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# taz.de -- Selbstbestimmungsgesetz: Gender vs. Gender
> Kritiker_innen behaupten, die Reform des Transsexuellengesetzes spiele
> soziales und biologisches Geschlecht gegeneinander aus. Das stimmt nicht.
Bild: Geschlecht ist mehr als ein Genital
Unser biologisches Geschlecht ist wichtig für einige medizinische Belange,
darunter Fortpflanzung, und sonst für nicht viel. Biologisches Geschlecht
(„sex“) hat seine Bedeutung de facto verloren. Sein angeblich massiver
Einfluss auf Fähigkeiten und Neigungen, an den wir früher glaubten, ist
widerlegt. Seltenst checken wir im Alltag jemandes biologisches Geschlecht.
Wir ziehen höchstens Rückschlüsse darauf. Was uns eigentlich umtreibt, vom
Ankleiden am Morgen bis zu den politischen Debatten am Abend, ist das
soziale Geschlecht: [1][gender].
Deswegen trifft es die Sache nicht ganz, wenn über die anstehende
[2][Reform des Transsexuellengesetzes] jetzt häufig gesagt wird, da würde
sex gegen gender verhandelt.
Niemand interessiert das sex. Das biologische Geschlecht ist ein putziges
Steckenpferd passionierter Hormonzähler*innen und
Genitalbetrachter*innen. Was gerade politisch und rechtlich gegeneinander
verhandelt wird, sind zwei Seiten von gender: Das Innen und das Außen.
Innen heißt: die eigene Gewissheit, welchem Geschlecht ich angehöre; und
Außen: die Erfahrungen, Diskriminierungen und Privilegien, die mir im
Patriarchat zukommen, weil man mir ein Geschlecht zuschreibt.
Die Regierung will demnächst ein [3][Selbstbestimmungsgesetz] entwerfen.
Das soll entwürdigende und unverhältnismäßige Hürden bei der Änderung des
Geschlechtseintrags abbauen. Das amtliche Geschlecht wäre dann nicht mehr
fremd- sondern selbstdefiniert. Der Staat würde das Innen, die individuelle
Gewissheit, ernst nehmen. Für transgender Bürger*innen hieße das:
Anerkennung und ein Leben in Würde – was ihnen übrigens zusteht.
Nun sagen einige: „Hallo, pardon, es gibt aber noch das Außen. Denn welche
genderbasierten Erfahrungen eine Person im Laufe ihres Lebens macht und
welchen patriarchalen Diskriminierungen sie ausgesetzt ist, entscheidet
nach wie vor niemand selber. Schön wärs ja.“
Sie sagen: „Deshalb haben wir Gleichstellungspolitik, Antidiskriminierung
und (cis-)Frauenförderprogramme. Und die funktionieren nun mal oft nach der
Formel sex = gender = Innen = Außen und dass man Menschen eben objektiv
diesen Gruppen zuteilen kann. Das zu entkoppeln macht doch alles, nun ja,
zu kompliziert! Oder?!“
Das ist ein „Wo-kommen-wir-da-hin?“-Reflex, aber es stimmt: Wenn Geschlecht
an einem Punkt im Recht diverser wird, entstehen anderswo Lücken, Bedarfe.
Wie sind trans und cis Frauen gleichermaßen und doch differenziert zu
schützen? Wo sind trans und cis Männer analog in die Pflicht zu nehmen, wo
nicht? Welche „objektiven“ Kriterien sind denkbar außer Genitalbeschau?
Diese und andere Fragen werden uns Jahre oder Jahrzehnte beschäftigen. Das
ist nicht die Schuld von trans Menschen. Das war unausweichlich und
überfällig. Nicht trans Menschen haben Geschlecht kaputtgemacht. Es war von
Anfang an verkorkst.
27 May 2022
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Gender
[2] /Hetze-gegen-Selbstbestimmungsgesetz/!5818120
[3] /trans-Aktivistin-startet-Petition/!5790312
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Kolumne Unisex
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Transgender
IG
Schwerpunkt LGBTQIA
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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