| # taz.de -- Diskriminierung in Hamburg: Türkische Namen aussortiert | |
| > Das Wohnungsunternehmen Saga/GWG benachteiligte eine Wohnungssuchende | |
| > wegen ihres Namens. Nun bekommt die Frau eine Entschädigung. | |
| Bild: Falscher Name: Beim städtischen Wohnungsunternehmen Saga/GWG sind nicht … | |
| Hamburg taz | Die Strafe und Entschädigung zahlt das städtische Hamburger | |
| Wohnungsbaugesellschaft Saga/GWG wohl aus der Portokasse. Doch | |
| wohnungspolitisch ist das Urteil ein Schlag ins Gesicht: Das Amtsgericht | |
| Hamburg-Barmbek hat das öffentliche Wohnungsunternehmen zu einer | |
| Entschädigungszahlung von rund 1.000 Euro an eine Wohnungssuchende | |
| verurteilt, weil sie wegen ihres türkisch klingenden Namen benachteiligt | |
| worden ist. | |
| „Es handelt sich um das erste Urteil, das klarstellt, dass | |
| Diskriminierungen bei der Wohnungsvergabe nicht gerechtfertigt werden | |
| können“, sagt der Anwalt Sebastian Busch. Es war sozusagen die Probe aufs | |
| Exempel. Alina Özdemir* ist deutsche Staatsangehörige. Nach einigen Absagen | |
| bewarb sie sich gemeinsam mit einer Freundin mit deutschem Namen auf eine | |
| Saga-Wohnung. Während ihre Freundin zur Besichtigungen eingeladen wurde, | |
| fiel Özdemir durch – angeblich, weil die Besichtigungskapazitäten bereits | |
| erschöpft seien. Die Leiterin der Antidiskriminierungsberatungsstelle | |
| „amira“ Birte Weiß, die Özdemir unterstützt wertet die Absage als eindeu… | |
| diskriminierend. | |
| Vor Gericht räumte die Saga/GWG diese Benachteiligung sogar ein. Sie berief | |
| sich auf eine Ausnahmebestimmung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz | |
| wonach eine Ungleichbehandlung „zur Schaffung und Erhaltung sozial stabile | |
| Bewohnerstruktur sowie ausgeglichener wirtschaftlicher sozialer kultureller | |
| Verhältnisse“ zulässig sei. Mit diesem Vorgehen will das | |
| Wohnungsunternehmen die soziale Mischung von Stadtvierteln beeinflussen. | |
| Hamburgs Wohnungswirtschaft versteht die Ausnahmeregelung offenbar so, dass | |
| rassistische Benachteiligungen gerechtfertigt seien. | |
| Doch die Barmbeker Amtsrichterin folgte den europäischen | |
| Antidiskriminiserungsrichtlinien und der Argumentation von Özdemirs Anwalt. | |
| Demnach seien Ungleichbehandlungen nur als „positive Maßnahmen“ zugunsten | |
| benachteiligter Gruppen möglich. So könnten also Nichtdeutsche bei der | |
| Wohnungsvergabe bevorzugt werden, damit ein reiches Viertel wie besser | |
| durchmischt wird, aber nicht andersrum. | |
| ## Das städtische Unternehmen will Berufung einlegen | |
| „Die pauschale Abweisung von Personen, denen aufgrund ihres Namens eine | |
| türkische Herkunft zugeschrieben wird, ist damit eindeutig eine | |
| Diskriminierung und ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz“, sagt | |
| der Anwalt. | |
| Die Saga/GWG sieht das anders und legt Berufung gegen das Urteil ein. Ihr | |
| Sprecher Gunnar Gläser verweist darauf, dass die Hälfte der Saga-Mieter | |
| einen Migrationshintergrund habe und die strittige Wohnung für einen | |
| Zweipersonen-Haushalt vorbehalten gewesen sei. | |
| „Die Tatsache, dass anhand von Namen und daraus abgeleiteter Herkunft | |
| unterschieden wird, ist so alltäglich wie skandalös“, sagt Weiß von der | |
| Antidiskriminierungsstelle. Die Erfahrung der Klägerin sei zugleich die | |
| Erfahrung von vielen Menschen in Hamburg und bundesweit. „Diskriminierung | |
| kommt für sie zur allgemeinen Wohnungsnot und sozialer Benachteiligung auf | |
| dem umkämpften Wohnungsmarkt noch hinzu“, so Weiß. Die wenigsten Menschen | |
| hätten die Kraft und die Möglichkeiten, sich so effektiv gegen | |
| Diskriminierung zu wehren wie die Klägerin. „Auch deswegen ist dieses | |
| Urteil ein wichtiges Signal.“ | |
| Für Anwalt Busch gibt es noch eine zusätzliche politische Komponente. Dass | |
| ein öffentliches Unternehmen die Absagen an Wohnungssuchende allein wegen | |
| eines ausländisch klingenden Nachnamens verteidige, „sollte über das Urteil | |
| hinaus politische Konsequenzen zur Folge haben“, sagt Busch. Der rot-grüne | |
| Hamburger Senat müsse handeln, fordert er und verweist auf die Empfehlungen | |
| des Antirassismusausschusses der Vereinten Nationen: Diese hatten | |
| gefordert, den Ausnahmeparagrafen entsprechend zu ändern und wirksame | |
| Sanktionen gegen diskriminierenden Vermietungspraktiken einzuführen. | |
| * Name gändert | |
| 9 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Kai von Appen | |
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