| # taz.de -- Koalitionsvertrag im Faktencheck: Wie sozial ist Schwarz-Grün? | |
| > Die Pläne für Soziales von Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein werden | |
| > scharf kritisiert. Nicht alle Vorwürfe treffen zu – Luft nach oben gäbe | |
| > es aber. | |
| Bild: Noch kein Konzept zur Armutsbekämpfung: Ministerpräsident Daniel Günth… | |
| Bremen taz | Die Kritik war harsch: Im Bereich Sozialpolitik sei der | |
| Koalitionsvertrag „einfach blank“, sagte der Spitzenkandidat der | |
| schleswig-holsteinischen SPD, Thomas Losse-Müller in einem Pressegespräch. | |
| „Da ist nix. Das Soziale spielt bei Schwarz-Grün keine Rolle.“ | |
| Die Sozialverbände äußerten sich differenzierter, die Kritik bleibt | |
| trotzdem: Das, was Schwarz-Grün anzubieten habe, sei zu wenig, und [1][vor | |
| allem: Zu unkonkret]. „Es werden eine Menge wichtige Themen angeschnitten“, | |
| so Michael Saitner, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der | |
| Sozialverbände in Schleswig-Holstein. „Aber uns fehlt oft, wie man diese | |
| Ziele verwirklichen will.“ | |
| Angesprochen fühlen muss sich von dieser Kritik vor allem Aminata Touré, | |
| [2][Spitzenkandidatin der Grünen im Landtagswahlkampf,] Verhandlerin für | |
| die Grünen im Team Soziales und, davon kann man ausgehen, designierte | |
| Sozialministerin. Touré widerspricht deutlich: „Sehr zufrieden“ sei sie mit | |
| dem Verhandlungsergebnis. Routiniert zählt sie einige soziale Erfolge des | |
| Koalitionsvertrags auf: mehr Frauenhausplätze, mehr frühkindliche Bildung, | |
| mehr Gleichstellung, gerechtere Gesundheitsversorgung. | |
| Da lohnt ein Faktencheck des Koalitionsvertrags. Auf den ersten Blick ist | |
| das Thema tatsächlich dünn besetzt: die Unterpunkte „Soziales“ und | |
| „Familie, Kinder, Jugend und Senioren“ füllen nur vier Seiten – von | |
| insgesamt 244. In dem kurzen Textstück steht nur wenig Konkretes: Die | |
| soziale Balance wolle man herstellen und ausgeglichene Lebensverhältnisse | |
| in Stadt und Land schaffen. Nur wer weiterliest, sieht: Sozialpolitik | |
| findet sich als Querschnittsthema immer wieder in anderen Kapiteln des | |
| Vertrags wieder. | |
| ## Die Vorwürfe sind teils falsch | |
| Die SPD hat für den Koalitionsvertrag die Bezeichnung „Wohlfühlpopulismus“ | |
| gewählt. Populistisch ist jedoch auch die Kritik von | |
| SPD-Frakionsvorsitzendem Thomas Losse-Müller: Es gebe mehr Seiten zu | |
| „Bienen“, als zu „Behinderten“, zitiert er ungenannte Sozialverbände. … | |
| ist schlicht falsch: Tatsächlich kommt das Wort „Behinderung“ 32 mal vor, | |
| dazu 23 mal „Inklusion“, das Wort „Bienen“ gibt es viermal. | |
| Konkret sind etwa ein Förderprogramm für barrierefreien Wohnraum geplant, | |
| mehr Heilpädagog*innen in den Kitas und eine aktive Arbeitsmarktpolitik | |
| für Menschen mit Behinderung; neben Werkstattarbeit sollen neue | |
| Arbeitsmodelle erprobt werden. | |
| Saitner fehlen im Koalitionsvertrag Lösungsvorschläge zum Fachkräftemangel | |
| im Sozialbereich. Doch der Vorwurf trifft nicht: Es tauchen mehrere | |
| konkrete Maßnahmen auf. Die Zahl der Ausbildungsplätze an den Fachschulen | |
| für Sozialpädagogik soll erhöht werden; für Erzieher*innen in der | |
| Ausbildung ist eine Ausbildungsvergütung geplant; und ein | |
| Personalergänzungsfonds soll Kitas helfen, bei akutem Fachkräftemangel | |
| schnell entlastendes Personal etwa für Verwaltungsaufgaben einzustellen. | |
| Außerdem, das hebt Touré als besonderen Erfolg hervor, sollen ausländische | |
| Berufsabschlüsse leichter anerkannt werden – die Ausländerbehörden werden | |
| außerdem explizit aufgefordert, ihren Klient*innen keine Arbeitsverbote | |
| aufzuerlegen. | |
| ## Strukturelle Pläne gegen Armut muss man suchen | |
| Etwas dünn bleibt der Vertrag bei der Armutsbekämpfung: Unfreiwillig hatte | |
| der CDU-Abgeordnete Werner Kalinka ein Licht darauf geworfen, als er in | |
| einem Pressestatement nur ein einziges Argument nannte, um die | |
| Sozialpolitik des Vertrags zu verteidigen: Die neue Landesregierung wolle | |
| die Tafeln unterstützen. „Es kann doch nicht die Lösung sein, einfach die | |
| Almosen-Institutionen zu verbessern“, sagt Saitner dazu. | |
| Doch strukturelle Maßnahmen gegen Armut fehlen weitgehend. Ein großer Teil | |
| der Sozialpolitik findet auf Bundesebene statt, die Möglichkeiten sind | |
| daher beschränkt – aber auch die vorhandenen Spielräume werden nicht | |
| genutzt: 2018 hat Schleswig-Holstein seinen Landesmindestlohn abgeschafft, | |
| der Bundesmindestlohn sei hoch genug. | |
| Das rot-grün-rot regierte Bremen im Vergleich hat anders reagiert: | |
| Mittlerweile ist der dortige Mindestlohn für Beschäftigte des Landes und | |
| assoziierter Unternehmen auf 12,29 Euro angehoben worden. Auch bei der | |
| Sozialhilfe führt der direkte Vergleich weiter: Bremen begrenzt die | |
| Sanktionen durch Jobcenter; in Schleswig-Holstein schweigt sich der | |
| Koalitionsvertrag dazu aus. | |
| ## In der Wohnungspolitik fehlt ein Wahlversprechen | |
| Und in der Wohnungspolitik? Dort fehlt die Mietpreisbremse – obwohl sich | |
| die Grünen im Wahlkampf [3][für deren Wiedereinführung ausgesprochen] | |
| hatten. „Wir haben vier von fünf möglichen wohnungspolitischen Maßnahmen | |
| aufgenommen“, verteidigt Touré den Koalitionsvertrag und zählt unter | |
| anderem die Kappungsgrenzenverordnung auf. | |
| Das Problem: Laut einer Stellungnahme des Paritätischen funktionieren die | |
| Instrumente [4][nur in Kombination] – ohne Kappungsgrenzenverordnung, die | |
| Bestandsmieten begrenzt, wirkt eine Mietpreisbremse, die vor allem auf | |
| Neuvermietungen abzielt, nicht – und umgekehrt. | |
| Einen echten Angriffspunkt hat sich die neue Landesregierung mit dem neuen | |
| Ministerienzuschnitt eingehandelt: Die Gesundheitspolitik spielt in Zukunft | |
| nicht mehr im Sozialressort, wo der Bereich Pflege angesiedelt ist – | |
| sondern wird mit dem Justizministerium zusammengepackt. „Da geht es | |
| offenbar mehr um Posten und Pöstchen“, kritisiert Losse-Müller. | |
| 27 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lotta Drügemöller | |
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