| # taz.de -- Steigende Inflation: Gemüse dann mal von der Tafel | |
| > Ärmere Haushalte hadern mit den durch die Inflation steigenden | |
| > Lebensmittelpreisen. Auch für Bioläden sind die Zeiten schwierig. | |
| Bild: Im Vergleich zu anderen Gemüsesorten sind Möhren vergleichsweise billig… | |
| Berlin taz | Billiger wäre es, einfach eine Schokoladentafel nach der | |
| andern in sich hineinzustopfen: Im April sind die Preise für | |
| Schokoladentafeln im Vergleich zum Vorjahresmonat um fast 7 Prozent | |
| gesunken. Ansonsten aber klettern die Lebenshaltungskosten weiter in die | |
| Höhe und setzen vor allem ärmere Haushalte unter Druck: Im April lagen die | |
| Verbraucherpreise im Schnitt um 7,4 Prozent über dem Niveau des Vorjahres, | |
| verkündete [1][das Statistische Bundesamt.] Das ist die höchste | |
| Teuerungsrate seit der Wiedervereinigung im Jahre 1990. | |
| Vor allem die Energiepreise zogen binnen Jahresfrist um 35,3 Prozent an, | |
| aber auch Nahrungsmittel verteuerten sich überdurchschnittlich um 8,6 | |
| Prozent. | |
| „Wir sind ja keine Veganer, aber trotzdem versuchen wir zu jeder Mahlzeit | |
| einen Salat zu essen“, sagt Sandra Millstedt (Name geändert). Diese Maxime | |
| wird nun immer schwerer einzuhalten. Die Rentnerin besucht die | |
| Ausgabestelle der Berliner Tafel in der Kapernaum-Kirche in Berlin-Wedding. | |
| In ihrem Korb ganz oben liegen ein Brotlaib, Orangen, Lauch und ein Liter | |
| Hafermilch. Millstedt wohnt mit ihrem Mann zusammen, beide leben von Rente | |
| und aufstockender Grundsicherung. | |
| In einem schlechten Monat habe sie nur 100 Euro zum Essen für zwei zur | |
| Verfügung, sodass sie selbst bei Discountern nur Sonderangebote kaufe und | |
| ansonsten Sozialmärkte aufsuche, sagt die Rentnerin. Durch den Gang zur | |
| Tafel kann sie ihr knappes Budget schonen. Eine Tafelbesucher:in kann | |
| durch die Lebensmittelspenden je nach Ausgabestelle etwa 25,30 Euro pro | |
| Kopf im Monat an Kosten sparen. | |
| ## Ein Fünftel Einkommen für die Ernährung | |
| Bei [2][Haushalten mit einem Nettoeinkommen] von unter 1.300 Euro im Monat | |
| wird fast ein Fünftel des Einkommens für Nahrungsmittel und Getränke | |
| ausgegeben, bei Haushalten mit einem Einkommen von über 5.000 Euro liegt | |
| der Anteil nur bei knapp 14 Prozent, sagt das Bundesamt für Statistik. Je | |
| knapper das Haushaltsgeld, desto mehr schlagen die Teuerungen zu Buche. | |
| Verbraucher:innen suchen sich daher auch die Einkaufsstellen mehr und | |
| mehr nach der Preisstruktur aus. Das betrifft nicht zuletzt die Bioläden. | |
| „Wir spüren eine Kaufzurückhaltung bei den Kundinnen und Kunden im | |
| Facheinzelhandel für Biowaren“, sagt Hans Kaufmann, Sprecher des | |
| Bundesverbandes Naturkost Naturwaren (BNN) der taz. | |
| Bisher habe es im Bio-Einzelhandel noch keine größeren Preissteigerungen | |
| gegeben, aber wegen der steigenden Preise für Rohstoffe und Energie werde | |
| sich das „mittelfristig nicht vermeiden lassen“, meint Kaufmann. Der | |
| Verband verweist auf das BioHandel-Umsatzbarometer, laut dem sind die | |
| Tagesumsätze im Bio-Einzelhandel im März im Vergleich zum Vorjahr um 18,4 | |
| Prozent zurückgegangen. | |
| ## Weißkohl ist günstig | |
| Zuzeiten der Coronapandemie und der Lockdowns, als jeder Einkauf schon | |
| Erlebnischarakter hatte, gingen die Marktanteile der Discounter wie Aldi | |
| zugunsten der Supermärkte wie Rewe zurück. Nun, angesichts der Teuerungen, | |
| erwarten Experten wie der Handelsexperte Martin Fassnacht von der | |
| Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf den umgekehrten Trend. „Jetzt | |
| schlägt wieder die Stunde der Discounter“, sagte Fassnacht der | |
| Nachrichtenagentur dpa. | |
| Allerdings verteuert sich nicht alles Gemüse: [3][Laut der | |
| Sonderauswertung] des Statistischen Bundesamtes ist etwa im April im | |
| Vergleich zum Vorjahresmonat der Preis für Tomaten und Gurken um 30 bis 40 | |
| Prozent gestiegen, für Blumenkohl, Weißkohl- und andere Kohlarten hingegen | |
| um 11 Prozent gesunken. Deutlich teurer geworden sind Speiseöle, Butter, | |
| Mehl. | |
| „Die Gründe für Preissteigerungen beim Öl sind offensichtlich – | |
| Sonnenblumenöl aus Russland fällt weg, dadurch Umstieg auf Ersatzöle wie | |
| Rapsöl, da haben wir eine gute Selbstversorgung“, sagt Carsten Kortum, | |
| Experte für Konsumgüterhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg | |
| (DHBW) im Gespräch mit der taz. Milch werde knapper, „weil Bestände | |
| abgebaut werden und vor allem Energiekosten und Logistikpreise steigen“, so | |
| Kortum. Frisches Obst und Gemüse käme immer noch vor allem aus Spanien und | |
| Italien. „Was von hier kommt, stammt meist aus Gewächshäusern, die mit | |
| Erdgas betrieben werden, welches nun sehr viel teurer geworden ist“, sagt | |
| der Wirtschaftsexperte. | |
| Die Energiekrise, der Ukrainekrieg, schlechte Ernten, sowie gestörte | |
| Lieferketten durch die Covid-Pandemie werden von Ökonomen für die | |
| Teuerungen verantwortlich gemacht. Wenn der gesetzliche Mindestlohn im | |
| Oktober auf 12 Euro steigt, ist mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen. | |
| Entspannung ist also erst mal nicht in Sicht. | |
| 11 May 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/05/PD22_196_611.h… | |
| [2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebe… | |
| [3] https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/T… | |
| ## AUTOREN | |
| Betania Bardeleben | |
| Barbara Dribbusch | |
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