| # taz.de -- Black Communities Zentrum: „Ein Zuhause für Schwarzes Leben“ | |
| > Mit dem Geld für ein Black Communities Zentrum bringt Berlin das | |
| > Empowerment von Schwarzen Menschen voran, lobt Daniel Gyamerah vom Verein | |
| > EOTO. | |
| Bild: Für das Black Communities Zentrum will EOTO seinen jetzigen Sitz ausbauen | |
| taz: Herr Gyamerah, Ihr Verein Each One Teach One (EOTO) träumt seit Langem | |
| von einem Schwarzen Communities Zentrum in Berlin. Nun hat der | |
| Hauptausschuss dafür [1][3,65 Millionen Euro im nächsten Doppelhaushalt] | |
| gebilligt. Haben Sie damit gerechnet? | |
| Daniel Gyamerah: Sagen wir so: Es gab hier und da ein Signal in den letzten | |
| Wochen. Und im Koalitionsvertrag von Rot-Grün-Rot wird das Projekt erwähnt, | |
| auch der Bund will ein solches Zentrum grundsätzlich unterstützen. Trotzdem | |
| war die Nachricht aus Berlin eine freudige Überraschung – aber wir müssen | |
| natürlich abwarten, bis das Abgeordnetenhaus den Haushalt auch | |
| verabschiedet. | |
| Was hat man sich unter einem Black Community Zentrum vorzustellen? | |
| Da muss ich ein bisschen ausholen: Wir als EOTO haben ja zusammen mit | |
| [2][Citizens For Europe im vorigen Jahr den Afrozensus] veröffentlicht. Das | |
| war die größte Befragung unter Schwarzen, afrikanischen und | |
| afrodiasporischen Menschen, etwa 6.000 haben daran in Deutschland | |
| teilgenommen. Ein [3][zentrales Ergebnis war, dass Anti-Schwarzer Rassismus | |
| sehr spezifisch wirkt] und es deshalb spezifische Maßnahmen braucht. Ein | |
| Fokus muss dabei auf Empowerment von unseren Communities liegen. Und genau | |
| das soll mit einem Schwarzen Zentrum, besser: mit vielen solcher Zentren, | |
| passieren. Das Schwarze Communities Zentrum ist in diesem Sinne ein Ort, | |
| der Zuhause sein kann für Schwarzes Leben in Berlin, aber auch | |
| deutschlandweit. | |
| Es ist also in erster Linie ein Treffpunkt? | |
| Das ist ein ganz wichtiger Bestandteil von Community Building, aber im Kern | |
| wollen wir dort vor allem fachliche Arbeit machen. Es soll weiter die | |
| Beratungsstelle zu Anti-Schwarzem Rassismus geben, und [4][unsere | |
| Bibliothek soll mehr Raum bekommen]. Wir wollen auch möglichst viel | |
| Gemeinschaftsflächen, Workshop-Räume, einen modularen Veranstaltungsraum. | |
| Diese Bereiche sollen Initiativen nutzen können, aber auch größere | |
| Organisationen, die deutschlandweite Konferenzen umsetzen möchten. Und es | |
| soll natürlich möglichst viele Räume geben, wo andere Schwarze | |
| Organisationen und Vereine ihre Arbeit fortführen. | |
| Wo soll das alles stattfinden? | |
| Wir wollen, wenn alles klappt, das ganze Gebäudeensemble am bisherigen | |
| Standort von EOTO in der Togostraße in Wedding kaufen. Die Remise im | |
| Hinterhof soll das Herzstück des Zentrums werden, wo unterschiedliche | |
| Akteur*innen ihre Angebote machen können. Zum Projekt gehört auch ein | |
| Umbau, das Ganze soll nämlich möglichst barrierearm werden. Dafür haben wir | |
| bereits Lottomittel in Aussicht gestellt bekommen. | |
| Sie sitzen im sogenannten Afrikanischen Viertel. Wie wirken Sie in den Kiez | |
| hinein? | |
| Es ist ja ein Kiez, der nicht nur Afrikanisches Viertel heißt, hier leben | |
| tatsächlich viele Schwarze Menschen – und es ist schön, dass wir mit dem | |
| Zentrum dem Narrativ des Viertels und seiner kolonialen Vergangenheit eine | |
| neue Wendung geben. Von den Vereinen und Initiativen, die das Zentrum mit | |
| Leben füllen werden, sind manche mit ihrem Thema eher in der Nachbarschaft | |
| unterwegs, manche auf Berlin-Ebene, manche auch deutschland- und | |
| europaweit. Diese verschiedenen Ebenen zusammenzubringen ist ein zentrales | |
| Ziel. | |
| An wen richtet sich das Zentrum in erster Linie? | |
| Es wird sein wie schon jetzt bei unserer Arbeit, dass wir | |
| unterschiedlichste Veranstaltungen für unterschiedliche Zielgruppen machen. | |
| Aber die Überschrift über dem Ganzen ist schon „Von uns, für uns“: Wir | |
| wollen uns selbst verwalten, unsere interne Arbeit und Netzwerke stärken, | |
| um dadurch auch wieder stärker in die Gesellschaft wirken und mitmachen zu | |
| können. | |
| Der Senat wolle mit der Unterstützung des Zentrums auch einen Beitrag | |
| leisten zur [5][UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft], hieß es von | |
| der Koalition. | |
| Die UN-Dekade ist der internationale Rahmen: Die Mitgliedstaaten der UN | |
| haben beschlossen, eine Dekade lang die Menschenrechte von Schwarzen | |
| Menschen zu stärken und Programme zu starten, um ihr Leben zu verbessern. | |
| Aber wie so oft passiert dann meist nicht viel. Berlin ist zumindest eines | |
| der wenigen Bundesländer, wo es tatsächlich Konsultationen gegeben hat. Die | |
| große Frage ist, welche weitere Bausteine das Land Berlin neben einem | |
| Communities-Zentrum fördern wird, um auch hier das Leben von Schwarzen | |
| Menschen konkret zu verbessern. | |
| Was sollte das Land noch machen? | |
| Ganz klar ist für uns, dass es endlich Black Studies an einer Berliner | |
| Hochschule geben muss. Berlin ist die europäische Hauptstadt, die eine | |
| zentrale Funktion in Zeiten der Kolonialherrschaft hatte, weil hier der | |
| afrikanische Kontinent aufgeteilt wurde – und wir haben nicht einen | |
| Black-Studies-Lehrstuhl in ganz Deutschland. | |
| Keinen einzigen? | |
| Nein! Es gibt einzelne Akteur*innen, die etwas geschafft haben, wie | |
| Professorin Maisha-Maureen Eggers, die verschiedentlich Gastprofessorin in | |
| Berlin war und aktuell die Audre Lorde-Gastprofessur des | |
| Diversitäts-Netzwerks der Berlin University Alliance innehat. Andere wie | |
| Prof. Vanessa Thompson wurden leider kürzlich nach Kanada abgeworben. Aber | |
| es gibt keinen expliziten Black-Studies-Lehrstuhl – und da würde ich das | |
| Land Berlin in der Verantwortung sehen, aber auch den Bund. | |
| Wieso den? | |
| Weil wir insgesamt eine neue Infrastrukturpolitik brauchen. Wir brauchen | |
| als Gesellschaft nicht nur eine digitale Transformation, eine ökologische | |
| Transformation, wir brauchen auch eine strukturelle Transformation im | |
| Bereich Antidiskriminierung und Empowerment. Da reicht nicht ein Zentrum, | |
| da braucht es viele Zentren für viele Communities: für die | |
| Sinti-und-Roma-Communities, für LGBTI-Communities – und in Berlin muss es | |
| die eigentlich auch in unterschiedlichen Bezirken geben. Es gibt zum | |
| Beispiel queere Jugendliche, die können nicht durch ganz Berlin reisen und | |
| überall hingehen. Da braucht es Maßnahmen, damit diese Communities auch | |
| dort, wo sie leben, jeweils ein Zuhause haben. Hier muss Berlin noch mal | |
| nachlegen – zumal man jetzt mit dem Zentrum die Latte für den eigenen | |
| Anspruch hochgelegt hat. | |
| Ist das nicht ein bisschen viel verlangt, dass jede diskriminierte | |
| Minderheit in jedem Bezirk ihr eigenes Zentrum bekommen muss? | |
| Es geht nicht darum, dass in jedem Kiez fünfstöckige Gebäude für Vereine | |
| hochgezogen werden. Es geht darum, auf der politischen Ebene von dieser | |
| Projektlogik wegzukommen, die immer nur temporär unterstützt, hin zu einer | |
| Infrastrukturlogik. Gruppen müssen selbst bestimmen können, was sie | |
| brauchen – und dafür muss es Räume geben. Diese Raum- oder Mietenfrage, die | |
| ja auch gesamtgesellschaftlich gerade sehr diskutiert wird, betrifft | |
| marginalisierte Communities in ganz besonderer Art und Weise. Das muss von | |
| der Politik mitgedacht werden. | |
| Denken Sie, das Black Community Zentrum wird über Berlin hinausStrahlkraft | |
| haben? | |
| Da sind wir uns sogar ziemlich sicher. Es gibt zwar europaweitzahlreiche | |
| Schwarze Initiative und Vereine und auch einigeCommunity-Zentren – aber ich | |
| kenne keines, bei dem die öffentliche Hand so umfassend in die finanzielle | |
| Verantwortung geht und das Zentrum tatsächlich in zivilgesellschaftlicher | |
| Hand ist, so wie es bei uns sein wird, wenn alles klappt. Allein das wird | |
| schon Strahlkraft haben! Und wir machen ja unsere bisherige Arbeit weiter, | |
| etwa das Kompetenznetzwerk zu Anti-Schwarzem Rassismus (KomPAD), wo wir | |
| ständig im Austausch mit Kolleg*innen in anderen Bundesländern stehen. | |
| Natürlich werden Menschen aus anderen Bundesländern nach Berlin kommen, | |
| sich das anschauen und mitmachen – so wie wir uns auch von Vereinen in | |
| Hamburg, München usw. inspirieren lassen. Allerdings hängt es schon | |
| bisschen davon ab, inwieweit der Bund sich noch finanziell engagieren wird | |
| bei uns, damit wir wie geplant ein weiteres Stockwerk obendrauf packen | |
| können, um noch mehr Platz für mehr Menschen und mehr Vereine zu bekommen. | |
| Wie viel brauchen Sie insgesamt? | |
| Wenn wir die 3,65 Millionen von Berlin bekommen und dazu die zugesagte mehr | |
| als eine Million von der Lotto-Stiftung Berlin, haben wir etwa die Hälfte | |
| zusammen. Je nachdem, was der Bund gibt, müssen wir uns für den Rest etwas | |
| überlegen, zum Beispiel Fundraising-Kampagnen, damit der Kredit nicht so | |
| groß wird. Den Kredit werden wir mit Mieteinnahmen abzahlen. Je mehr der | |
| Bund beiträgt, umso sozialverträglicher können wir die Mieten gestalten und | |
| Gemeinschaftsflächen ermöglichen. Und wenn der Kredit irgendwann abbezahlt | |
| ist, sind wir als Community noch unabhängiger. | |
| 20 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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