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# taz.de -- Gysi attackiert Wagenknecht & Co.: „Völlige Emotionslosigkeit“
> Wegen ihrer Haltung zum Ukrainekrieg greift Gregor Gysi sieben
> Linkenabgeordnete an. Ihnen ginge es nur darum, ihre „alte Ideologie“ zu
> retten.
Bild: Gregor Gysi: „Müssen nicht auch wir über uns nachdenken, eine gewisse…
Berlin taz | Es sind deutliche Worte. Es sind Worte der tiefen Empörung. Es
ist eine Abrechnung. In ungewohnt scharfer Form attackiert Gregor Gysi
einen Kreis von Abgeordneten der Linkspartei wegen ihrer Haltung zum
Ukrainekrieg. „Ihr seid nur daran interessiert, eure alte Ideologie in
jeder Hinsicht zu retten“, wirft der 74-jährige
Ex-Linksfraktionsvorsitzende ihnen vor.
Anlass ist [1][eine gemeinsame Erklärung] von Sahra Wagenknecht, Sevim
Dağdelen, Andrej Hunko, Klaus Ernst, Żaklin Nastić, Christian Leye und
Sören Pellmann im Anschluss an die Bundestagsdebatte vom Sonntag. In dieser
Erklärung verurteilen sie zwar pflichtschuldig den Überfall Russlands auf
die Ukraine als völkerrechtswidrigen Krieg, der durch nichts zu
rechtfertigen sei. Ansonsten vermeiden sie jedoch kritischere Töne
gegenüber Wladimir Putin.
Dem vom Bundestag beschlossenen Entschließungsantrag von SPD, Union, Grünen
und FDP werfen die sieben Abgeordneten vor, er bedeute „die kritiklose
Übernahme der vor allem von den USA in den letzten Jahren betriebenen
Politik, die für die entstandene Situation maßgeblich Verantwortung trägt“.
Das Leiden der Menschen in der Ukraine findet keine Erwähnung.
„Was mich wirklich entsetzt an eurer Erklärung, ist die völlige
Emotionslosigkeit hinsichtlich des Angriffskrieges, der Toten, der
Verletzten und dem Leid“, schreibt nun Gysi in einem Brief seinen sieben
Fraktionskolleg:innen. Das Schreiben liegt der taz vor.
Während Millionen Menschen – wie er selbst auch – „tief bewegt“ seien …
Hunderttausende demonstrierten, würden sie nur weiter alte Feindbilder
kultivieren. „Die Nato ist böse, die USA sind böse, die Bundesregierung ist
böse und damit Schluss für euch“, hält der linke Altvordere ihnen vor. Und
er fragt: „Müssen nicht auch wir über uns nachdenken, eine gewisse Zäsur
begreifen?“
## Für Sanktionen gegen Putin und seine Kamarilla
Gysi, der außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion ist, wirft
Wagenknecht & Co. vor, die [2][Erklärung der Parteivorsitzenden Janine
Wissler und Susanne Hennig-Wellsow, der Fraktionsvorsitzenden Amira Mohamad
Ali und des Parlamentarischen Geschäftsführers Jan Korte] zum
Abstimmungsverhalten der Linksfraktion am Sonntag zu konterkarieren. „Die
Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine, die sich gegen die russische
Armee wehren“, heißt es darin. „Sie gilt denjenigen, die desertieren, und
denjenigen, die gegen alle Repressionen in russischen Städten gegen den
Krieg demonstrieren.“
Zwar lehne die Linksfraktion weiterhin deutsche Waffenlieferungen und die
von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigte massive Aufrüstung der
Bundeswehr ab, weswegen sie auch dem Antrag der anderen demokratischen
Parteien nicht zustimmen könne. Aber: „Sanktionen gegen Putin, die
Oligarchen und die russische Rüstungsindustrie sowie weitere Maßnahmen, die
Russlands Staatsspitze wirksam treffen, finden unsere Zustimmung“,
schreiben Wissler, Hennig-Wellsow, Mohamed Ali und Korte.
Diesem Richtungswechsel – die Linkspartei hat bisher Wirtschaftssanktionen
stets grundsätzlich abgelehnt – erteilen Wagenknecht, Dağdelen, Hunko,
Ernst, Nastić, Leye und Pellmann in ihrer Erklärung hingegen eine Absage.
Auch ansonsten sprechen sie sich nicht für irgendwelche Maßnahmen aus, die
gegen Putin ergriffen werden sollten.
## „Strikt anderer Auffassung“
Dass sie sich dabei nicht nur gegen deutsche, sondern generell gegen
Waffenlieferungen an die Ukraine wenden, kritisiert Gysi ebenfalls heftig:
„Damit sprecht ihr der Ukraine faktisch ein Selbstverteidigungsrecht ab und
seid indirekt dafür, dass sie nur die Chance zur bedingungslosen
Kapitulation bekommt.“ Er sei „strikt anderer Auffassung“. Deutschland
solle wegen seiner Geschichte zwar viel zurückhaltender mit
Waffenlieferungen sein, möglichst den Waffenexport überhaupt ausschließen,
aber er räume überfallenen Ländern „immer das Selbstverteidigungsrecht
ein“.
Wagenknecht & Co würden auch „nicht im Mindesten“ erkennen, dass Putin die
Position der Linkspartei gegen eine Osterweiterung der Nato insofern
widerlegt habe, „als er die Ukraine nicht angegriffen hätte, wenn sie
Mitglied der Nato gewesen wäre“, schreibt Gysi. Nun dächten selbst
Regierungen von Ländern wie Schweden und Finnland über eine
Nato-Mitgliedschaft nach – und es sei ihnen nicht zu verdenken. „Auch
insoweit hat Putin eine Katastrophe angerichtet.“
Russland müsse gestoppt und das katastrophale imperiale Denken Putins
überwunden werden, schließt Gysi seine Abrechnung: „Mit dieser russischen
Führung habe ich nichts, aber auch gar nichts mehr im Sinn.“ Mit
Wagenknecht, Dağdelen, Hunko, Ernst, Nastić, Leye und Pellmann anscheinend
auch nicht mehr besonders viel.
Sahra Wagenknecht zeigte sich „entsetzt“ über den Brief Gysis. Den Eindruck
zu erwecken, „wir hätten den russischen Angriffskrieg auch nur ansatzweise
gerechtfertigt oder es an Empathie mangeln lassen, grenzt an Rufmord, und
ich weise das für mich und alle anderen Unterzeichner aufs Schärfste
zurück“, heißt es in einer am Montagabend veröffentlichten
[3][schriftlichen Stellungnahme].
1 Mar 2022
## LINKS
[1] https://www.sahra-wagenknecht.de/de/article/3154.erkl%C3%A4rung-zur-abstimm…
[2] https://dserver.bundestag.de/btp/20/20019.pdf
[3] https://www.sahra-wagenknecht.de/de/article/3156.stellungnahme-von-sahra-wa…
## AUTOREN
Pascal Beucker
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