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# taz.de -- Abtreibungsgesetz in Polen: Schlimmer geht immer
> In Polen soll das Abtreibungsgesetz verschärft werden. Doch dagegen regt
> sich Widerstand von Aktivistinnen und linken Parteien.
Bild: Soll am Wochenende wiederholt werden: Protest in Warschau
In erster Lesung genehmigte das polnische Parlament am 23. September einen
Gesetzentwurf, nach dem fast jede Abtreibung unter Strafe gestellt werden
soll. Einzige Ausnahme: bei Lebensgefahr für die Schwangere. Der Entwurf
liegt nun dem Justiz- und Menschenrechtsausschuss vor.
Das jetzige Gesetz ist schon schlimm genug: Legal ist eine Abtreibung nur,
wenn die Gesundheit oder das Leben der werdenden Mutter gefährdet ist, wenn
die Schwangerschaft das Ergebnis einer Straftat ist, oder wenn eine schwere
Behinderung des Fötus diagnostiziert wurde.
Doch nicht einmal in diesen Fällen ist es tatsächlich möglich, einen
Abbruch vornehmen zu lassen. Frauenrechtsorganisationen gehen schon jetzt
von 200.000 illegalen und oft lebensgefährlichen Abtreibungen jährlich aus.
Mehr als eine halbe Million Unterschriften hatte die Initiative „Stopp
Abtreibung“ für die nun vom Parlament angenommene Petition gesammelt. Die
polnische Gesellschaft ist in den letzten Jahren konservativer geworden,
die katholische Kirche spielt eine immer wichtigere Rolle. Das zeigt sich
in den Wahlerfolgen der nationalkonservativen Prawo i Sprawiedliwość (PiS,
Recht und Gerechtigkeit), die seit 2015 mit absoluter Mehrheit regiert.
## „Czarny Protest“
Die Petition hatte diesen Erfolg nicht nur aus frauenfeindlichen Motiven:
Sie enthielt die Forderung nach besserer Unterstützung von Frauen und
Familien, die ein behindertes Kind großziehen und einer Einschränkung der
pränatalen Diagnostik. Zur Mobilisierung wurde beispielsweise ein Video von
einem Kind mit einer Behinderung benutzt, das nach seiner Abtreibung noch
lebte.
Unter dem Motto „Czarny Protest“ (Schwarzer Protest) mobilisieren
Frauenrechtsgruppen und linke Parteien gegen das Gesetzesvorhaben. Ihr Ziel
ist der Erhalt des jetzigen Gesetzes sowie die Möglichkeit, ohne Angabe von
Gründen bis zur zwölften Woche abtreiben zu können.
Über 200.000 Menschen haben die Petition unterschrieben, die vom Parlament
jedoch abgelehnt wurde. Doch die Bewegung sollte nicht den Fehler machen,
die Themen Behinderung, pränatale Diagnostik und selektive
Schwangerschaftsabbrüche deshalb den Konservativen zu überlassen.
Bereits am Wochenende soll es in vielen polnischen Städten Demonstrationen
geben, für den Montag ist ein nationaler Streiktag angekündigt. Die
Aktivistinnen hoffen, dass dieser Versuch, legale Schwangerschaftsabbrüche
einzuschränken, ähnlich ausgeht wie in Spanien 2014. Auch dort hatte sich
eine breite Bewegung gegen die von der rechtskonservativen
Mehrheitsregierung betriebene Verschärfung des Abtreibungsgesetzes
gebildet.
## Spaltkeil in die Regierungspartei treiben
Anders als von vielen Feministinnen angenommen, verhinderte nicht die
breite Bewegung die Verschärfung sondern die innerparteiliche Opposition:
Die vollständige Abschaffung der embryopathischen Indikation war in der
Partei nicht mehrheitsfähig. Der zuständige Justizminister Gallardón hatte
aber die ganze Reform an die versprochene Abschaffung der von ihm als
behindertenfeindlich gegeißelten Indikation gekoppelt. Er trat zurück, das
Vorhaben war gescheitert. Es könnte sich also als zudem nützlich erweisen,
den Spaltkeil in die Regierungspartei zu treiben.
Dafür muss die polnische Bewegung erst mal mögliche Widersprüche und
interne Unstimmigkeiten verdrängen. Ob sich die Bewegung am klügsten
realpolitisch auf die Abwehr der schlimmsten Verschärfung konzentriert oder
auf die Maximalforderung, dass jede Frau selbst über ihren eigenen Körper
entscheiden darf, ist schwierig zu beurteilen. Im günstigsten Fall kann
eine neue große feministische Bewegung die Stimmung im Land wieder nach
links drücken.
29 Sep 2016
## AUTOREN
Kirsten Achtelik
## TAGS
Schwerpunkt Abtreibung
Polen
Schwerpunkt Rassismus
Feminismus
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Beata Szydło
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