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# taz.de -- Tarifverhandlungen 2022: Kaum Spielraum für Gewerkschaften
> Angesichts von Inflation und hohen Energiepreisen dürften die
> Tarifverhandlungen 2022 schwierig werden. Die bisherigen Ergebnisse sind
> bescheiden.
Bild: Vor schwierigen Tarifverhandlungen: die neu gewählte DGB-Vorsitzende Yas…
Berlin taz | Die Ansage [1][der neugewählten DGB-Vorsitzenden] dürfte
Beschäftigtenherzen höherschlagen lassen. Die Gewerkschaften ließen sich
„diesen Unsinn einer Lohn-Preis-Spirale wegen der grassierenden Inflation
nicht aufquatschen“, gab sich [2][Yasmin Fahimi] kämpferisch. „Wer jetzt
Lohnzurückhaltung verlangt, der will in Wahrheit nichts anderes, als die
Krisenbewältigung allein auf dem Rücken der Beschäftigten abzuladen“, sagte
sie mit Blick auf die anstehenden Tarifverhandlungen in diesem Jahr. „Und
das werden wir nicht mitmachen.“ Der Beifall [3][auf dem
DGB-Bundeskongress], der an diesem Donnerstag in Berlin zu Ende geht, war
groß.
Doch es wird schwer werden für die Einzelgewerkschaften des DGB, das Wort
Fahimis zu halten. Für knapp 10 Millionen Arbeitnehmer:innen wird in
diesem Jahr über neue Vergütungstarifverträge verhandelt. Die größte Gruppe
sind dabei die rund 3,8 Millionen Beschäftigten in der Metall- und
Elektroindustrie. Mit welchen Forderungen die IG Metall in die im Herbst
beginnenden Tarifverhandlungen gehen wird, ist derzeit noch offen. Das
sieht in der Eisen- und Stahlindustrie anders aus, wo an diesem Freitag die
Tarifrunde startet: Für die 92.000 hier Beschäftigten fordert die IG Metall
ein Lohnplus von 8,2 Prozent.
Das ist eine ambitionierte Forderung. Die Ergebnisse der bereits in diesem
Jahr abgeschlossenen Tarifrunden liegen in der Regel deutlich darunter und
werden angesichts der hohen Inflationsrate zu Reallohnverlusten führen.
Das gilt beispielsweise für die Verdi-Abschlüsse in der Druckindustrie (2
Prozent mehr ab Mai, weitere 1,5 Prozent ab Mai 2023), den Tageszeitungen
(500 Euro Coronaprämie und 1,5 Prozent ab September, weitere 2 Prozent ab
Juni 2023), im Versicherungsgewerbe (Einmalzahlungen von 500 Euro in diesem
und 550 Euro im nächsten Jahr, 3 Prozent mehr ab September und weitere 2
Prozent zum 1. September 2023) oder im privaten Bankgewerbe (plus 3 Prozent
ab August, weitere 2 Prozent zum 1. August 2023 sowie zwei Einmalzahlungen
von jeweils 500 Euro).
## Gewerkschaften unter Druck
Auf einem vergleichbaren Niveau bewegt sich der Abschluss der IG BCE für
die Beschäftigten in der industriellen Fotoentwicklung: Sie erhalten eine
Lohnerhöhung von 3,5 Prozent ab März und weitere 3,3 Prozent ab August
2023.
Die Hauptauseinandersetzung im Chemiebereich wurde indes Anfang April auf
den Herbst vertagt: Die 580.000 Tarifbeschäftigten in der
chemisch-pharmazeutischen Industrie erhalten zunächst einmal nur eine
Brückenzahlung in Höhe von einmalig 1.400 Euro, die von notleidenden
Betrieben auf 1.000 Euro reduziert werden kann. Ab Oktober will dann die IG
BCE mit der Arbeitgeberseite „klären, inwieweit die zunächst kurzfristig
gegen die ausufernde Inflation wirkende Entlastung in eine nachhaltige,
tabellenwirksame Entgelterhöhung gewandelt werden kann“.
Die [4][unter Mitgliederschwund leidenden Gewerkschaften] stehen mächtig
unter Druck. „Wir schaffen bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne und
Gehälter“, sagte die neue DGB-Chefin Fahimi in ihrem Grundsatzreferat am
Montag. Genau hier liegt die Attraktivität – und Notwendigkeit – von
Gewerkschaften.
Aber ob sie dem gerecht werden können, liegt nicht alleine in ihrer Hand.
Schon in der Coronapandemie sahen sie ihre Arbeitskampfmöglichkeiten
drastisch reduziert, was sich entsprechend negativ auf die Tarifabschlüsse
ausgewirkt hat. Jetzt sind die Gewerkschaften aufgrund des Ukrainekriegs
auch noch mit einer äußerst unsicheren wirtschaftlichen Situation
konfrontiert, die erneut ihren Spielraum stark einschränkt. Einerseits ist
angesichts schon jetzt steigender Preise für Lebensmittel sowie
explodierender Energie- und Treibstoffkosten die Erwartungshaltung auf
wenigstens ausgleichende Lohnabschlüsse hoch.
Andererseits dürfte gerade in der energie- aber eben auch
personalintensiven Eisen- und Stahlindustrie der absehbare Arbeitskampf zum
Balanceakt werden: das Bestmögliche herauszuholen, ohne Arbeitsplätze zu
gefährden.
Ganz froh dürften die Gewerkschaften sein, dass sie in einigen größeren
Tarifbranchen in diesem Jahr nicht verhandeln müssen, weil die bestehenden
Verträge erst zum Ende 2022 auslaufen oder sogar über das Jahr hinaus
gelten. Dies gilt beispielsweise für die rund 2,7 Millionen Beschäftigten
im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen, deren aktueller
Tarifvertrag erst im Dezember ausläuft, aber auch für den Einzelhandel, das
KfZ-Gewerbe oder das Bauhauptgewerbe. Keine einfachen Zeiten für die
Gewerkschaften in Deutschland.
12 May 2022
## LINKS
[1] /Neue-DGB-Vorsitzende-Fahimi/!5850673
[2] /Yasmin-Fahimi-soll-DGB-Chefin-werden/!5827573
[3] /Auftakt-des-DGB-Bundeskongress/!5850891
[4] /Auftakt-des-DGB-Bundeskongress/!5850891
## AUTOREN
Pascal Beucker
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Gewerkschaft
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