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# taz.de -- Soziale Herkunft, Hautfarbe, Gender: Auch Diskriminierung ist vielf…
> Das Ende rigider Geschlechternormen und nie wieder die Frage: „Woher
> kommst du wirklich?“ – Aus dem Leben von Menschen, die Ideen für eine
> Veränderung haben.
Bild: Feministische Kreise bieten Halt – aber auch hier ist der Weg zu echter…
## „Schweigen können andere“
Ich bin Hannoveranerin. Jedenfalls sage ich das immer. Im besten Fall werde
ich nach diesen Worten fragend angeschaut oder gefragt: „Wo kommst du
wirklich her?“ Aber das war schon immer so, damit kann ich inzwischen
umgehen.
Manchmal macht es wirklich Spaß, Menschen mit meiner Herkunft zu verwirren.
Inzwischen lebe ich seit sechs Jahren in Göttingen, studiere und bin dort
politisch aktiv.
Ich neige dazu, zu sagen, was ich denke. Das ist vielleicht nicht immer
klug, aber häufig notwendig. Ich unterstütze das Bündnis gegen rechts in
Göttingen und gehe gegen Nazis auf die Straße. Für mich ist das eine
Pflicht: Die Nazis, die da auf der anderen Seite stehen, hassen mich –
meine Existenz, meine Worte, meine Hautfarbe, mich.
Im Sommer passierte es das erste Mal. Ich wurde auf einer Gegenkundgebung
von einer Frau angesprochen. Sie sagte, sie hätte ein Bild von mir auf
einer Facebook-Seite der Nazis gesehen. Dann passierte es wieder, diesmal
wurde meine Adresse veröffentlicht. Das erzählte mir ein Bekannter. Danach
wurde ich immer wieder in Posts genannt, diese auf immer mehr Seiten
geteilt.
Ich werde nicht aufhören, gegen Nazis auf die Straße zu gehen. Ich werde
jeden einzelnen Post melden und wenn nötig anzeigen. Ich lasse mich nicht
einschüchtern. Trotzdem mache ich mir natürlich Gedanken.
Es sind eben nicht nur ein paar wenige, es sind viele. Sie sitzen unter dem
Deckmantel der AfD in Parlamenten und entscheiden mit darüber, wie wir hier
gemeinsam Leben wollen. Sie gehen Woche für Woche auf die Straße. Es sind
diese Menschen, die motiviert von ihrem Rassismus Menschen angreifen.
Schweigen können andere. Ich sage meine Meinung. Ich schreibe sie auch ins
Internet. Und das wird auch so bleiben. Mein Schweigen bekommt ihr nicht.
Amina Yousaf, 26, ist [1][Kolumnistin auf „kleinerdrei.org“]
## „Nicht alle Frauen mensturieren“
Dass Rechtspopulist_innen stärker werden, macht mir große Sorgen. Sie
verbreiten Rassismus, Sexismus und Hass auf alles, was anders ist.
Trans*feindliche und homofeindliche Positionen werden selbstbewusster
vertreten. Den Hass, der so angestachelt wird, kriege ich auf der Straße
mit. Oft erkennen Leute, dass ich keine cis*Frau bin und lesen mich als
trans*Frau, schwulen Mann und_oder Tunte. So passiert es häufig, dass mir
Menschen etwas Unfreundliches hinterherrufen, sich über mich lustig machen.
Auch bin ich schon mehrfach bedroht oder begrapscht worden. So was macht
mich jedes Mal völlig fertig. Ähnliche Erfahrungen machen viele
diskriminierte Personen, und ich nehme in der trans*Community und der
Antirassismusbewegung Angst vor der Zukunft war.
Als trans*Frau passe ich nicht in Geschlechterrollenerwartungen oder
Körpernormen. Die feministische Szene bietet mir Halt. Hier kann ich mich
weiterentwickeln und habe viel über Unterdrückungsmechanismen und andere
Diskriminierungsformen, aber auch über Privilegien gelernt. Immer mehr
Feminis-t_innen haben auf dem Schirm, dass auch Trans*Frauen von Sexismus
und Patriarchat betroffen sind. Leider ist es aber immer noch so, dass ich
mich als trans*Frau nicht mitgedacht fühle. Gerade dann, wenn
Körperlichkeit thematisiert wird.
Oft wird davon ausgegangen, dass alle Frauen eine Vulva und Brüste hätten
und menstruieren. So wird eine feministische Gemeinschaft konstruiert. Wer
nicht dazugehört ist klar. Auf Events gibt es „Vulva-Kuscheltier basteln“,
eine Ausstellung von Menstruationsblut-Kunst und Workshops über
„Frauenkörper“, die nur cis*Körper zeigen. Empowerment zum Thema
Körperlichkeit finde ich wichtig. Das Ziel von feministischem Empowerment
ist aber meiner Meinung nach verfehlt, wenn dadurch Weiblichkeiten
diskriminiert werden, die nicht der Norm entsprechen. Da finde ich es
wichtig, zu sehen, dass es Frauen mit unterschiedlichen Körpern gibt. Und
man muss nichtbinäre trans*Personen und inter*Menschen mitdenken. Ich
wünsche mir, dass trans*Weiblichkeiten als selbstverständlicher Teil des
Feminismus akzeptiert werden.
Damit eine freie Gesellschaft entsteht und vor rechten Einflüssen geschützt
bleibt, müssen wir miteinander reden und uns gegenseitig zuhören. Wir
müssen es wagen, Diskriminierungen anzusprechen, diese in Solidarität
miteinander kritisieren, voneinander lernen und uns die eigenen Privilegien
bewusst machen. Lasst uns Schönes kreieren, über Träume sprechen und
einander gut tun!
FaulenzA ist [2][Musikerin und Autorin aus Berlin]. Sie ist
Singer-Songwriterin, macht aber auch HipHop (Protokoll: [3][Marlene
Halser])
## „Wir dürfen Hartz IV nicht Martin Schulz überlassen“
Für mich war es schon hart, auf dem Gymnasium zu bestehen. Nicht wegen der
Noten, sondern wegen des Mobbings. Das begann, als meine Mitschüler*innen
mitbekommen hatten, dass ich „Hartz-IV-Eltern“ habe. Deshalb habe ich dann
auch die Schule gewechselt.
Bisher habe ich mir nicht wirklich Gedanken darüber gemacht, wie meine
Herkunft meinen Feminismus beeinflusst. Ich merke aber an vielen Stellen,
dass sie eine Rolle spielt. An vielen Diskussionen habe ich anders teil.
Wenn andere über gläserne Decken und Aufstiegschancen diskutieren, frage
ich mich erst mal: Wie kommt man da überhaupt hin?
Dieses Gefühl des Andersseins gab es auch im Studium. Dieses fehlende
Wissen meinerseits über bestimmte Normen und Codes an der Uni. Ich habe
nicht dieses Elternhaus, wo immer ein Kinderzimmer auf mich wartet – weil
meine Eltern ihren Wohnraum ihrer staatlichen Unterstützung anpassen
müssen.
Mir fehlt ein gewisser Habitus. Das hat Einfluss auf mein Verhalten und
mein Selbstbewusstsein und führt oft zu einer gewissen social awkwardness:
Wie verhalte ich mich auf öffentlichen Veranstaltungen? Diese Perspektive
wird auch im Feminismus vernachlässigt. Da wird eher diskutiert: Ist es
feministisch, eine Haushaltshilfe zu haben? Meine Mutter ist
Haushaltshilfe, kommt aber in solchen Diskursen gar nicht vor.
Die ganze Arbeiterkindbewegung läuft parallel zur feministischen. Da findet
zu wenig Zusammenschluss statt. Wo sind die Hartz- IV-Empfänger*innen in
unseren feministischen Bündnissen? Wir kreieren Ausschlüsse. Auch die linke
Szene hat Codes, wie man angezogen sein sollte, was wir als Wissen von
anderen erwarten. Ich nehme mich da nicht aus.
Ein erster Schritt wäre, sich anzuschauen, wie wir über den Rechtsruck und
Antifeminismus diskutieren. Viele stellen Rechte als „dumme Assis“ dar. Das
schließt viele Leute, die Jeans von Aldi tragen oder keine hohe Bildung
haben, aus politischen Bewegungen aus. Wir müssen offener für bestimmte
Themen werden und dürfen Hartz IV nicht Martin Schulz überlassen.
Jasna Strick, 27, ist [4][Online-Redakteurin, Autorin und Aktivistin]
(Protokoll: [5][Katrin Gottschalk])
## In der DDR gab es die Gleichstellung – zumindest formal
Ich engagiere mich seit vielen Jahren im sozialen und gesellschaftlichen
Bereich. Seit inzwischen zehn Jahren bin ich in der SPD aktiv, seit etwas
mehr als zwei Jahren vertrete ich die SPD im Thüringer Landtag. Dass
Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts ungleich behandelt
oder diskriminiert werden, bewegt mich aber schon wesentlich länger.
Ich bin im Osten aufgewachsen, wo es die Gleichberechtigung der
Geschlechter zu DDR-Zeiten formal schon gab. Meine Mutter war ihr Leben
lang Vollzeit berufstätig. Und nicht nur sie – das trifft auch auf die
Mütter meiner Freundinnen und Freunde zu. Das war normal und immer ein
wichtiges Indiz für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Dennoch haben
in der Regel die Frauen die Haus- und Betreuungsarbeit übernommen. Und zwar
zusätzlich zu ihrem Fast-9-Stunden-Tag.
Ich bin in einer Gesellschaft groß geworden, die einerseits der
Gleichberechtigung von Geschlechtern eine besondere Rolle zuschrieb. Auf
der anderen Seite unterstellte sie Frauen und Männern aber unterschiedliche
Talente. Das hat mich sehr geprägt – als Mensch und als Feministin.
Daran etwas zu ändern ist der Motor für meine politische Arbeit. Ich möchte
in einer Welt leben, in der es keine Rolle mehr spielt, woher ich komme,
welche Voraussetzungen ich mitbringe oder ob ich als Frau oder als Mann
geboren bin. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, die sich darum bemüht,
ungleiche Voraussetzungen auszugleichen und gleiche Chancen für alle zu
schaffen.
Wir erleben gerade eine Zeit, in der es darum geht, unsere Grundwerte zu
verteidigen. Die AfD versucht Konkurrenz und Neid zwischen
unterschiedlichen Gruppen zu schüren. Wir müssen zeigen, dass für uns
Gleichberechtigung nicht nur eine Floskel ist. Die AfD sagt, dass sie die
Werte der christlich-abendländischen Welt verteidigen will, und stellt sie
dabei wie kaum ein anderer infrage. Weil sie Nächstenliebe und Solidarität
infrage stellt – für alle, die nicht ihrem Weltbild entsprechend leben.
Ich bin der festen Überzeugung, dass solche Menschen damit nicht die
Mehrheit unserer Gesellschaft repräsentieren.
Diana Lehmann, 33, ist Politikerin in Thüringen (Protokoll: [6][Katrin
Gottschalk])
## Danke, AfD!
Manchmal habe ich das Gefühl, viele Biodeutsche glauben, dass in
Deutschland alles ziemlich tutti war, bevor sich die AfD, Pegida und andere
Rechte aufs politische Parkett wagte. Als wäre Deutschland vorher eine
hippe Berliner Party gewesen, wo Rassismus, Sexismus, Homo- und Transphobie
an der Eingangstür eines Technoklubs mit den Worten „Heute leider nicht!“
abgewiesen wurden.
Aber so war es nicht. All die rechten Spinner*innen hatten noch nie Bock
darauf, dass ich mich, der ich hier geboren bin, als Deutscher definiere.
Wenn ich erzählt habe, dass ich aus Recklinghausen komme, wurde ich
augenzwinkernd gefragt, wo ich denn nun wirklich herkomme. People of Color
und gleichzeitig deutsch zu sein, ist nicht nur für die AfD eine
Irritation, sondern ist es ebenso für viele der Mehrheitsgesellschaft. Nur
hat mit das keiner geglaubt, wenn ich das erzählt habe. Kann nicht sein,
Deutschland ist doch ein aufgeklärtes Land, musste ich mir dann anhören.
Es ist krass und beängstigend, dass rechte Populist*innen immer lauter
werden. Für mich aber hat die ganze AfD-Nummer auch etwas Gutes: Endlich
kann niemand mehr negieren, dass ich in Deutschland Rassismus und
Homophobie erlebe. Ich bin jetzt scheinbar nicht mehr paranoid und rede mir
das alles nicht nur ein. AfD sei Dank!
Tarik Tesfu, 31, hat auf Youtube die [7][Videokolumne „Genderkrise“]
8 Mar 2017
## LINKS
[1] http://kleinerdrei.org/author/amina/
[2] http://faulenza.blogsport.de/
[3] /Marlene-Halser/!a52/
[4] http://jasnastrick.de/
[5] /Katrin-Gottschalk/!a249/
[6] /!a249/
[7] https://www.youtube.com/channel/UCIGKcYN2EcVHqfJ9vvDBibg
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