen im unsanierten Bestand besteht darin, dass die Stromkosten in
kalten Wintern sehr stark steigen können, auch über die jetzigen Öl- und
Gaskosten hinaus“, sagt Weismann.
Man solle sich Fachbetriebe mit einem „breiten, gewerkeübergreifenden
Wissen suchen, da das Bauwerk als Ganzes betrachtet werden muss“, sagt
Weismann. Empfehlenswert sei ein unabhängiger Energieberater, der eine
Planung aufstellt, um zukünftige Sanierungsmaßnahmen aufeinander
abzustimmen, denn eine Wärmepumpe funktioniert am besten in einem sehr
effizienten Haus. Solch ein „individueller Sanierungsfahrplan“ könne bis zu
80 Prozent staatlich gefördert werden. Meistens sei es am besten, zuerst
die Gebäudehülle – Dach, Wände, Fenster, Keller – zu sanieren und dann d…
Heizanlage auf den viel niedrigeren Wärmebedarf abzustimmen. „[3][Sonst
baut man eine überdimensionierte und teure Heizung ein], die man nach der
Sanierung gar nicht benötigt“, so Weismann. Eine Wärmepumpe für ein
Einfamilienhaus von 130 Quadratmetern kann gerne 35.000 Euro kosten – wird
allerdings ebenfalls staatlich gefördert.
Wer ein unsaniertes Haus hat, könne schrittweise vorgehen: „Eine
Übergangslösung kann in bestimmten Fällen sein, dass man die Wärmepumpe als
Grundlast betreibt und im Winter die noch bestehende Öl- oder Gasheizung
als ‚Spitzenlastkessel‘ zusätzlich laufen lässt“, rät Weismann. Dann h…
man zwar zwei Systeme mit separater Wartung, man gewinne aber Zeit, die
Gebäudehülle zu sanieren.
## Mieter können sparen – und Thermostate kaufen
Mieter, deren Wohnung mit einer Gasheizung beheizt wird, „haben praktisch
keine Möglichkeit, das zu ändern“, sagt Martin Brandis, [4][Energieexperte
der Verbraucherzentrale Bundesverband], „sie können ja keine Investitionen
tätigen“. Wer seine Wohnung im Winter tendenziell stark heizt – also mehr
als 21 Grad – solle überlegen, [5][ob er die Heizung nicht wirklich
runterdrehen könne, sagt Brandis]. Wichtig: Räume, die tagsüber leer sind,
weil die Bewohner:innen nicht da sind, müssen nicht beheizt werden.
Dass das Aufheizen kalter Räume mehr Energie verschlingt, als sie konstant
erwärmt zu lassen, sei ein Mythos, sagt Brandis. Er rät zu programmierbaren
Thermostaten, die es im Baumarkt oder bisweilen im Discounter zu kaufen
gibt und die auf nahezu jeden Heizkörper mit Thermostat passen. Damit kann
die Raumtemperatur reguliert und, kurz vor Feierabend, wieder erhöht
werden.
Hilft eine kleine Photovoltaikanlage auf dem Balkon? „Einen Teil ihres
Strombedarfs können Mieter:innen damit decken“, sagt der Energieexperte,
„das ist empfehlenswert und sinnvoll.“ Aber in Sachen Heizen und Gassparen
helfe es nicht. „Um Solarthermie sinnvoll nutzen zu können, müssen die
Kollektoren an die zentrale Heizungsanlage angeschlossen werden.“ Das sei
für Mieter:innen schwierig. Sinnvoll könne auch sein,
Vermieter:innen auf die derzeit komfortable Förderung für den Einbau
von Wärmepumpen hinzuweisen.
Wer in einer Eigentumswohnung wohnt, hat mehr Möglichkeiten. „Hier hängt es
davon ab, was die Eigentümer verabredet haben“, sagt Brandis. Eine
Wärmepumpe setzt wegen der hohen Investitionssumme in den meisten
Eigentümergemeinschaften den Beschluss aller Eigentümer voraus. Für diesen
Winter dürfte das in vielen Fällen zu spät sein. Hier gilt der Hinweis für
die Mieter: runter mit der Temperatur.
## Letzte Rettung – Holzofen?
Für eine Wärmepumpe ist es zu spät, frieren will man trotzdem nicht – also
einfach einen Holzofen ins Wohnzimmer einbauen lassen? Dann ist es
wenigstens in einem Raum warm. „Keine gute Idee“, sagt Klaus Hennenberg,
der sich am Öko-Institut in Darmstadt mit der Treibhausgasbilanzierung von
Holz und Wäldern befasst. „[6][Luftschadstoffe wie Feinstaub und
Kohlenmonoxid sind bei Holzöfen höher als bei Gasbrennern] und die
Klimabilanz fällt auch nicht besser aus, wenn Holz aus dem Wald entnommen
wird“, sagt Hennenberg. Scheitholz aus dem Wald zu verbrennen, setze CO2
frei; ein Kubikmeter Holz hat etwa eine Tonne Kohlendioxid gebunden. Die
Senkenfunktion, die Holz etwa in Möbeln, als Bau-Rohstoff oder auf der
Waldfläche hat, geht mit der Verbrennung verloren.
Wer jetzt aus Angst vor dem Winter kurzfristig in einen Holzofen
investiert, schaffe also für die nächsten 20 Jahre eine nicht nachhaltige
Nachfrage nach dem Rohstoff Holz, warnt der Experte. Anders sehe es aus,
wenn schon ein Holzofen zusätzlich zur Gasheizung vorhanden sei. „Dann kann
man natürlich in diesem Winter mehr mit Holz heizen und dadurch Gas
sparen“, sagt Hennenberg. Auch wer mit dem Gedanken spiele, einen Holzofen
abzuschaffen, könne das verschieben. „In ein, zwei, drei Jahren ist die
Gaskrise hoffentlich vorbei“, sagt Hennenberg. Eine langfristige
Investition wie eine neue Heizung solle man nicht an diesem kurzen Zeitraum
ausrichten.
30 Jun 2022
## LINKS
[1] /Grosse-Nachfrage-nach-Waermepumpen/!5846879
[2] /Probleme-mit-der-Energiewende/!vn5814284
[3] /Klara-Geywitz-zur-Wohnungsnot/!5846177
[4] https://verbraucherzentrale-energieberatung.de/
[5] /Energiesparen-in-Deutschland/!5840784
[6] /Umweltbundesamt-zu-Feinstaub/!5834582
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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