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# taz.de -- Göttinger Studenten kurz vorm Rauswurf: Streit um Wohnraum eskalie…
> Eine Initiative will Mieterhöhungen des Studentenwerks nicht akzeptieren.
> Dort wohnen Studierende nun ohne gültigen Vertrag.
Bild: Sind vom Rauswurf bedroht: Studenten in Göttingen.
Hamburg taz | Proteste gegen das Göttinger Studentenwerk: Studierende
wehren sich gegen Mieterhöhungen für die Wohnheimplätze und beklagen
Einschüchterungen und juristische Drohungen. „Dieser vermeintlich soziale
Träger stellt BewohnerInnen existenziell mit dem Rücken zur Wand“, sagt
Hauke Oelschlägel von der Göttinger Wohnrauminitiative, in der sich vor
allem selbstverwaltete Wohnheime zusammengeschlossen haben.
19 von Studierende wohnen seit Anfang des Monats ohne gültigen Mietvertrag,
weil sie die geforderte Mieterhöhung nicht akzeptieren. Im Zuge dieses
Streits hatte das Studentenwerk vorige Woche bereits zwei fristlose
Kündigungen verschickt.
Zeitgleich wurde BewohnerInnen eines anderen Wohnheims eine Räumungsklage
angedroht, sollten sie nicht innerhalb der nächsten 14 Tage ausgezogen
sein. „Wir sind nach dieser Eskalation ebenso verzweifelt wie entschlossen,
uns dagegen zu wehren“, sagt Oelschlägel. Das Studentenwerk wiederum gibt
der Initiative die Schuld an der Eskalation.
Ausgangspunkt des Streits war eine zum 1. Januar erlassene Mieterhöhung für
alle insgesamt 4.400 Wohnheimplätze. Laut Wohnrauminitiative bedeute dies
für manche BewohnerInnen eine Erhöhung um bis zu 50 Prozent. Laut
Studentenwerk ist dies aber nur in ganz wenigen Ausnahmefällen der Fall. Im
Schnitt sind es 37 Euro monatlich. Zudem müssen alle Studierenden einen
erhöhten Beitrag an das Studentenwerk errichten – weitere 15 Euro pro
Semester.
Dieses begründet die Mieterhöhungen mit Modernisierung- und Sanierung. In
den vergangenen zehn Jahren seien mehr als 65 Millionen Euro dafür
ausgegeben worden. Weitere 47 Millionen Euro seien für die nächsten fünf
Jahre nötig, schätzt das Studentenwerk. „Nach Jahren des Sanierungsstaus
hat das Studentenwerk beschlossen, diesen binnen kürzester Zeit umfangreich
anzugehen und die Kosten auf die Studierenden abzuwälzen“, kritisiert
Oelschlägel.
Studentischer Wohnraum, so wurde es schon in den 1980ern im
niedersächsischen Landtag beschlossen, müsse sich selbst finanzieren. Eine
öffentliche Förderung ist nicht vorgesehen. Das beklagt auch das
Studentenwerk. „Weder Bund noch Land stellen finanzielle Mittel für die
Sanierung von Wohnheimen zur Verfügung“, sagt Anett Reyer-Günther,
Sprecherin des Studentenwerks. „Das ist nicht nur ein Göttinger Problem.“
Nach Meinung des Landesrechnungshofs verlangen die niedersächsischen
Studentenwerke mitunter zu geringe Mieten. Um Sanierungs- und
Unterhaltungskosten zu decken, sollen die Studentenwerke sich das nötige
Geld bei den Studierenden besorgen.
Aus Sicht der Wohnrauminitiative übt das Studentenwerk aber zu wenig Druck
auf das Land aus. „Es hat eigentlich eine Schutzfunktion für Studierende“,
sagt Oelschlägel. „Statt sich für eine bessere finanzielle Ausstattung
durch das Land einzusetzen, wurden die MieterInnen mit einer
Überfall-Strategie zum Akzeptieren des Preisanstiegs genötigt.“
Innerhalb einer Woche hätten die BewohnerInnen die Preiserhöhung
akzeptieren müssen. „Ein gemeinsamer Protest gegen den finanziellen Druck
auf das Studentenwerk und damit wiederum auf die Wohnheime, wie wir ihn
angeboten haben, wird vom Studentenwerk nicht gewünscht“, sagt Oelschlägel.
Ursprünglich hatten sich insbesondere selbstverwaltete Wohnheime zum
Protest zusammengeschlossen. Sie fordern, dass die dortigen einzeln
abgeschlossenen Mietverträge in Kollektivmietverträge umgewandelt werden.
„Das Studentenwerk erspart sich dadurch eine Menge Arbeit“, sagt
Oelschlägel. Als Zusammenschluss wären die BewohnerInnen der Wohnheime
zudem ein stärkerer Akteur, um ihre Interessen zu vertreten. „Auf Augenhöhe
begegnet uns das Studentenwerk jedenfalls nicht“, sagt Oelschlägel.
Mittlerweile steigt der Unterstützerkreis für die Wohnrauminitiative. Der
ehemalige grüne Bundesminister Jürgen Trittin traf sich mit ihr, zudem
gaben rund 500 Personen einen Beschwerdebrief beim Studentenwerk ab.
Gestern kündigte das Studentenwerk an, die Räumungsklagen zurückzunehmen
und mit den protestierenden BewohnerInnen Gespräche wiederaufzunehmen.
11 Apr 2017
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Mieterhöhung
Kündigung
Studentenwerk
Göttingen
Wohnraum
Wohnungsnot
Universität Göttingen
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