| # taz.de -- Umstrittener Gastbeitrag in der „Welt“: Queerphobes Clickbaiting | |
| > Ein „Welt“-Artikel kritisiert die angebliche Transgender-Ideologie bei | |
| > ARD und ZDF. Das ist kein Diskurs, sondern die Dämonisierung queerer | |
| > Belange. | |
| Bild: Mit einem transfeindlichen Gastbeitrag in die Kritik geraten: die Springe… | |
| Wenn ich das Wort „Gastbeitrag“ nur lese, möchte ich Strg+Alt+Entf drücken | |
| und schlafen gehen. Gastbeiträge sind so was wie Debatten-Viagra für | |
| schlaffe Redaktionen. Sie kommen von großen Namen, die groß mahnen, aber | |
| nichts sagen. Wissen Sie noch, [1][Sahra Wagenknecht in der Welt] | |
| (Minderheitenschutz ist ein Wohlfühl-Label), [2][Sigmar Gabriel im Spiegel] | |
| (SPD macht zu viel Ehe für alle und zu wenig Heimat), [3][Thierse in der | |
| FAZ] (Forderungen von Minderheiten spalten die Gesellschaft)? Oder, | |
| ebenfalls FAZ: zwei Profs über das Verschwinden der „klassischen Familie“ | |
| und über angebliche [4][„Transgenderpropaganda“] in Kitas? Good times. | |
| Jetzt war wieder die Welt dran. Die ließ vorige Woche [5][einige | |
| Wissenschaftler*innen mahnen], der öffentlich-rechtliche Rundfunk | |
| „indoktriniere“ Kinder mit einer „ideologisch motivierten Agenda“ über | |
| Gender und Sexualität. ARD und ZDF „sexualisierten aufdringlich“, schrieben | |
| die Verfasser*innen und sprachen von einer „bedrohlichen Entwicklung“ | |
| im Infoprogramm. | |
| ## Halbherzig-zerknirschte Reaktionen | |
| Dass die genannten Sendungen alle tippitoppi gelungen sind, will ich gar | |
| nicht behaupten. Aber die wenigen Argumente im Text gingen unter vor lauter | |
| Geraune, Gemahne und Geunke. Wem mit so einem Beitrag geholfen sein soll, | |
| steht in den Gendersternen. Wem damit geschadet ist, kann ich Ihnen sagen: | |
| uns, den Queers. Schönen Dank! | |
| Übers Wochenende gaben sich Chefredakteur Ulf Poschardt und | |
| Springer-Verlagsschef Mathias Döpfner dann zerknirscht, aber nicht zu doll. | |
| Dass nämlich die queere Jobmesse Sticks & Stones den Springer-Verlag nach | |
| dem Text umgehend auslud, erklärte Döpfner zu einem Fall von Cancel Culture | |
| – und [6][stellungnahmte pikiert], der Veranstalter der Messe hätte ja | |
| „eine ausführliche Gegenposition in WELT vertreten“ können. Der feuchte | |
| Traum so mancher deutscher Redaktion: „Wir liefern den queerphoben | |
| Clickbait, und danach sind wir dann offen für Repliken. Tadaa: | |
| Journalismus.“ | |
| ## Diffamierung statt Diskurs | |
| Ich befürworte Ideologiekritik und Kritik am Rundfunk. Ich befürworte | |
| „unangenehme Fragen“, auch bei Gender und Sexualität. Was ich nicht | |
| befürworte: das Diffamieren und Dämonisieren queerer Belange. Das ist kein | |
| Diskurs, sondern ein Austesten von Grenzen des Sagbaren zur Steigerung der | |
| Erregbarkeit der Volksseele. Die Folge: Queers fühlen sich in keinem Medium | |
| sicher und willkommen. | |
| Es wäre ein Leichtes für Redaktionen, sich hier Standards zu geben, ohne | |
| ein Gramm Pluralismus zu opfern. Es wäre leicht zu entscheiden, nichts zu | |
| veröffentlichen, was Menschengruppen zu „Lobbys“ erklärt; was Minderheiten | |
| „Agenden“ unterstellt oder die Absicht, Kindern zu schaden; was komplexe | |
| Entwicklungen zu „Trends“ herabwürdigt oder Diskriminierung rundheraus | |
| leugnet. Eine Debatte mit derlei Regeln wäre kein Stück weniger lebhaft | |
| oder produktiv. Im Gegenteil, vielleicht würden sich sogar ein paar Queers | |
| beteiligen. | |
| 10 Jun 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.welt.de/debatte/kommentare/article178121522/Gastbeitrag-Warum-w… | |
| [2] https://www.spiegel.de/spiegel/sigmar-gabriel-wie-die-spd-auf-den-rechtspop… | |
| [3] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/wolfgang-thierse-wie-viel-i… | |
| [4] /Veraltete-Genderdebatten/!5710022 | |
| [5] https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus239113451/Oeffentlich-rechtliche… | |
| [6] https://www.welt.de/debatte/article239180477/Mathias-Doepfner-Unser-Haus-st… | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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