# taz.de -- Umweltbundesamt zu Feinstaub: Kaminöfen an den Kragen | |
> Im Verkehr ist die Menge der Feinstaub-Emissionen gesunken. Doch um die | |
> WHO-Richtwerte einzuhalten, muss auch weniger Holz verheizt werden. | |
Bild: Sorgt für behagliche Wärme, aber dreckige Luft: ein Kaminofen | |
BERLIN taz | Wenn es um die Belastung der Atemluft mit | |
gesundheitsschädlichem Feinstaub und Stickoxid ging, stand in der | |
Vergangenheit stets der Verkehr im Mittelpunkt. Vor allem Dieselmotoren | |
produzierten die Schadstoffe in so großer Menge, dass die EU-Grenzwerte in | |
deutschen Innenstädten regelmäßig überschritten wurden. Bei Stickoxid | |
betraf das im Jahr 2010 über 70 Prozent der verkehrsnahen Messstellen. 2018 | |
waren es noch 40 Prozent. | |
Doch seitdem hat sich das Bild deutlich verändert: Im letzten Jahr wurde | |
der Stickoxid-Grenzwert nur noch an ein bis zwei Prozent der | |
innerstädtischen Messstationen überschritten, teilte das Umweltbundesamt | |
(UBA) am Donnerstag unter Berufung auf eine vorläufige Auswertung mit. | |
Ähnlich sieht die Entwicklung bei Feinstaub aus: Wurde der EU-Grenzwert für | |
Partikel mit einem Durchmesser von bis zu 10 Mikrometer im Tagesmittel im | |
Jahr 2011 im Jahr noch in über 40 Prozent der städtischen Messstellen | |
überschritten, kam das 2021 wie schon in den Vorjahren gar nicht mehr vor. | |
Grund für diese Entwicklungen sind vor allem Verbesserungen im | |
Verkehrssektor, erläuterte UBA-Präsident Dirk Messner. Zum einen sind die | |
Fahrzeuge sauberer geworden: Während alte Dieselfahrzeuge die ohnehin hohen | |
Grenzwerte für Stickoxid im Realbetrieb stets deutlich übertroffen haben, | |
halten neue Modelle die deutlich niedrigeren Grenzwerte inzwischen ein. | |
Entgegen den Behauptungen der Hersteller habe sich gezeigt: „Es ist | |
technisch umsetzbar“, sagte Messner. Zum anderen mussten Kommunen mit | |
besonders hohen Stickoxidwerten [1][nach Klagen von Umweltverbänden] | |
vielerorts Tempolimits oder Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge | |
erlassen. Der deutliche Rückgang der Feinstaub- und Stickoxid-Belastung | |
zeige, „dass mit geeigneten und konsequent umgesetzten | |
Luftreinhaltemaßnahmen viel zu erreichen ist“, sagte Messner. Allerdings | |
sei die weitgehende Einhaltung der EU-Grenzwerte kein Grund zur | |
Entspannung, denn diese gelten als veraltet. | |
Die [2][Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mittlerweile Richtwerte], die | |
nur etwa ein Viertel der aktuellen EU-Grenzwerte betragen. Legt man diese | |
zugrunde, liegen in Deutschland beim Stickoxid 78 Prozent der Messstationen | |
darüber; beim Feinstaub bis 10 Mikrometer sind es 40 Prozent und beim noch | |
feineren und damit noch gefährlicheren Feinstaub bis 2,5 Mikrometer fast | |
100 Prozent. | |
## Viele vorzeitige Todesfälle | |
Dass das Problem keineswegs gelöst ist, zeigen auch Zahlen der europäischen | |
Umweltagentur: Demnach gab es in Deutschland im Jahr 2019 knapp 54.000 | |
vorzeitige Todesfälle durch Feinstaubbelastung. Der Tod trat dabei im | |
Schnitt etwa zehn Jahre früher ein, als es ohne diese Belastung der Fall | |
gewesen wäre. Ob und wann diese WHO-Empfehlungen in Europa umgesetzt | |
werden, ist offen. | |
Die Deutsche Umwelthilfe, die in der Vergangenheit viele Klagen wegen der | |
überschrittenen Grenzwerte geführt hatte, drängte am Mittwoch zum Handeln: | |
Die Todeszahlen seien „ein klarer Auftrag an die Bundesregierung, die | |
Grenzwerte an die Empfehlungen der WHO anzupassen“, erklärte | |
Geschäftsführer Jürgen Resch. | |
Um weitere deutliche Verbesserungen der Luftqualität zu erreichen, müssen | |
nun neben dem Verkehr weitere Bereiche ihre Emissionen deutlich reduzieren. | |
Einen großen Beitrag werde das Vorziehen des Kohleausstiegs bringen, weil | |
fossile Kraftwerke auch eine wichtige Quelle für Stickoxid und Feinstaub | |
sind. | |
## Mehr Feinstaub aus Öfen als aus dem Auspuff | |
Doch auch beim heiß umstrittenen Thema Holzheizungen positioniert sich das | |
Umweltbundesamt jetzt neu: „Die belasten die Luftqualität beachtlich“, | |
sagte Messner zu den Kaminöfen, die sich immer stärkerer Beliebtheit | |
erfreuen. Insgesamt stoßen sie inzwischen mehr Feinstaub aus als die | |
Motoren der Autos. „Das Umweltbundesamt rät, dass wir zukünftig darauf | |
verzichten sollten, Holz zu verheizen“, sagte Messner. | |
Das würde eine deutliche Veränderung der Politik erfordern: Bisher werden | |
bestimmte Formen des Heizens mit Holz sogar noch staatlich gefördert, weil | |
dies im Vergleich zum Verheizen von fossilen Brennstoffen als | |
klimafreundlicher gilt. Damit soll es vorbei sein, wenn es nach dem UBA | |
geht: Es solle keine neuen Investitionen in Holzheizungen mehr geben, sagte | |
Messner. | |
Und auch für die bestehenden rund 11 Millionen Einzelraum-Öfen sind wohl | |
Veränderungen nötig: Langfristig sei bei der Holznutzung in privaten | |
Haushalten mindestens eine Halbierung erforderlich, hieß es in Messners | |
Präsentation. Weil Holzheizungen gerade im Grünen-Milieu beliebt sind, | |
dürften auf die zuständigen Grünen-Minister:innen Steffi Lemke und Robert | |
Habeck einige Konflikte zukommen. | |
10 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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