| # taz.de -- Vergessenes iranisches Poptalent: Mit den Blumen sprechen | |
| > Touraj galt einst als iranisches Poptalent. Nach der islamischen | |
| > Revolution erhielt er Betätigungsverbot. Höchste Zeit für eine | |
| > Wiederentdeckung. | |
| Bild: Das waren noch psychedelische Hemdenmuster: Touraj Shabankhani in den Sie… | |
| Wenn zwei Menschen, die eine mit, die andere ohne persische | |
| Sprachkenntnisse, unabhängig voneinander den gleichen Song beeindruckend | |
| finden, spricht das für die Fähigkeit der Musik, Botschaften zu vermitteln. | |
| „Baghche“ (Garten) ist eine schwermütige Ballade mit säuselndem Keyboard, | |
| im Hintergrund rollt die Kelchtrommel Tonbak, darüber erhebt sich der | |
| Gesang von Touraj Shabankhani, flatterhaft und zärtlich zugleich. | |
| Mit den Worten des iranischen Dichters Farhad Sheibani spricht er mit den | |
| Blumen, jede symbolisiert einen geliebten Menschen, dessen Träume verloren | |
| sind, dessen Stimme nur hier, im geschützten Garten erblühen kann, nicht | |
| aber die Außenwelt beglücken darf. | |
| So erging es vielen Künstler:Innen während des Schah-Regimes. | |
| Shabankhani betrauert Unfreiheit und das schreiende Unrecht an politisch | |
| Andersdenkenden, durch die Blume nicht nur in diesem Lied. Geboren 1951 in | |
| Teheran, bringt er sich als Jugendlicher das Gitarrenspiel bei. Als junger | |
| Mann gründet er mit Gleichgesinnten eine Band, sie treten mit | |
| Coverversionen westlicher [1][Rockmusik] auf. | |
| ## Vertonung von klassischer Lyrik | |
| Schließlich komponiert er eigene Songs und für Sänger:Innen wie | |
| Fereydoun Foroughi, Ebi und Sattar – heute klingende Namen der iranischen | |
| Popmusik der 1970er. Eine Besonderheit dieser Ära ist, dass Sänger:Innen | |
| klassische persische Lyrik vertonen oder mit Dichtern zusammenarbeiten. Die | |
| auf dem Album „Me, without you, the spring, without you“ versammelten | |
| Aufnahmen sind zwischen 1973 und 1978 entstanden. Shabankhani begleitet | |
| sich auf der Gitarre, oft umschmeichelt eine Flöte seine Stimme. Streicher | |
| verstärken das Ausdrucksspektrum der Melodien, ohne je in Kitsch | |
| abzudriften. | |
| Auf alten Fotos ist er in bunten Hemden und Schlaghose gekleidet, eher kein | |
| Salonlöwe, sondern ein bescheidener, optimistischer Typ. Noch als älterer | |
| Herr ist er bildhübsch mit einem gewinnenden Lächeln. Auch er musste | |
| verstummen, als die islamische Revolution 1979 der Popmusik im Land ein | |
| jähes Ende bereitete. | |
| Zahlreiche Musikschaffende verließen den Iran, Shabankhani durfte weder | |
| auftreten noch Musik veröffentlichen. Er arbeitete als Antiquitätenhändler. | |
| Erst 1996 gab er wieder ein Konzert und erfuhr bis zu seinem Tod 2019 | |
| Anerkennung nur durch alte Weggefährten und jüngere Musiker. | |
| ## Gemeinsames Projekt Wiederveröffentlichung | |
| Die Wiederveröffentlichung ist ein Gemeinschaftswerk von Hosein Assaran, | |
| der Shabankhanis Nachlass verwaltet, mit dem Sammler Ali Bakhtiari, der | |
| wiederum den Münchner Kurator und DJ [2][Sebastian Reier] mit Assaran | |
| bekannt machte. Reier stellte den Kontakt zum Berliner Label Fun in the | |
| Church her, das Mastering der alten Tonbänder besorgte der Toningenieur | |
| Parsa Gharavizad in Teheran. | |
| Leider sind die vierzehn Songtexte nicht, wie sonst üblich, auf Finglish, | |
| also Persisch in lateinischer Schreibweise wiedergegeben, sondern nur auf | |
| Englisch, weshalb der Austausch mit iranischen Freund:innen lohnt. „Er | |
| spricht viel über Hoffnung und Träume in düsteren Zeiten,“ sagt die in | |
| Osnabrück lebende Musikerin Shabnam Parvaresh. | |
| „Seine Texte sind sehr ehrlich und sein künstlerischer Ausdruck gefällt mir | |
| sehr gut.“ Und der Dichter und Schauspieler Ali Kamrani, Jahrgang 1952, | |
| seit 1979 in Deutschland, ergänzt die Übersetzung einer Liedzeile aus | |
| „Kavir“ (Wüste): „Ich bin eine alte, trockene Wüste, die keine Erfrisch… | |
| annimmt. In meinen Träumen sehe ich die Geburt des Frühlings. Ich bin wie | |
| ein grüner Wald, ich rieche reinen, grünen Duft. Aber das ist wie ein | |
| Traum, mein Körper ist durstig.“ Die Ausbreitung der Wüste, sie ist bis | |
| heute Symbol der Unterdrückung. | |
| 5 May 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://youtu.be/gErtzGWjCOA | |
| [2] /Archiv/!s=&Autor=Sebastian+Reier/ | |
| ## AUTOREN | |
| Franziska Buhre | |
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