# taz.de -- Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein: Schwarz-Grün prüft erst … | |
> Die neue Landesregierung in Kiel hat sich viel vorgenommen. Aber zur | |
> ersten Sitzung des neuen Landtags gibt es auch Kritik am | |
> Koalitionsvertrag. | |
Bild: Muss sich nach Ansicht der FDP selbst noch sortieren: schwarz-grüne Koal… | |
KIEL taz | Klimaneutralität bis 2040, Kinderrechte in die Verfassung, | |
Bekenntnisse zum Windkraftausbau und neuen Straßen und zu mehr Personal für | |
die Kitas und die Polizei. Auf 244 Seiten beschreibt [1][der | |
Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen in Schleswig-Holstein] die | |
„Visionen beider Parteien“, so die Finanzministerin und | |
Vize-Ministerpräsidentin Monika Heinold (Grüne) am Donnerstag im Landtag. | |
Aber was genau bedeuten diese Visionen, und lassen sie sich umsetzen? Die | |
Opposition, aber auch zahlreiche Interessengruppen im Land, haben Zweifel. | |
Ausgeräumt wurden die bei der ersten Sitzung des neuen Landtags nicht. | |
Von „Wohlfühlpopulismus“ hatte Oppositionsführer und SPD-Fraktionschef | |
Thomas Losse-Müller bereits kurz nach der Vorstellung des | |
Koalitionsvertrags gesprochen, im Landtag erklärte er, was er damit meinte: | |
Die Ideen klängen gut, aber „vieles, was Sie vorschlagen, ist nicht | |
finanzierbar“, sagte er in Richtung der Regierungsbank, auf der | |
Ministerpräsident Daniel Günther krankheitsbedingt fehlte. „Sie kündigen | |
an, aber Sie machen nicht.“ | |
Für die Grünen wies der neue Fraktionsvorsitzende Lasse Petersdotter die | |
Kritik zurück: Die SPD habe nur Minuten gebraucht, um nach der | |
Veröffentlichung des Koalitionsvertrages eine erste Meldung loszuschicken. | |
„Da sind Sie offenbar mit der Suchfunktion über den Text und haben einzelne | |
Punkte herausgepickt, statt zu lesen.“ Vor dem Land läge eine | |
„Herkulesaufgabe, die den Fleiß eines Sisyphos braucht“. Der Vertrag als | |
Grundlage dafür sei von vielen Beteiligten ausführlich und solide | |
verhandelt worden. | |
## Regierungserklärung erst nach der Sommerpause | |
Aber beim Lesen des Dokuments fällt ein Wort besonders auf: „prüfen“. Auf | |
123 der 244 Seiten findet sich der Begriff, er sei geradezu das | |
„Lieblingswort“ der Schwarz-Grünen, findet Christoph Vogt, Fraktionschef | |
der FDP, die bis zur Wahl mit CDU und Grünen eine Jamaika-Koalition | |
bildete. | |
Vogt vermisst eine Regierungserklärung, die Günther erst nach der | |
Sommerpause halten will. „Erst dachte ich, das sei die ‚Arroganz der Macht�… | |
der neuen grünen Groko“, sagte Vogt. „Nachdem ich mich durch den | |
Koalitionsvertrag gequält habe, glaube ich, dass die Regierung ihr | |
Arbeitsprogramm durchaus erst mal sortieren muss.“ Denn trotz aller | |
Ausführlichkeit bliebe der Vertrag „bei den wichtigen Themen oft seltsam | |
vage“. | |
Das sehen auch Interessengruppen so, [2][etwa die Wohlfahrtsverbände]: | |
„Anstatt auf gefühlt jeder zweiten Seite den Begriff der Inklusion zu | |
streuen, wäre es überzeugender gewesen, an konkreten Stellen diesen Begriff | |
mit Inhalt zu füllen“, so Michael Saitner, aktuell Vorsitzender der | |
Landesarbeitsgemeinschaft. Er hofft auf baldige Gespräche, die mehr | |
Antworten bringen: „Politik ist, wenn’s konkret wird.“ | |
Gemecker kommt auch vom ADFC, der [3][trotz aller Bekenntnisse zu Bus, Bahn | |
und Rad] keinen „Fahrplan für die Mobilitätswende“ erkennen kann: „Wich… | |
Aspekte werden angesprochen, aber bei der Umsetzung bleibt es an vielen | |
Stellen noch sehr unkonkret“, sagt Jan Voß, Landesgeschäftsführer des | |
Fahrrad-Clubs. So fehlten relevante Kennzahlen zu Personal, Fördermitteln | |
oder Zeitplänen: „Es bleiben viele Fragezeichen.“ | |
In dieselbe Kerbe schlägt der Verkehrsclub VCD. Trotz guter Impulse gebe es | |
auch „Bekenntnisse zum Bau neuer Autobahnen wie der A20, die kein Stück | |
dabei helfen, die Klimaziele zu erreichen“, sagt VCD-Vorstandsmitglied Maik | |
Kristen. „Es fehlt offensichtlich an einer Vision, wie moderne | |
Mobilitätspolitik in Schleswig-Holstein aussehen kann.“ | |
Nicole Knudsen vom Verein pflegender Angehöriger fürchtet, dass | |
„ausgerechnet die Pflege keinen Stellenwert in der neuen Landesregierung | |
hat“. Denn durch die Aufteilung der Bereiche Soziales und Gesundheit, die | |
dem Justizministerium zugeschlagen wird, sei künftig die „fachliche | |
Auseinandersetzung mit dem Thema nicht mehr gewährleistet“. | |
Lars Harms von der Minderheitenpartei SSW stellt sich an vielen Punkten die | |
Frage, was bei manchen Sätzen gemeint sei: „Das wissen wir ja nicht, wir | |
waren bei den Verhandlungen nicht dabei.“ | |
## Klimaneutrales Industrieland | |
Einen dieser Punkte beleuchtete Tobias Koch, Fraktionschef der CDU. Das | |
„erste klimaneutrale Industrieland“ will Schleswig-Holstein werden – das | |
meint aus Sicht der CDU, zunächst einmal mehr Betriebe in die Region zu | |
holen. „Wir brauchen beides: einen ambitionierten Ausbau der erneuerbaren | |
Energien und gleichzeitig eine Ansiedlungsstrategie, um Schleswig-Holstein | |
zum Industrieland zu machen“, so Koch im Landtag. | |
Aus diesem Grund habe sich die CDU für die Grünen als Partner entschieden, | |
„denn diese Konstellation bringe beide Pole zusammen und sorgt gleichzeitig | |
für die gesellschaftliche Akzeptanz, um diesen Weg zu gehen“. | |
Auf die Frage der Opposition, wie genau das geschehen soll, erklärt Monika | |
Heinold, der Vertrag sei zwischen den Parteien geschlossen, die Regierung | |
werde daraus ein Arbeitsprogramm erstellen. Das bedeutet, dass Opposition | |
und Öffentlichkeit wohl noch eine Weile warten müssen, bis es konkreter | |
wird. | |
1 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Schwarz-gruene-Koalitionen/!5860728 | |
[2] /Fachkraefte-Mangel-in-Schleswig-Holstein/!5848624 | |
[3] /Wahlkampf-in-Schleswig-Holstein/!5852723 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
## TAGS | |
CDU Schleswig-Holstein | |
Grüne Schleswig-Holstein | |
SPD Schleswig-Holstein | |
FDP Schleswig-Holstein | |
Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2022 | |
CDU Schleswig-Holstein | |
Grüne Schleswig-Holstein | |
Aminata Touré | |
Moor | |
Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2022 | |
Landwirtschaft | |
Grüne Schleswig-Holstein | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Direkte Demokratie in Schleswig-Holstein: Kläuselchen statt Klausel | |
Die Generalklausel in Schleswig-Holstein ist vom Tisch. Mit ihr wollte sich | |
Schwarz/Grün ein Veto-Recht gegen kommunale Bürgerbegehren einräumen. | |
Grüner Vorsitz in Schleswig-Holstein: Er will die Grünen diverser machen | |
Gazi Freitag ist Geschäftsführer der Kieler Grünen und bewirbt sich als | |
Landesvorsitzender. Dabei setzt er vor allem auf soziale Themen. | |
Aminata Touré über ihren neuen Job: „Regierung ist für alle zuständig“ | |
Aminata Touré die nicht nur neue Sozialministerin in Schleswig-Holstein, | |
sondern die erste deutsche Schwarze Landesministerin überhaupt. | |
Urteil zur A 20 in Niedersachsen: Autobahnbau im Moor gestoppt | |
Wegen Verfahrensfehlern darf das erste Stück der A20 nicht gebaut werden. | |
Dass Moore zerstört würden, sei allerdings kein Grund, den Neubau | |
abzusagen. | |
Landtagswahl in Schleswig-Holstein: Viele Premieren an der Förde | |
Die Kieler Regierung ist vereidigt. Es gibt eine Ministerin mit | |
afrikanischen Wurzeln, auch ein Däne sitzt im Kabinett. | |
Ministerien-Zuschnitt von Schwarz-Grün: Männerstreit vorprogrammiert | |
In Schleswig-Holstein gibt es künftig wieder getrennte Ministerien für | |
Landwirtschaft und Umwelt: Das dürfte die Umweltpolitik der Grünen bremsen. | |
Koalitionsvertrag im Faktencheck: Wie sozial ist Schwarz-Grün? | |
Die Pläne für Soziales von Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein werden scharf | |
kritisiert. Nicht alle Vorwürfe treffen zu – Luft nach oben gäbe es aber. |