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# taz.de -- Gelder für Berlins Schulen: Lehrstück, wie Politik funktioniert
> Die Schulen liefen Sturm gegen den Plan, flexible Gelder zu streichen.
> Nun zog der SPD-Fraktionschef die Notbremse. Ein Wochenkommentar.
Bild: Schule ist längst mehr als Frontalunterricht, und dafür brauchen die Sc…
Um es vorweg zu sagen: Finanzpolitik ist kompliziert. Grundlage sind –
neben politischen Entscheidungen und der Höhe der Einkünfte und Ausgaben
des Landes oder Bezirks – Tabellen mit vielen, vielen Zahlen. Hunderte
Seiten lang, kleinteilig, fast schon filigran. Selbst [1][Finanzsenator
Daniel Wesener (Grüne)] sollen bei der Berechnung schon mal ein paar Nullen
– vor dem Komma! – verloren gegangen sein.
Politik, zumindest die öffentlich verhandelte, darf hingegen nicht
kompliziert sein. Sonst versteht sie kaum jemand. Und die Vermittlung
politischer Inhalte ist eine der wichtigsten Aufgaben von Politiker*innen.
Vor diesem Hintergrund spielen sich die Auseinandersetzungen um die genaue
Ausgestaltung des Haushalts ab, aktuell des Doppelhaushalts für Berlin für
2022 und 2023.
Anfang März hatte [2][Finanzsenator Wesener seinen Entwurf durch den Senat
gebracht]. Entscheiden muss darüber aber das Abgeordnetenhaus, denn der
Haushalt ist ein Gesetz, und das Haushaltsrecht ist das wohl wichtigste des
Parlaments.
Schon kurz nach Bekanntwerden des Entwurfs [3][empörten sich Berliner
Schulleiter*innen], dass Wesener ihnen die flexibel einsetzbaren Gelder
streichen will. Die Folge, so die Argumentation: Viele Sonderprojekte wie
zum Beispiel Theaterworkshops würden künftig ausfallen müssen; den Schulen,
die gleichzeitig immer individueller werden sollen, würden die Hände
gebunden.
Der so genannte Verfügungsfonds war von der damaligen Schulsenatorin Sandra
Scheeres (SPD) geschaffen worden, um externe Pädagogen und Lehrkräfte
kurzzeitig zu beschäftigen, sowie Weiterbildung und auch mal eine kleine
Reparatur am Schulgebäude fix selbst zu finanzieren. Eine große Schule
erhielt aus dem Fonds zuletzt bis zu 25.500 Euro, selbst kleinere bekamen
noch 15.000 Euro. Insgesamt ging es zuletzt um 12 Millionen Euro.
Nicht alles davon wollte der Finanzsenator einkassieren oder umschichten.
Es ging vor allem um die fünf Millionen für Instandsetzungsarbeiten, heißt
es übereinstimmend aus Finanz- und Schulverwaltung. Denn von diesen 5
Millionen wurde zuletzt gerade mal 1 Million Euro genutzt von den Schulen:
So einfach, wie von der Schulsenatorin einst gedacht, waren die Gelder
nämlich gar nicht auszugeben.
Zudem wollte der Finanzsenator weitere 3 Millionen Euro aus dem Fonds
einbehalten, die nicht abgerufen wurden. Eine beliebte Argumentation von
Wesener, die er auch gegenüber anderen, vermeintlich von Kürzungen
Betroffenen nutzt: Geld, das nicht ausgegeben wird, solle lieber woanders
wirklich verwendet werden.
Zu kompliziert? Irgendwo schon. Am Ende steht diese Bilanz: Insgesamt wären
den Schulen von den 12 Millionen Euro nur noch knapp 5 Millionen Euro übrig
geblieben. Das ist – da haben die Schulvertreter*innen recht –
tatsächlich eine Kürzung, weil gute Teile des für Instandhaltung
vorgesehenen Geldes für andere Zwecke genutzt wurden. Aber die Reduzierung
fällt längst nicht so drastisch aus, wie von einigen Schulleiter*innen
behauptet wurde: wenn etwa die Rede davon war, dass statt 26.000 Euro einer
Schule nur noch 3.000 Euro zur Verfügung stehen würden.
In der Öffentlichkeit blieb vor allem eines hängen: Die Schulen, in Berlin
sowieso nicht gerade prestigeträchtige Vorzeigeobjekte, sollen
zusammengespart werden, ausgerechnet von einer linken Regierung. Dass am
Mittwoch schließlich SPD-Fraktionschef Raed Saleh die Notbremse zog und die
Kürzungen [4][per Ansage in der Morgenpost ] stoppte, überraschte nicht:
Saleh hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder als
Nebenschulsenator profiliert. Die SPD, so sein Credo, müsse kostenlose
Bildung garantieren, um sozialen Aufstieg zu ermöglichen.
## „Die Kürzung war falsch“
„Die Kürzung des Verfügungsfonds war falsch“, betonte Saleh auch gegenüb…
der taz. Fehler seien dazu da, korrigiert zu werden. „Wir werden das in der
Schlussrunde im Juni rückgängig machen müssen.“ Einen anderen Satz, den
Saleh zuvor dem Tagesspiegel gesagt hatte, wollte er gegenüber der taz
indes nicht wiederholen: „Über den Tisch gezogen“ habe Wesener die
Schulverwaltung. Vielleicht war dem SPD-Fraktionschef inzwischen klar
geworden, dass diese Formulierung angesichts der realen Veränderungen ein
Stück zu steil war und zudem nicht nur die grüne Finanzverwaltung, sondern
auch die neue SPD-Schulsenatorin Astrid-Sabine Busse – mehrere Jahrzehnte
selbst Schulleiterin – düpierte.
Busse beeilte sich zu erklären, dass sie selbst schon aktiv geworden sei,
kurz nachdem sie im Senat Weseners Haushalt zugestimmt hatte. „Wir waren
nach der Senatsentscheidung im Hintergrund stets mit den parlamentarischen
Vertreterinnen und Vertretern im Austausch, weil wir wissen, wie
schmerzhaft die Einschnitte beim Verfügungsfonds für die Schulen gewesen
sind“, sagte sie der taz. Nun freue sie sich, dass „die SPD-Fraktion hier
ihren parlamentarischen Spielraum nutzt“.
Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es schön wäre, wenn auch über größere
finanzielle Posten im Haushaltsentwurf so engagiert diskutiert würde. Aber
das wäre dann vielleicht noch komplizierter.
30 Apr 2022
## LINKS
[1] /Berlins-Finanzsenator-ueber-Krisen/!5842914
[2] /Etatdebatte-im-Abgeordnetenhaus/!5840475
[3] /Berliner-Haushaltsentwurf/!5837961
[4] http://www.morgenpost.de/berlin/article235179559/Sparplaene-fuer-Berlins-Sc…
## AUTOREN
Bert Schulz
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