# taz.de -- Messerangriff in ICE in Bayern: Angreifer wohl schuldunfähig | |
> Ein Geflüchteter, der in einem ICE Mitfahrende angriff, ist offenbar | |
> psychisch krank. Für erkrankte Geflüchtete gibt es bis heute kaum Hilfe. | |
Bild: Der ICE im Bahnhof Seubersdorf, in dem die Messerattacke geschah | |
BERLIN taz | Der Fall erreichte sofort die politische Ebene. | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verschickte eine Mitteilung zu der | |
„grausamen Messerattacke“, die „furchtbar“ sei. Sein bayerischer | |
Amtskollege Joachim Herrmann (CSU) sprach ähnlich von einer „schrecklichen | |
Tat“. Beide betonten jedoch, dass die Hintergründe erst noch aufzuklären | |
seien. | |
Was war geschehen? Am Samstagmorgen hatte ein 27-Jähriger in einem ICE | |
zwischen Regensburg und Nürnberg mehrere Mitfahrende plötzlich mit einem | |
Messer attackiert. Vier Männer im Alter von 26, 39 und zwei von 60 Jahren | |
wurden teils schwer verletzt, mit Stichwunden an Kopf oder Oberkörpern. Der | |
Zug hielt schließlich im kleinen Bahnhof Seubersdorf in der Oberpfalz, der | |
Tatverdächtige wurde festgenommen. Was die politischen Wogen auslöste: Er | |
war ein Geflüchteter aus Syrien. | |
Am Sonntagnachmittag stellten Polizei und Staatsanwaltschaft auf einer | |
Pressekonferenz klar: Es gebe bisher keine Hinweise auf ein terroristisches | |
Motiv oder eine Tatplanung im Vorfeld. Ein Sachverständiger habe dem | |
Festgenommenen vielmehr eine paranoide Schizophronie attestiert, er sei bei | |
der Tat wohl schuldunfähig gewesen. Gegen den 27-Jährigen wurde noch am | |
Sonntag eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verhängt. | |
## Der Festgenommene litt offenbar unter Verfolgungswahn | |
Der Verdächtige soll laut Ermittlern bei seiner Festnahme gesagt haben: | |
„Ich bin krank. Ich brauche Hilfe.“ Dem Sachverständigen habe er | |
geschildert, dass er sich seit Längerem von Polizisten verfolgt fühle, die | |
ihn „verrückt machen“. Die Staatsanwaltschaft sagte, dies entbehre jeder | |
Grundlage: Es habe keinerlei aktuelle Ermittlungen gegen den Mann gegeben. | |
Zum Auslöser für die Tat im Zug soll der 27-Jährige gesagt habe, er habe | |
bei dem ersten Opfer den Eindruck gehabt, dieser habe ihn töten wollen. | |
Laut Polizei verlief die Festnahme nach dem Zughalt schnell und | |
widerstandslos. | |
Der Tatverdächtige kam nach Behördenangaben 2014 nach Deutschland. Seit | |
2016 war er als Geflüchteter anerkannt und lebte zuletzt in Passau. Laut | |
Polizei fiel er bisher nur mit einem kleineren Betrugsdelikt auf. Einen Tag | |
vor der Tat hatte er seinen Job verloren. | |
Norbert Zink, Präsident der Polizei Oberpfalz, sagte, der Angriff | |
„beeinträchtigt unser alle Sicherheitsempfinden in ganz besonderem Ausmaß�… | |
Auch deshalb sorgte die Tat für Aufsehen. Und sie weckt Erinnerungen an | |
einen [1][Messerangriff eines 24-jährigen Somaliers] im Juni in Würzburg: | |
Dieser hatte drei Frauen erstochen, soll dabei „Allahu Akbar“ gerufen | |
haben. Auch er wurde zuletzt von zwei Gutachtern [2][als schuldunfähig | |
eingestuft] und soll dauerhaft in der Psychiatrie untergebracht werden. | |
## Fehlende Therapieangebote für kranke Geflüchtete | |
Das Bundeskriminalamt hält in einem Lagebild für 2020 fest, dass es bei der | |
Kriminalität von Zuwanderern einen „deutlich rückläufigen Trend“ gebe. So | |
sei deren Anteil unter den Tatverdächtigen bei der Allgemeinkriminalität um | |
9,5 Prozent zurückgegangen. Bei Straftaten „gegen das Leben“ gab es zwar | |
einen leichten Anstieg um 3,6 Prozent – hier machten Zuwanderer einen | |
Anteil von 12,6 Prozent aller Tatverdächtigen aus. Vielfach waren die Opfer | |
aber auch hier Zuwanderer: Dies betraf zum Beispiel 51 der 84 vollendeten | |
Tötungsdelikte im vergangenen Jahr, bei denen Zuwanderer Tatverdächtige | |
waren. | |
Psychotherapeut:innen warnen schon lange, dass es [3][eine bessere | |
Betreuung von Geflüchteten brauche]. Ein großer Anteil von ihnen leide | |
unter psychischen Erkrankungen, Therapieplätze für sie aber gebe es kaum. | |
Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosoziale Zentren für Flüchtlinge | |
und Folteropfer (BafF) forderte zuletzt die künftige Ampel-Regierung auf, | |
die Finanzierung von psychosozialen Zentren für Geflüchtete im | |
Koalitionsvertrag zu verankern. Schon heute arbeiteten diese „über die | |
Kapazitätsgrenzen hinaus“, die Anfragen stiegen immer weiter. | |
BafF-Geschäftsführer Lukas Welz betonte: „Ein Bündnis der Mitte, das für | |
eine umfassende Erneuerung einsteht, muss den eigenen humanitären | |
Verpflichtungen Deutschlands nachkommen.“ | |
7 Nov 2021 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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