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# taz.de -- Tatmotiv Rassismus?: „Burak fehlt jeden Tag“
> Vor zehn Jahren, am 5. April 2012, wurde Burak Bektaş in Neukölln
> erschossen. Ein Täter wurde bis heute nicht ermittelt.
Bild: Gedenken am Mahnmal für den Mord an Burak Bektaş gibt es auch in diesem…
BERLIN taz | „Für mich macht es keinen Unterschied, ob es zwei Jahre sind
oder zehn Jahre. Jeder Tag ohne meinen Sohn ist für mich schwer“, sagt
Melek Bektaş. Zehn Jahre nach dem Mord an ihrem Sohn Burak mag sie zwar
nicht mehr daran glauben, dass die Polizei den Täter noch findet, „aber ich
will die Hoffnung darauf trotzdem nicht verlieren. Ich weiß, dass mein Sohn
nicht zurück kommt. Aber der Täter sollte seine Strafe bekommen.“
Vor [1][zehn Jahren, in der Nacht auf den 5. April 2012, feuerte ein
Unbekannter an der Rudower Straße in Neukölln mehrere Schüsse auf eine
Gruppe junger Männer ab]. Burak Bektaş und seine Freunde hatten den Abend
gemeinsam in einem nahen Park verbracht warteten dort auf den Nachtbus. Die
Kugeln trafen drei von ihnen. Zwei der Freunde überlebten die Schüsse
lebensgefährlich verletzt. Der 22-jährige Burak starb im Krankenhaus. Eine
Kugel hatte seine Lunge durchbohrt. Der Täter entfernte sich unerkannt vom
Tatort.
Die Ermittlungen in dem Fall dauern zwar an, aber bis heute haben Polizei
und Staatsanwaltschaft keine Hinweise auf den Täter. Das bestätigten die
zuständigen Staatsanwälte am Freitag in einem kurzfristig organisierten
Pressegespräch. Seit 2020 hätten neue Mitarbeiter*innen die bisherigen
Ermittlungen „akribisch überprüft“. Doch Fehler seien nicht zu erkennen,
die Kolleg*innen hätten professionell und engagiert gearbeitet, hieß es.
## Staatsanwaltschaft plant Rasterfahndung
Als nächster Schritt könne nun noch eine Rasterfahndung erfolgen, erklärte
die derzeit für den Fall zuständige Staatsanwältin an. „Damit können wir
noch mal Telefonnummern, Meldedaten von Anwohner*innen und etwa
Informationen aus allen Krankenhäusern in der Tatnacht mit den bisherigen
Ermittlungen abgleichen.“ Dazu sei ein richterlicher Beschluss nötig.
Außerdem habe man sich den Schützenverein und dessen Waffenlager in der
Nähe des Tatorts noch mal angesehen. Es hätten sich aber keine neuen
Hinweise ergeben. „Es ist eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, sagte
die Staatsanwältin. „Aber wir suchen noch.“
Die Staatsanwaltschaft teilte zudem mit, dass die Polizei im Januar Rolf Z.
vernommen habe. [2][Z. wurde für den Mord an dem 31-jährigen Luke Holland
im September 2015 verurteilt]. Er hatte ihn vor einer Kneipe in Neukölln
mit einer Schrotflinte erschossen – Täter und Opfer kannten sich nicht.
[3][Auch in den Akten zum Mord an Bektaş taucht Z. auf]. In dessen Wohnung
hatte die Polizei damals Nazidevotionalien gefunden, außerdem soll er sich
darüber beklagt haben, dass in seiner damaligen Stammkneipe nur noch
Englisch und Spanisch gesprochen würde. „Rolf Z. wäre als Täter im Fall von
Burak Bektaş vorstellbar“, bestätigten die Staatsanwälte am Freitag.
Rassismus als Tatmotiv sei nicht auszuschließen, aber es gäbe auch keine
Hinweise darauf.
Doch gerade weil Täter und Opfer sich nicht kannten, geht die Initiative
für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş davon aus, dass Rassismus im
Spiel war. Die Tat weise Ähnlichkeiten zu den Verbrechen des NSU auf. Und
wie beim NSU auch wirft die Initiative den Behörden vor, diesem Motiv in
den Ermittlungen nicht ausreichend nachgegangen zu sein. „Von Anfang an
hieß es, die Behörden ermitteln in alle Richtungen“, sagt Helga Seyb von
der Initiative. „Doch sie hätten sich direkt mehr auf Rassismus
konzentrieren müssen, denn es war klar, dass niemand in irgendwelche
kriminellen Machenschaften verwickelt war. Wir hätten uns gewünscht, dass
hier die vielbeschworenen Konsequenzen aus den Taten des NSU tatsächlich
gezogen worden wären. Das kann man nicht mehr gut machen“, sagt sie.
Außerdem hätten die Behörden Haustürbefragungen nicht ausreichend
ausgewertet, Berichte extrem spät weitergegeben und seien wichtigen
Hinweisen auch auf Rolf Z. nicht nachgegangen.
## Untersuchungsausschuss für Neukölln-Komplex
Dass nun ein [4][Untersuchungsausschuss die Arbeit der Ermittlungsbehörden
in Bezug auf den Rechtsterror im Neukölln-Komplex] noch mal beleuchten
soll, könnte dazu beitragen. „Ein Untersuchungsausschuss wird ja
grundsätzlich keine Verbrechen aufklären, aber er wird möglicherweise
untersuchen können, was es für Schwierigkeiten gibt für
Ermittlungsbehörden, das aufzuklären“, sagt Seyb. „Ich verspreche mir
davon, dass es eine Erklärung dafür gibt, warum es da eigentlich seit
Jahren keinerlei Aufklärung von etwa Brandstiftungen oder Anschlägen auf
Buchläden gibt.“
Die [5][Initiative will sich auch weiter für das Gedenken an Burak Bektas
einsetzen und den Gedenkort pflegen]. „Es gibt dort immer wieder Pöbeleien
und auch Beschädigungen“, sagt sie. „Wir sorgen dafür, dass so etwas schon
am nächsten Tag wieder in Ordnung gebracht ist“, sagt sie. „Und auch bei
den Ermittlungen zu diesen Beschädigungen kam ja bisher nichts heraus.“
„Nach all den Ermittlungen sagen sie uns immer noch das, was sie am ersten
Tag schon gesagt haben“, sagt Buraks Mutter Melek Bektaş. „Dass Burak zur
falschen Zeit am falschen Ort war.“ Sein Tod sei aber kein Unfall gewesen.
„Jemand hat ihn mit Absicht erschossen. Unser Ziel ist es, den Täter zu
finden“, sagt sie. Dafür kämpfe sie seit zehn Jahren, und sie sei sehr
Dankbar für die Unterstützung, die sie von vielen Seiten erfahre. „Doch der
Schmerz bleibt. Burak fehlt. Er fehlt immer noch, jeden Tag.“
4 Apr 2022
## LINKS
[1] /Burak-Bektas/!t5357019
[2] /Unaufgeklaerter-Mord-an-Burak-Bekta/!5394316
[3] /Ungeklaerte-Morde-an-Migranten/!5265134
[4] /Untersuchungsausschuss-Neukoelln-Komplex/!5841800
[5] /Gedenkort-fuer-Burak-Bektas/!5394276
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
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Schwerpunkt Rassismus
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