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# taz.de -- Petition der Woche: Kein Platz für Geflüchtete
> Geflüchtete bekommen trotz Traumata nur selten einen Therapieplatz. Das
> System ist unterfinanziert, kritisiert Diana Ammann.
Bild: Trümmer in Tschernihiw
Berlin taz | Wenn der Körper nach der Flucht zur Ruhe kommt, sind es oft
die Gedanken, die drücken, sind es Bilder, Erinnerungen und Geräusche, die
verfolgen. Wie bewältigen Menschen mit Fluchtgeschichte ihre teils
traumatischen Gewalterfahrungen, den Verlust der Heimat und den Tod von
Angehörigen? Im besten Fall können Menschen vor Krieg und Gewalt fliehen,
nicht aber vor ihren eigenen Gedanken. Der Zustand permanenter Anspannung
bleibt oft bestehen. Hilfe ist notwendig, aber häufig nicht in Reichweite.
[1][Eine Petition] fordert nun von Gesundheitsminister Karl Lauterbach,
sich der Problemlage anzunehmen. Initiiert hat sie Diana Ammann, gemeinsam
mit Julia Darboven, Psychologiestudentin aus Tübingen, sowie mit Joéva
Lemieuvre, die als Schulpsychologin in Berlin tätig ist. Ammann startete
bereits im Februar 2021 die Petition. Nun, durch den Krieg in der Ukraine,
ist sie noch relevanter geworden.
Vor zwei Jahren wurde Ammann durch einen Bericht im Fernsehen auf die
Versorgungslücke aufmerksam, sie war zunächst ungläubig, dann entsetzt. „Da
ging es unabhängig von der Situation Geflüchteter zunächst darum, dass es
zu wenige psychotherapeutische Kassensitze gibt.“ Als sie sich weiter
informierte, habe sie gemerkt, dass es für Geflüchtete noch viel
schwieriger ist, einen Therapieplatz zu bekommen.
Es gibt in Deutschland die sogenannten Psychosozialen Zentren, die auf
Geflüchtete spezialisiert sind. Doch schon 2020 habe man dort auf einen
Therapieplatz sieben Monate warten müssen, teilte die Bundesweite
Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und
Folteropfer (BAfF) auf taz-Anfrage mit. 10.000 Geflüchtete habe man
ablehnen müssen.
## Lange Wartelisten und Sprachbarrieren
Laut Studien weisen jedoch rund ein Drittel aller Geflüchteten in
Deutschland eine Traumafolgestörung auf. Die Psychosozialen Zentren konnten
laut eigener Aussage nur knapp fünf Prozent des Bedarfs abdecken. Zwar
können anerkannte Geflüchtete auch niedergelassene Therapeut:innen
besuchen, doch auch dort sind Wartelisten lang, zudem haben viele dieser
Therapeut:innen weder die nötigen Sprachkenntnisse noch die nötigen
Schulungen, um Geflüchtete zu behandeln. Die Initiatorinnen der Petition
fordern daher einen unbürokratischen und schnellen Zugang zu
Therapieplätzen. „Jeder Mensch sollte unkompliziert und schnell
psychologische Hilfe erhalten, wenn er sie benötigt. Da ist es doch ganz
egal, ob geflohen oder nicht“, sagt Ammann. [2][Es brauche finanzielle
Mittel] für geschulte Sprachmittler:innen. Außerdem müssten Schulungen zur
Versorgung Geflüchteter Bestandteil der therapeutischen Ausbildung werden.
In den ersten Wochen des Kriegs sind bereits über 220.000 Menschen aus der
Ukraine nach Deutschland geflohen. Die Deutsche
Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) rechnet damit, dass sie
psychotherapeutische Hilfe „in erheblichem Umfang“ benötigen. Die neue
Fluchtsituation „kracht auf ein überlastetes System“, sagt Hans
Strömsdörfer, Pressesprecher der DPtV, im Gespräch mit der taz. Pro Asyl
schließt sich an: „Wir müssen damit rechnen, dass [3][der Bedarf steigt]
und nun viele Menschen nach Deutschland kommen, die eine
Akuttraumatisierung mitbringen“, so Andrea Kothen, Referentin von Pro Asyl.
Die Initiatorinnen der Petition hoffen auf Besserung. Das Thema in die
Diskussion zu bringen ist dafür der erste Schritt.
31 Mar 2022
## LINKS
[1] https://www.change.org/p/karl-lauterbach-mehr-unterst%C3%BCtzung-f%C3%BCr-p…
[2] /Hilfen-fuer-Gefluechtete-im-Doppelhaushalt/!5647124
[3] /Psychotherapeutin-ueber-Traumata/!5842350
## AUTOREN
Frederike Grund
## TAGS
Flüchtlingspolitik
Posttraumatische Belastungsstörung
Schwerpunkt Flucht
Psychotherapie
Trauma
Geflüchtete
Psychologie
Ampel-Koalition
Griechenland
psychische Gesundheit
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Messerangriff
Elke Breitenbach
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