| # taz.de -- Rechte Anschlagsserie in Neukölln: Es gibt noch viel mehr zu klär… | |
| > Ausgerechnet die FDP verhindert, dass im Neukölln-Untersuchungsausschuss | |
| > AfD-Mitglieder sitzen. Das ist richtig, auch wenn die Taktik unklar | |
| > bleibt. | |
| Bild: Solidaritätsdemo in Neukölln 2018 nach einem wohl rechten Anschlag auf … | |
| Jede demokratische Partei muss sich immer wieder fragen, ob sie noch | |
| gebraucht wird. Das gilt derzeit bundesweit vor allem für die Linke, in | |
| Berlin hingegen schon seit Jahren besonders für die FDP. Die One-Man-Truppe | |
| von Sebastian Czaja mit ihrer Ein-Thema-Agenda – die Offenhaltung von | |
| schrottigen Flughäfen beziehungsweise deren Bebauung, wenn sie dann | |
| geschlossen sind – trägt ihr Label „Liberale“ seit langem nur noch wie | |
| einen Ex-Lieblingspullover, von dem man sich aus sentimentalen Gründen | |
| nicht trennen kann, obwohl die Motten längst das meiste genüßlich verspeist | |
| haben. | |
| Ausgerechnet bei der [1][Einsetzung des Untersuchungsausschusses zum | |
| Terrorkomplex Neukölln durch das Berliner Abgeordnetenhaus] am Donnerstag | |
| hat Czaja das gelb-löchrige Stück aus dem Schrank geholt. Denn es ist dem | |
| Abstimmungsverhalten einiger FDP-Abgeordneter zu verdanken, dass im | |
| Ausschuss keine Mitglieder der AfD-Fraktion sitzen werden. Es waren vor | |
| allem die FDP-Stimmen, sowie die je eines Abgeordneten von Linken und | |
| Grünen, die eine einfache Mehrheit für die AfD-Kandidaten Antonin Brousek | |
| und seinen Stellvertreter Karsten Woldeit verhinderten. | |
| Dabei gibt es gute Gründe, Mitglieder der extrem rechten Partei [2][von der | |
| Aufklärungsarbeit des Ausschusses auszuschließen]. Schließlich ist ein | |
| ehemaliges AfD-Mitglied maßgeblich in die Anschlagsserie verwickelt. Einer | |
| der hauptverdächtigen Neonazis, Tilo P., war während der Anschlagsserie | |
| Beisitzer im Bezirksvorstand der AfD Neukölln. Es ist eine der Aufgaben des | |
| Ausschusses herauszufinden, welche Verbindungen zwischen der Partei und der | |
| Berliner Neonaziszene bestanden und vielleicht bestehen. | |
| Die Befürchtungen, dass Erkenntnisse aus dem Ausschuss von den | |
| AfD-Mitgliedern an rechtsextreme Kreise weitergegeben und sie die Arbeit | |
| des Ausschusses damit konterkarieren, sind weit verbreitet in linken | |
| Kreisen und werden sogar von der Berliner CDU geteilt. Sie warf der AfD in | |
| der Debatte in dieser Hinsicht Befangenheit vor. | |
| Doch die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und Linke traute sich nicht, | |
| gemeinsam und offensiv die AfD-Mitglieder aus dem Ausschuss fernzuhalten. | |
| Stattdessen enthielten sich fast alle rot-grün-roten Abgeordneten bei deren | |
| Wahl. Konsequente Kante gegen rechts sieht anders aus. | |
| Der Grund für dieses, im besten Fall diplomatisch zu nennende | |
| Wahlverhalten: Das Berliner Gesetz über die Untersuchungsausschüsse | |
| schreibt eindeutig vor, dass „jede Fraktion mindestens durch ein Mitglied | |
| vertreten sein muss“. Somit stehen nun einige dringende rechtliche Fragen | |
| im Raum: Ist der Ausschuss überhaupt arbeitsfähig? Muss es nicht Ausnahmen | |
| geben können von dieser Vorgabe, sprich: Muss das Gesetz überarbeitet | |
| werden? | |
| AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker sagte am Freitag, die Fraktion | |
| werde gegebenenfalls vor den Landesverfassungsgerichtshof ziehen. Ein | |
| Sprecher des Abgeordnetenhauses erklärte hingegen, der Ausschuss werde mit | |
| zehn statt mit elf Mitgliedern die Arbeit erst mal aufnehmen: „Der | |
| Ausschuss ist eingesetzt.“ | |
| Es ist richtig, dass die juristischen Fragen nun aufgeworfen und | |
| abschließend geklärt werden können – auch wenn das die Arbeit des | |
| Ausschusses vielleicht noch einmal verzögern könnte. Aber wir erinnern uns: | |
| Die gesamte letzte Legislatur hat die SPD im Regierungsbündnis diesen | |
| Ausschuss blockiert. Erst als auch vom damaligen SPD-Innensenator Andreas | |
| Geisel eingesetzte Sonderermittler peinlicherweise nicht voran kamen, | |
| rangen sich die Sozialdemokraten zu einem Ja zum Untersuchungsausschuss | |
| durch. | |
| Angesichts dieser Vorgeschichte, angesichts der vielen Pannen bei der | |
| Ermittlungsarbeit, angesichts der Tatsache, dass die polizeilichen | |
| Erkenntnisse über die rechtsextreme Terrorserie derart dürftig sind, muss | |
| der Ausschuss sicher und ohne mögliche Spione in den eigenen Reihen | |
| arbeiten können. | |
| ## In der Debatte war die FDP gegen den Ausschuss | |
| Dass dies nun ausgerechnet dank der FDP passiert, ist zumindest ein | |
| bisschen überraschend. Zwar rühmt sich Sebastian Czaja in einer | |
| Stellungnahme gegenüber der taz nach der Abstimmung, dass die „Freien | |
| Demokraten klar und immer konstruktiv gegen Rechtsextremismus einstehen“ | |
| würden, wozu auch die „konsequente Abgrenzung gegenüber der AfD“ gehöre … | |
| man eben nicht mit der AfD stimme, erst recht nicht bei diesem | |
| Untersuchungsausschuss. | |
| Allerdings hatte der FDP-Abgeordnete Stefan Förster noch in der Debatte | |
| keinerlei Notwendigkeit gesehen, den Untersuchungsausschuss überhaupt | |
| einzusetzen. Noch offene Fragen hätten auch im Innenausschuss geklärt | |
| werden können, begründete er die ablehnende Haltung seiner Partei. Nun | |
| mutmaßen manche, der von der FDP erwirkte Ausschluss der AfD-Mitglieder sei | |
| Parteitaktik, um den Ausschuss letztlich juristisch zu torpedieren. | |
| Ob dem so ist, ob also Sebastian Czaja den liberalen Ex-Lieblingspulli am | |
| Morgen versehentlich aus dem Schrank gefischt hat, bleibt vorerst | |
| Spekulation – genauso wie die Frage, ob diese vermeintliche Taktik aufgeht. | |
| Von daher kann man sich an die Fakten halten: Die AfD arbeitet nicht in dem | |
| Ausschuss mit. Und das ist richtig so. | |
| 7 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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