# taz.de -- UN-Vertretung über Rassismus: Deutschland muss dagegenhalten | |
> In der Bildung, in der Justiz, bei Straßennamen: Nichtweiße treffen | |
> hierzulande oft auf Rassismus. Das Grundgesetz sollte endlich umgesetzt | |
> werden. | |
Bild: Brandanschlag auf ein Flüchtlings-Containerheim in Berlin-Buch im August… | |
BERLIN taz | Auch heute werden in Deutschland nichtweiße Menschen noch | |
regelmäßig rassistisch beleidigt und diskriminiert, und das auf vielen | |
unterschiedlichen Wegen. Das hat eine UN-Delegation nun bestätigt und | |
schwere Vorwürfe erhoben. Denn diese Diskriminierung geschehe in vielen | |
gesellschaftlichen Kernbereichen wie Bildung, Justiz und Polizei, Wohnung | |
und Arbeitsmarkt. Schwarze Menschen werden hier ausgeschlossen, und | |
institutionelle Hürden beförderten das oft sogar noch. | |
Vom 20. bis 27. Februar gastierte auf Einladung der Bundesregierung eine | |
UN-Vertretung in Deutschland, deren offizieller Name etwas sperrig klingt: | |
„Arbeitsgruppe von Sachverständigen der Vereinten Nationen zu Menschen | |
afrikanischer Abstammung in Deutschland“. Fünf Mitglieder, unter ihnen auch | |
der philippinische Vorsitzende Ricardo Sunga III, trafen Akteure aus | |
Politik, Gesellschaft, Justiz und Medien. Sie wollten wissen: Wie ist denn | |
nun die Situation von schwarzen Menschen in Deutschland? Die Stationen | |
führten die Gruppe nach Berlin, Dessau, Frankfurt, Wiesbaden, Köln und | |
Hamburg – und dabei blieb die Erkenntnis, dass Deutschland mehr tun muss. | |
„Das Grundgesetz wird nicht umgesetzt“, sagte etwa Sung, als er am Montag | |
die vorläufigen Ergebnisse in einer einstündigen Pressekonferenz in Berlin | |
vorstellte. Kritikpunkte nannte er viele, endgültig aufführen will die | |
UN-Delegation diese aber erst im September in einem umfassenden Bericht. | |
Vorläufig gilt, so Sung, dass Deutschland sein Nationalnarrativ ändern | |
müsse. „Die Kolonialvergangenheit, vor allem das Verbrechen an den Herero | |
und Nama, muss besser aufgearbeitet werden. Es gab keine Reparationen und | |
keine Gespräche mit den Minderheiten.“ | |
Überhaupt fehle eine gesellschaftliche Debatte, und die Geschichte der | |
Schwarzen werde nicht ausreichend berücksichtigt. Auch könne er nicht | |
verstehen, wieso in Deutschland Kolonialherren mit Straßenschildern geehrt | |
würden. Wenig überraschend steht in Sungs vorläufigem Bericht auch, dass | |
Menschen mit vermeintlich afrikanischer Abstammung alltäglich | |
Polizeibrutalität und Racial Profiling erfahren. | |
## „Das muss aufgeklärt werden“ | |
Überproportional oft habe rassistische Diskriminierung hier einen | |
institutionellen Hintergrund. Lehrer rieten Menschen mit | |
Migrationshintergrund etwa eher zur Hauptschule, bei Polizei oder Justiz | |
fehlten nichtweiße Bedienstete. Sung sieht hier massiven Nachholbedarf, | |
genau wie im Fall Oury Jalloh. Bei der Visite in Dessau ging es vor allem | |
um den Fall des Asylbewerbers, der am 7. Januar 2005 in einer Polizeizelle | |
verbrannt war ([1][die taz berichtete]). | |
Pressevertreter waren bei dem Besuch nicht eingeladen, Ralf Moritz, | |
Sprecher der Polizeidirektion Ost, informierte: „Es wurden viele | |
detaillierte Fragen gestellt.“ Vor allem, weil noch immer offen ist, was | |
genau hinter dem Brand steckte. Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ | |
geht davon aus, dass Oury Jalloh ermordet wurde. Ein Abschlussbericht steht | |
noch aus, die Dessauer Staatsanwaltschaft ließ am Mittwoch lediglich | |
mitteilen, dass der Öffentlichkeit zu gegebener Zeit Ergebnisse | |
präsentieren würden. Sunga sagte dazu: „Das muss aufgeklärt werden, wir | |
wollen, dass sich eine unabhängige Ermittlungskommission darum kümmert.“ | |
Hintergrund des UN-Besuchs ist die Resolution 68/237 vom 23. Dezember 2013, | |
mit der die Vereinten Nationen die Internationale Dekade für Menschen | |
afrikanischer Abstammung für den Zeitraum 2015 bis 2024 ausgerufen haben, | |
sie firmiert unter dem Motto: „Menschen afrikanischer Abstammung: | |
Anerkennung, Gerechtigkeit und Entwicklung“. Die Länder sollen sich stärker | |
gegen rassistische Diskriminierung engagieren, sowohl in Gesetzgebung als | |
auch in der alltäglichen Praxis und der gesellschaftliche Beitrag von | |
Menschen afrikanischer Abstammung soll gewürdigt werden. | |
Die von der UN ausgerufene Dekade könnte im Idealfall zu einem | |
Perspektivwechsel führen, der, wie der UN-Bericht belegt, längst überfällig | |
ist. Ob zehn Jahre ausreichen, um eine jahrhundertealte Geschichte der | |
Diskriminierung auszugleichen, scheint jedoch fraglich. | |
27 Feb 2017 | |
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[1] /Kommentar-Der-Fall-Oury-Jalloh/!5326004 | |
## AUTOREN | |
David Joram | |
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