| # taz.de -- Hamburger Behörden machen Druck: Obdachlose sollen raus | |
| > Hamburger Ausländerbehörde überprüft gezielt EU-Ausländer mit dem Ziel, | |
| > diese abzuschieben. Obdachlosen-Magazin Hinz&Kunzt kritisiert | |
| > Abschreckungspolitik. | |
| Bild: Könnte von der Ausländerbehörde vorgeladen werden: Obdachloser in St. … | |
| HAMBURG taz | Die Hamburger Behörden gehen seit März verstärkt gegen | |
| obdachlose EU-Ausländer vor. Wie das Obdachlosenmagazin Hinz&Kunzt in | |
| seiner Dezember-Ausgabe berichtet, sind bis Ende Oktober 489 EU-Bürger | |
| aufgefordert worden, bei der Zentralen Ausländerbehörde vorzusprechen. Wie | |
| der Senat der Linksfraktion mitteilte, hat die Behörde seit Juli in 108 | |
| Fällen festgestellt, dass das Aufenthaltsrecht verwirkt sei. 20 Menschen | |
| wurden abgeschoben. | |
| Der rot-grüne Senat reagiert nach eigenen Angaben darauf, dass es seit ein | |
| paar Jahren mehr Ausländer vor allem aus östlichen Mitgliedstaaten der EU | |
| gebe, „die sich länger in Hamburg aufhielten, dabei aber keinen Wohnsitz | |
| begründeten oder vorgesehene andere Übernachtungsmöglichkeiten nutzten, | |
| sondern im öffentlichen Raum nächtigten“. | |
| Wer jedoch länger als drei Monate obdachlos ist, setzt sich aus Sicht der | |
| Innenbehörde dem Verdacht aus, nicht für seinen Lebensunterhalt aufkommen | |
| zu können. Damit verliert er das ihm in der EU zustehende | |
| Freizügigkeitsrecht und muss ausreisen. Freiwillig ausgereist ist nach | |
| Auskunft des Senats niemand. Unter den 20 Abgeschobenen stammt fast die | |
| Hälfte aus Polen und ein Viertel aus Rumänien. | |
| Bereits in der Vergangenheit haben Hamburger Behörden Obdachlose aus dem | |
| EU-Ausland angesprochen, um sie zur Ausreise zu bewegen. Alle, die sich in | |
| einer Unterkunft des Winternotprogramms melden, werden zu einem | |
| „Perspektivengespräch“ gebeten. Wer im Herkunftsland eine Wohnung hat, kann | |
| Geld für die Heimreise beantragen. Wer das nicht annimmt, kann in der | |
| Unterkunft bleiben, erhält aber kein Bett. | |
| Die Plätze im Winternotprogramm, das vor Erfrieren schützen soll, sind im | |
| Verhältnis zur großen Nachfrage knapp. Jeden Winter wird das von der Linken | |
| und Sozialverbänden wie der Diakonie kritisiert. Das Timing der | |
| Behördeninitiative – die Überprüfungen begannen im März – legt nahe, da… | |
| sich der Senat das Problem rechtzeitig vor dem Wintereinbruch vom Hals | |
| schaffen wollte. | |
| „Die Ausländerbehörde macht es den Betroffenen überdurchschnittlich schwer, | |
| das Verfahren nachzuvollziehen und sich rechtlich dagegen wehren zu | |
| können“, kritisiert Heiko Habbe von der Diakonie. Die Bescheide über den | |
| Verlust der Freizügigkeit würden öffentlich ausgehängt und gälten damit als | |
| zugestellt. Ignorierten Obdachlose die Aufforderung zur Ausreise, etwa weil | |
| sie sie nicht zur Kenntnis genommen haben, drohe ihnen schlimmstenfalls | |
| eine Abschiebung mit Wiedereinreisesperre. | |
| Wie mehrfach berichtet, will der Senat vermeiden, durch eine | |
| entgegenkommendere Politik Obdachlose in die Stadt zu locken. Auf | |
| Abschreckung zu setzen sei bei winterlichen Temperaturen unmenschlich und | |
| obendrein keine Lösung, kritisiert Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter bei | |
| Hinz&Kunzt. „Wir sehen, dass sich die Leute nicht abschrecken lassen, | |
| sondern von Jahr zu Jahr mehr verelenden.“ | |
| Karrenbauer gibt zu, auch kein Patentrezept zum Umgang mit Obdachlosen aus | |
| EU-Mitgliedstaaten zu haben. Es gebe aber eine Reihe von Vorschlägen, wie | |
| Ankunftsheime, in denen Migranten über die hiesigen Verhältnisse aufgeklärt | |
| und vielleicht sogar in Jobs vermittelt werden könnten. | |
| Im übrigen stehe der größte Teil der Migranten in Lohn und Brot. Wenn | |
| Deutschland von der Arbeitskräftemigration profitieren wolle, müsse es sich | |
| auch um die Leute kümmern, die auf der Straße landeten. | |
| „Es führt zu einem seelischen Bankrott, wenn es allen Deutschen angetan | |
| wird, dass sie an Bettlern vorbeigehen müssen“, sagt Karrenbauer. „Man | |
| wünscht sich die Leute weg von der Straße“, sagt er, „und fängt an, die | |
| Schuld den Armen selbst zu geben“. | |
| 29 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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