| # taz.de -- Junge Leute leiden unter Wohnungsnot: Schlafsack verzweifelt gesucht | |
| > In Hamburg gab es binnen 24 Stunden zwei Hilferufe von 20-jährigen | |
| > Frauen, die eine Bleibe suchen. Seit zehn Jahren wird vergeblich eine | |
| > Notschlafstelle gefordert | |
| Bild: Auf Deutschlands Straßen nicht selten und besonders schwer unterzubringe… | |
| Hamburg taz | Gleich zweimal haben sich in dieser Woche junge Frauen | |
| öffentlich um Hilfe bemüht, die von Obdachlosigkeit bedroht sind. „Ich | |
| suche dringend Hilfe“, schrieb die eine am Dienstag in die Facebookgruppe | |
| „Hilfe für Hamburger Obdachlose“. „Ich bin noch 20 Jahre alt, im Januar … | |
| und bin seit ein paar Tagen obdachlos und nun weiß ich nicht, was ich | |
| machen soll, denn alle Unterkünfte sind belegt und viel fahren kann ich | |
| nicht, denn ich will mich nicht strafbar machen durch Fahren ohne | |
| Fahrschein.“ Sie sei echt verzweifelt, denn das Winternotprogramm sei | |
| belegt, und „bei vielen Behörden bekommt man nicht wirklich Hilfe“. | |
| Eine aufmerksame Leserin wies die taz auf einen ähnlichen Appell bei | |
| Ebay-Kleinanzeigen hin. Diese 20-Jährige verliert ihre Wohnung, die sie nur | |
| vorübergehend hatte. „Ich suche nun alles, was nötig wäre für eine Person | |
| und zwei Hunde, um auf der Straße zu überleben“, schreibt sie. Sie habe | |
| schon Erfahrung mit dem Leben auf der Straße und wolle auf keinen Fall in | |
| öffentliche Einrichtungen wie das Pico. Nun sucht sie: „Zelt, Kocher, | |
| Isomatte, BW Schlafsack (dick) sehr wichtig!, BW Rucksack, BW Geschirr, | |
| Taschenlampe, Plane, Decken“. | |
| Die traurige Anzeige stammt von Mittwoch früh. Ein paar Monate vorher, | |
| Anfang Juli, hatte die junge Frau in den Kleinanzeigen schon einmal um | |
| Hilfe geben. Sie suche eine Wohnung in Hamburg. Sie sollte nicht mehr als | |
| 400 Euro kosten. „Hunde sollten erlaubt sein.“ Sie schrieb damals, sie | |
| wohne seit acht Monaten in einer Einrichtung des städtischen Trägers | |
| Fördern und Wohnen in einer Vierer-WG. Nur sei der Nutzungsvertrag leider | |
| auf zwölf Monate begrenzt, „da das nur eine vorübergehende Maßnahme ist, um | |
| jungen Menschen wie mir zu helfen ein normales Leben zu finden“. | |
| Offenbar war die damalige Suche nicht erfolgreich. Deshalb nun offenbar die | |
| Vorbereitung auf ein Leben auf der Straße. | |
| ## „Hier gibt es wenig Handlungsspielraum.“ | |
| Die taz fragte bei der Sozialbehörde und bei Fördern und Wohnen nach, was | |
| für eine Alternative diese junge Frau hat. Die Antwort: Es handele sich um | |
| ein Projekt des Bezirks Altona, für welches der städtische Träger lediglich | |
| die Räume stellt. „Im Hinblick auf eine drohende Obdachlosigkeit der Frau | |
| gilt das Regelsystem“, sagt Pressesprecher Marcel Schweitzer. Möglich wäre, | |
| sofern die Jugendhilfe nicht mehr zuständig ist, ein Platz in einer | |
| öffentlich-rechtlichen Unterkunft. Eine Schwierigkeit wären allerdings die | |
| Hunde, für die ein Einzelzimmer nötig sei. Schweitzer: „Hier gibt es wenig | |
| Handlungsspielraum.“ | |
| Zu der ersten Betroffenen hatte Max Bryan von der Initiative „Hamburger | |
| Obdachlose“ Kontakt aufgenommen. „Ich habe ihr einen Leitfaden geschickt | |
| und ihr geraten, sich an das Streetlife-Projekt in Rahlstedt zu wenden“, | |
| sagt Bryan. Die junge Frau meldete Bryan zurück, dass ihr dort geholfen | |
| worden sei. Sie habe jetzt wieder eine Postadresse, sodass sie Hartz IV | |
| beantragen könne, und für sie werde auch ein Platz gesucht. Der Träger | |
| selbst kann sich zu Einzelfällen nicht äußern, sagt aber, dass Hamburg für | |
| diese Zielgruppe viel mehr tun muss. | |
| „Wir haben drei Gästewohnungen. Früher waren die drei Monate belegt, | |
| inzwischen bleiben die jungen Menschen ein bis zwei Jahre“, berichtet | |
| Streetlife-Mitarbeiter Ralf Mehnert. „Sie finden einfach keinen Wohnraum.“ | |
| Das Problem beginne, wenn die Jugendlichen 18 werden, und sie zu alt für | |
| die Jugendhilfe sind, aber zu jung für Obdachlosenunterkünfte mit | |
| Erwachsenen. „Berlin, München, Köln – all diese Städte haben | |
| Notschlafstellen für junge Menschen von 18 bis 27 Jahren. Nur Hamburg hat | |
| so etwas nicht“, kritisiert Ralf Mehnert. Streetlife und weitere | |
| Jugendhilfeträger würden sich seit zehn Jahren im „Arbeitskreis junge | |
| Wohnungslose“ dafür einsetzen. „Aber seitdem ist nicht viel passiert.“ Z… | |
| gibt es seit 2009 mit „JEP“ ein Jungerwachsenenprojekt für 19 junge Männer | |
| im Bezirk Mitte. Nötig sei ein Projekt, wo junge Frauen Zugang haben oder | |
| Hunde mitgebracht werden können. | |
| Die Wohnungsnot der Jugend war auch im Mai Thema bei einer Anhörung der | |
| Hamburger Linksfraktion. Sozialarbeiter Olaf Sobczak sagte dort, ein | |
| Problem sei die Gruppe der „Care Leaver“, also jener, die aus öffentlicher | |
| Erziehung kommen. Es seien oft die jungen Menschen mit den schlechtesten | |
| Chancen, die mit 21 in einer Wohnunterkunft landen oder prekär bei | |
| sogenannten Freunden unterkommen. Bei Wohnungsneubauten müsste es | |
| Kontingente für diese Zielgruppe geben, möglicher weise sogar einen ganz | |
| neuen Player für sozialen Wohnungsbau. | |
| Die Anregung aus dieser Anhörung, Notschlafplätze und Gästewohnungen zu | |
| schaffen, floss in einen Antrag der Linken zur Bekämpfung der Armut von | |
| Kindern, Jugendlichen und Jungerwachsenen ein. Die Hamburger Bürgerschaft | |
| lehnte ihn vergangene Woche mit den Stimmen von Rot-Grün ab. | |
| 22 Sep 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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