# taz.de -- Dokfilm über Irans Musikikone Googoosh: Mit Politik erwachen | |
> Im Dokfilm „Googoosh – Made of Fire“ porträtiert Niloufar Taghizadeh | |
> Musikikone Googoosh. Sie wurde Weltstar trotz jahrzehntelangem | |
> Auftrittsverbot. | |
Bild: Googoosh im Sessel | |
Die ersten Minuten lassen bereits erahnen, dass sich die Geschichte einer | |
der wichtigsten iranischen Künstlerinnen aller Zeiten nicht ohne die | |
Geschichte des Iran erzählen lässt. | |
Gleich zu Beginn des Dokumentarfilms „Googoosh – Made of Fire“ sind | |
Videoaufnahmen von Ruhollah Khomeini zu sehen, wie er an jenem | |
verhängnisvollen Tag im Februar 1979 iranischen Boden betritt – um ein | |
ganzes Land zur Geisel seiner fanatischen, islamistischen Ideologie zu | |
machen. Unterlegt sind diese Aufnahmen mit einem der berühmtesten Stücke | |
von Googoosh: „Talagh“. Khomeini erscheint, von dieser stolzen Musik | |
begleitet, unsagbar schäbig. | |
Das Leben der [1][Sängerin und Schauspielerin Googoosh], Geburtsname | |
Faegheh Atashi, steht im Zentrum des neuen Films der Regisseurin Niloufar | |
Taghizadeh, „Googoosh – Made of Fire“. Das Leben von Googoosh ist eng mit | |
der Geschichte des Iran und der Islamischen Republik verflochten, und so | |
geht es im Film nicht nur um das Auf und Ab im Leben der iranischen | |
Musik-Ikone, sondern auch um das Auf und Ab der iranischen Geschichte. | |
## Enge Begleitung | |
Taghizadeh hat Googoosh für ihren Film eng begleitet, bis zu privaten | |
Momenten mit ihrer Enkeltochter. Getragen ist die Dokumentation aber durch | |
Gespräche mit Googoosh selbst, die authentisch und unverstellt auf ein | |
langes, oft schmerzvolles Künstlerleben zurückblickt. Schon als Kind, zu | |
Zeiten des Schah, sang Googoosh auf Bühnen und schauspielerte in Filmen. | |
Der Weltstar hat zahlreiche Alben aufgenommen, nicht nur auf Persisch, auch | |
auf Englisch, Französisch und Italienisch. Ihre größte Verbundenheit hatte | |
die heute 74-Jährige aber zur Heimat, dem Iran. | |
Und so kehrte Googoosh, die zurzeit der [2][Islamischen Revolution] in den | |
USA weilte, trotz aller Warnungen zurück nach Hause. Die damals junge Frau | |
wurde erst verhört und festgenommen; dann wurde ihr, wie allen Frauen im | |
Land, das Singen verboten und Konzerte ebenfalls. 21 Jahre lang war sie in | |
diesem Land, in diesem Zustand, „eingesperrt“, wie sie es selbst | |
beschreibt. Diese jahrzehntelange Abwesenheit tat Ihrem Ruhm und ihrer | |
Beliebtheit freilich keinen Abbruch – ihre Musik wurde über all die Jahre | |
weiter gehört, im Iran und in aller Welt. Bis heute. | |
„Ihre Musik ist kompositorisch sehr gut ausgefeilt“, erklärt Bahar | |
Roshanai. Die studierte Musikerin arbeitet für die Körber-Stiftung in | |
Hamburg und ist Kennerin iranischer Klänge. „Googoosh gelingt es | |
beispiellos, persische Lyrik mit westlichen Harmonien zu verbinden, | |
weswegen ihre Musik so einzigartig, universell und zeitlos ist und alle | |
Kulturen und Generationen anspricht.“ | |
## Die Jahrzehnte überdauern | |
Das ist sicher ein Teil der Erklärung, warum die Lieder von Googoosh | |
Jahrzehnte überdauern. Sie werden auch heute noch von jungen | |
Iraner:innen auf der ganzen Welt gehört. Es gelingt Googoosh, mit ihren | |
Songs Generationen zu verbinden. Aber es gibt vielleicht noch eine weitere | |
Erklärung. | |
„Die Menschen, die zu meinen Konzerten kommen, denken an all ihre | |
Erinnerungen“, beschreibt Googoosh es im Film. „Die Erinnerungen an die | |
Häuser, die sie verloren haben, die Gärten, in denen sie spaziert sind, wie | |
sie sich verliebten, während sie diese Musik hörten. Wie sie mit dieser | |
Musik lebten, heirateten, Kinder bekamen.“ | |
Sie schaue bei ihren Konzerten in die Gesichter der Menschen und sehe sie | |
weinen, auch die jungen. Sie habe keine Antwort auf die Frage, warum ihre | |
Musik auch junge Iraner:innen so berühre, so Googoosh. Sie hätten doch | |
den Iran vor der Islamischen Revolution gar nicht selbst erlebt. | |
## Verlorene Heimat | |
Die Antwort könnte sein, dass viele Iraner:innen zweiter, dritter und | |
vierter Generation in ihren Elternhäusern mit der Musik von Googoosh | |
aufwachsen, egal, wo sie auf der Welt leben. Sie wachsen mit den | |
Geschichten über die verlorenen Häuser, die wunderschönen Gärten auf, mit | |
dem Schmerz über die verlorene Heimat. „Ich wurde von meiner Heimat | |
getrennt“, sagt Googoosh im Film über den Moment im Flugzeug, als sie den | |
Iran nach 21 Jahren verlassen durfte. | |
Da verstand sie, dass sie das Land nie wiedersehen würde. Ihre Augen | |
glänzen, als sie das sagt. Und mit ihr weinen wohl Millionen | |
Iraner:innen weltweit, die genau dieses Gefühl haben – egal, ob sie je | |
selbst im Iran gewesen sind oder nicht. Die Musik von Googoosh macht diesen | |
kollektiven Schmerz spürbar. | |
Und so wundert es nicht, wie viele Menschen sich 2022 nach dem [3][Tod von | |
Jina Mahsa Amini] für einen freien Iran und für Frau, Leben, Freiheit | |
eingesetzt haben – so auch Googoosh selbst. Es ist als Iraner:in wohl | |
fast unmöglich, unpolitisch zu sein. Es gibt nur wenige Menschen, die den | |
Iran verlassen, aus dem Land fliehen, ohne ein Trauma zu haben, in der | |
Familie, in sich selbst. In einem Staat, in dem Gewalt vorherrschend ist, | |
kommt fast jeder Mensch mit dieser Gewalt in Berührung. | |
„Wenn wir morgens aus dem Schlaf erwachen, erwachen wir mit Politik“, so | |
auch Googoosh im Gespräch mit Filmemacherin Taghizadeh. Dabei geht es in | |
ihren Liedern gar nicht um Politik; sie singt über Liebe, Freude, Trauer | |
und Schmerz. Und so sind es wohl diese grundlegenden menschlichen | |
Emotionen, die daran erinnern, was uns verbindet. | |
„Googoosh – Made of Fire“ zeigt einen tiefen Einblick in das Leben und in | |
die Seele der Jahrhundertkünstlerin. Es gelingt Niloufar Taghizadeh, | |
Googoosh in den Mittelpunkt zu setzen und gleichzeitig ein großes Bild zu | |
zeichnen, über den Iran, über seine Menschen, über seine Held:Innen. | |
7 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Gilda Sahebi | |
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