# taz.de -- Kriterien für nachhaltigen Wasserstoff: Grün und fair muss er sein | |
> Grüner Wasserstoff soll die deutsche Wirtschaft unabhängiger machen. | |
> Damit er wirklich nachhaltig ist, fordern Umweltverbände klare Regeln. | |
Bild: Die Wasserstoff-Produktionsanlage der Linde AG in Leuna in Sachsen-Anhalt | |
BERLIN taz | Grüner Wasserstoff gilt derzeit als großer Hoffnungs-träger. | |
Er soll schon bald [1][fossile Rohstoffe im Energie- und Industriesektor | |
ersetzen], Klimaneutralität und [2][Unabhängigkeit von Russland | |
gewährleisten]. Das Problem: Nicht jeder Wasserstoff ist grün. Je nach | |
Herstellungsverfahren können bei der Produktion klimaschädliche Emissionen | |
entstehen. Entweder, weil der Wasser-stoff direkt aus Erdgas gewonnen oder | |
weil zu seiner Elektrolyse Strom eingesetzt wird, der nicht aus | |
erneuerbaren Quellen stammt. | |
Die EU-Komission hat deshalb am Mittwoch eine Erweiterung der EU-Richtlinie | |
für erneuerbare Energien vorgestellt, in der Kriterien definiert werden, | |
die Wasserstoff erfüllen muss, um als grün gelten zu dürfen. | |
Laut diesen müssen Unternehmen nachweisen, dass der für die Elektrolyse | |
verwendete Strom aus erneuerbaren Quellen stammt und in derselben Stunde | |
produziert wurde wie der anschließend daraus elektrolysierte Wasserstoff. | |
Weiterhin müssen die Anlagen, die den Strom liefern, zusätzlich zu den | |
bereits bestehenden errichtet werden. So soll garantiert werden, dass die | |
Wasser-stoffproduktion nicht erneuerbare Energie verbraucht, die dann an | |
anderer Stelle fehlt und dort durch fossile ersetzt wird. | |
Parallel dazu hat eine breite Allianz aus Umwelt- und | |
Entwicklungs-verbänden, darunter der Bund für Umwelt und Naturschutz | |
Deutschland (BUND), Brot für die Welt und Heinrich-Böll-Stiftung, am | |
Mittwoch mit Blick auf den anstehenden G7-Gipfel in Elmau [3][ein | |
Forderungspapier] vorgestellt. Darin fordern die Verbände entsprechende | |
Kriterien nicht nur für die EU, sondern international. | |
## Erzeugerländer melden Bedenken an | |
Wasserstoff werde zukünftig zu einem großen Teil nicht in der EU, sondern | |
in Ländern des globalen Südens hergestellt, darunter Südafrika, Chile, | |
Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Marokko und Tunesien. Der gigantische | |
entstehende Markt stelle eine neue Nord-Süd-Wirtschaftsbeziehung dar. Die | |
Allianz fordert, diese „auf eine neue, nachhaltige und gerechte Grundlage | |
zu stellen.“ | |
Die Forderungen schließen sich dem von der EU-Kommission formulierten | |
Zusätzlichkeitskriterium an. Das heißt, der Ausbau von erneuerbaren | |
Energien zur lokalen Versorgung dürfe nicht durch die Wasserstoffproduktion | |
für den Export aufgefressen werden. | |
Weiterhin müssten Eingriffe in die Natur gering gehalten, Land-, Weide- und | |
Wassernutzungsrechte respektiert und zudem Arbeitsplätze und Know-How für | |
die lokalen Gemeinschaften zugänglich gemacht werden, betont Verena | |
Graichen, stellvertretende Vorsitzende des BUND. „Die Erzeugerländer haben | |
Sorge, dass es zu einer grünen Landnahme kommt“, so Jörg Haas, Referent für | |
internationale Politik bei der Heinrich-Böll-Stiftung. | |
Zudem müssten etwa neue Pipelines in Deutschland die bevorste-hende | |
Umstellung auf Wasserstoff berücksichtigen, fordert Sascha Müller-Kraenner, | |
Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Fossile Infrastruktur | |
müsse umrüstbar sein, hierfür brauche es klare Regeln. Dazu seien eine | |
genaue Bedarfsplanung und eine Aktuali-sierung der nationalen | |
Wasserstoffstrategie nötig. Neben Pipelines müssten auch Strukturen für | |
Importe per Schiff errichtet werden. | |
## Wasserstoffbranche kritisiert Regeln | |
„Wir begrüßen die Kriterien der EU“, sagt [4][Oliver Powalla], Referent f… | |
Energie und Klima beim BUND, „es müssen allerdings nicht nur in Europa, | |
sondern international einheitliche Regeln für die Wasserstoffproduktion | |
formuliert werden“. Die G7 sei ein geeignetes Gremium, eine solche | |
Verständigung zu initiieren. | |
Vertreter*innen der gerade entstehenden Wasserstoffbranche war-nen, die | |
Kriterien der EU-Kommission seien zu streng, schränkten die | |
Wettbewerbsfähigkeit und damit den zügigen Aufbau der Branche ein. Sie | |
erscheinen allerdings als durchaus sinnvoll, zielen sie doch darauf ab, | |
dass die Produktion auch tatsächlich aus zusätzlichen erneuerbaren | |
Kapazitäten gespeist wird. | |
Nur dann hat die Umstellung auf den neuen Energieträger auch einen | |
positiven Effekt auf die Klimabilanz. Für einen fairen internationalen | |
Wettbewerb nach dem Prinzip der Klimaneutralität könnten unterdessen die | |
globalen Standards sorgen, die die Umweltverbände von der G7 fordern. | |
19 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Landtagswahl-in-Nordrhein-Westfalen/!5850411 | |
[2] /Energiewende-wegen-Ukrainekrieg/!5852660 | |
[3] https://www.klima-allianz.de/publikationen/publikation/fuer-einen-nachhalti… | |
[4] /Energiewende-in-Ostdeutschland/!5750772 | |
## AUTOREN | |
Josa Zeitlinger | |
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