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# taz.de -- Energieberater über Wärmepumpen: „Fragen Sie doch mal die Nachb…
> Energieberater Günter Merkel arbeitet für die Verbraucherzentrale Berlin.
> Seit diesem Jahr haben alle Fragen zu Wärmepumpen – und teils Vorurteile.
taz: Herr Merkel, für welche Gebäude bietet sich eine Wärmepumpe an?
Günter Merkel: Grundsätzlich für alle. Besonders sinnvoll ist sie im
Neubau, weil wir heute sehr energieeffizient bauen. Das ist für jedes
Heizungssystem förderlich, aber es ist die ideale Voraussetzung für den
Betrieb einer Wärmepumpe.
Und die Technologie funktioniert unabhängig von der Größe des Gebäudes?
Da gibt es eigentlich keine Begrenzung. Vielleicht müssen wir nur selbst
ein bisschen größer denken, schließlich ist in 23 Jahren der absolute
Stichtag, bis zu dem wir aus der fossilen Verbrennung raus sein müssen.
Aber es gibt ja schon Vorbilder: Ikea betreibt an seinem Standort in
Lichtenberg die größte Wärmepumpen-Anlage Europas, dort wird die Wärme aus
Abwasser gezogen.
Lassen Sie uns über den Fall sprechen, mit dem Sie am häufigsten zu tun
haben werden: Die BewohnerInnen eines Ein- oder Zweifamilienhauses wollen
sich von ihrer alten Öl- oder Gasheizung trennen und denken über eine
Wärmepumpe nach. Was müssen die beachten?
Es gibt ein paar wenige grundsätzliche Einschränkungen: Zum Beispiel dürfen
Sie in einem Wasserschutzgebiet keine Erdwärmepumpe in den Boden
einbringen. Sonst gibt es eigentlich keine großen technischen Hürden.
Wärmepumpen können heute schon bis zu 75° Grad Vorlauftemperatur erzeugen,
und damit kann ich fast jedes Haus beheizen.
Aber wenn man das Gebäude nur mit einer höheren Vorlauftemperatur warm
bekommt – sprich: wenn man keine Fußbodenheizung, sondern Heizkörper hat –
dann ist eine Wärmepumpe ineffizient, oder?
Nein, eben nicht. Sie finden solche Aussagen im Internet, aber die sind
schlicht und einfach falsch. Bei Laien kann ich verstehen, dass das
Fachwissen fehlt, aber auch Leute, die es eigentlich wissen müssten,
verbreiten solche Fehlinformationen: dass eine Wärmepumpe nur im Neubau
funktioniert, dass 35° Grad die maximale Vorlauftemperatur ist oder dass
die Energiekosten exorbitant sind. [1][Zum Glück leistet das
Fraunhofer-Institut hier gute Aufklärungsarbeit] und hat viele Bedenken als
Vorurteile entlarvt. Die haben fünf Jahre lang reale [2][Wärmepumpen in
unterschiedlichen Gebäuden beobachtet und ausgewertet].
Aber schon aus Gründen der Logik ist doch die Effizienz höher, wenn das
Wasser, das durch die Heizkörper fließt, nicht so heiß sein muss?
Natürlich, aber das ist bei jeder Heizungsanlage so. Je höher die
benötigten Systemtemperaturen, desto geringer die Effizienz des
Wärmeerzeugers, um mal den technischen Begriff zu verwenden. Ganz klar
also, dass wir auf die Vorlauftemperatur und auch auf den Energieverbrauch
des Gebäudes schauen. Das sind die beiden entscheidenden Kriterien. Darüber
hinaus ist zum Beispiel komplett egal, welches Baualter das Haus hat. Und
dass der vielbesagte Heizstab …
… die interne Vorrichtung einer Wärmepumpe, mit der elektrisch zugeheizt
wird, wenn die Leistung der Wärmepumpe doch mal nicht ausreicht …
… dass der im Winter im Dauerbetrieb ist und dadurch die Stromrechnung
durch die Decke geht – auch das ist laut Fraunhofer-Institut ein Vorurteil:
In Wirklichkeit beträgt der Anteil des Heizstabs an der jährlichen
Wärmeproduktion einer Luft-Wasser-Wärmepumpe unter zwei Prozent. Das ist im
Prinzip irrelevant.
Und wie finde ich heraus, ob mein Haus nicht doch zu miserabel gedämmt ist
oder die Heizkörper nicht passen?
Indem Sie schon mit der alten Heizungsanlage den Praxistest machen: Sie
stellen sie so ein, dass an einem richtig kalten Wintertag bei 15 Grad
minus maximal 50 Grad Vorlauftemperatur erreicht werden. Wenn die Bude
dabei noch behaglich warm bleibt, wissen Sie, dass Sie eine Wärmepumpe
energieeffizient betreiben können. Das Prinzip lässt sich auch auf weniger
kalte Tage übertragen. Wenn es nur in einigen Räumen nicht funktioniert,
ist das ein Hinweis darauf, dass dort die Heizkörper zu klein sind. Diese
„kritischen Heizkörper“ sollten dann ausgetauscht werden. In der Regel sind
das nie mehr als drei oder vier.
Was, wenn es überhaupt nicht klappt?
Dann können wir eine Wärmepumpe nur bedingt empfehlen. Wobei der Betrieb
selbst dann noch effizienter ist als bei einer Verbrennung. Denn bei Öl,
Gas oder Holz ist das Verhältnis unter Idealbedingungen höchstens eins zu
eins: Eine Kilowattstunde Gas, Öl oder Holz ergibt eine Kilowattstunde
Wärme. Total ineffizient im Vergleich zu einer Wärmepumpe, wo wir ein
Verhältnis von 1:3 anstreben, bei Erdwärmepumpen sogar 1:4. Ich setze also
eine Kilowattstunde elektrische Energie ein und bekomme drei oder vier
Kilowattstunden Wärmeenergie heraus. Das ist die Gegenwart und Zukunft! Wir
werden komplett aus der Verbrennung rausgehen – von fossilen Brennstoffen
sowieso, aber auch von Holz. Das ist heute noch als regenerativer
Brennstoff definiert, aber Verbrennen ist wirklich das Ungünstigste, was
man damit machen kann. Und es erzeugt jede Menge Feinstaub.
Wenn ich mich für eine Wärmepumpe entschieden habe: Finde ich gerade
überhaupt jemanden, der mir die installiert?
Die hohe Nachfrage ist im Augenblick tatsächlich ein Problem. Seit mit dem
Beginn des Ukrainekrieges die fossilen Brennstoffe exorbitant teuer
geworden sind, rennen uns die Leute die Bude ein. Vorher haben sie immer
nach dem Preis gefragt und waren oft von der relativ hohen
Anfangsinvestition abgeschreckt. Der wirtschaftliche Aspekt, die Ersparnis,
war da noch kein Thema. Jetzt ist das natürlich völlig anders, jetzt sparen
Sie mit einer Wärmepumpe jede Menge Energiekosten.
Wie hoch ist denn die se Anfangsi nvestition für ein Einfamilienhaus?
Im Fall einer Luft-Wasser-Wärmepumpe rechnen wir bei der
Verbraucherzentrale mit durchschnittlichen Investitionskosten von 24.000
Euro. In letzter Zeit werden Interessierte allerdings auch mit viel höheren
Preisen konfrontiert. Manchmal sind da allerdings schon Umbaumaßnahmen
eingepreist oder der Einbau sogenannter Niedertemperatur-Heizkörper mit
eingebautem Ventilator. Wie gesagt: Wir raten zum kostenlosen Praxistest,
bevor man seine ganzen Heizkörper rausreißt.
Gibt es staatliche Förderung für Wärmepumpen?
Wenn Sie eine Kohle- oder Ölheizung, aber auch Nachtspeicheröfen
austauschen, kriegen Sie vom Bund 35 Prozent des Preises einer
Luft-Wasser-Wärmepumpe. Dasselbe gilt beim Austausch einer Gasheizung, wenn
die über 20 Jahre alt ist – sonst sind es nur 25 Prozent. Bei einer
Gas-Etagenheizung in einer Wohnung gelten übrigens immer 35 % Förderung.
Wenn die Wärmepumpe die Erdwärme oder das Grundwasser als Wärmequelle
nutzt, gibt es noch 5 % Förderung. Wobei in unserer Region Grundwasser
nicht in Frage kommt, weil es zu eisenhaltig ist. Das Beste ist: Auch das
Land Berlin fördert den Tausch, Sie können das addieren und zusammen auf
bis zu 60 Prozent Förderung kommen.
Man kann Wärmepumpen jetzt auch leasen. Was halten Sie davon?
Ich persönlich empfehle das gar nicht. Sie haben zwar nicht die hohe
Investitionssumme am Anfang, aber die Laufzeiten sind lang, und am Ende
zahlen Sie in der Regel drauf. Die Unternehmen, die das anbieten, wollen
damit ja nicht uns oder dem Klimaschutz einen Gefallen tun – die wollen
etwas verdienen, das ist ein Geschäftsmodell. Es gibt dann auch Lockmittel
wie All-inclusive-Versprechen, „Wir machen Reparatur, Wartung, alles mit
drin!“ Der Witz ist: Eine Wärmepumpe braucht so gut wie keine Wartung. Wir
haben doch alle mit Kühlschrank und Gefriertruhe schon Wärmepumpen im
Haushalt, da kommt auch keiner zur Inspektion vorbei.
Ein bisschen größer ist so eine Wärmepumpe zur Gebäudeheizung aber schon.
Natürlich, da gibt es auch noch das Wärmeverteilsystem, da muss man etwa
drauf achten, dass der hydraulische Druck nicht zu sehr absinkt. Aber das
kann der engagierte Eigentümer bei einem funktionierenden System selber
machen, da reicht ab und zu ein Blick aufs Manometer. Ich hatte letztens
den Fall von einem Installateur im Berliner Umland, der für eine jährliche
Wartung 400 Euro kassierte – dabei hatte der nicht mal hohe Anfahrtskosten.
Das ist eine Unverschämtheit, aber da entsteht eben gerade ein neuer Markt,
und es springen Firmen drauf, die ordentlich mitverdienen wollen.
Wie kann ich sichergehen, eine vertrauenswürdige Firma zu finden?
Ganz einfach ist das nicht, da müssen Sie aufpassen. Manche Installateure
haben bereits Wärmepumpen eingebaut und können das, aber manch andere in
Berlin und Brandenburg sind überfordert, die haben nur Erfahrung mit Öl und
Gas. Dass man sich als Fachunternehmer da nicht weiterbildet, kann ich
höchstens bei jemandem nachvollziehen, der kurz vor der Rente steht.
Aber welche Tipps geben Sie dann für die Suche?
Ich sage den Leuten immer: Holen Sie sich Meinungen ein, hören Sie sich um.
Fragen Sie mal Ihren Installateur oder den Schornsteinfeger. Und jetzt
sieht man ja immer häufiger Wärmepumpen an Gebäuden, fragen Sie doch
einfach mal diese Nachbarn nach ihren Erfahrungen. Wer hat die eingebaut,
wie läuft die, sind Sie zufrieden? [3][Fragen Sie bei der
Verbraucherzentrale nach.] Und schlafen Sie vor einer endgültigen
Entscheidung mindestens drei Nächte drüber.
24 Nov 2022
## LINKS
[1] https://www.ise.fraunhofer.de/de/forschungsprojekte/wpsmart-im-bestand.html
[2] https://www.youtube.com/watch?v=7Fb4xeCRIZI
[3] https://www.verbraucherzentrale-berlin.de/energie/energieberatung-15614
## AUTOREN
Claudius Prößer
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