| # taz.de -- Aufrüstung in Deutschland: Der Coup des Kanzlers | |
| > Bei SPD und Grünen formiert sich zaghaft Widerstand gegen Olaf Scholz’ | |
| > Aufrüstungspläne. Manche fürchten, dass das Geld woanders fehlen könnte. | |
| Bild: Mit seiner Rede am Sonntag im Bundestag läutete Olaf Scholz eine sicherh… | |
| Berlin taz | Am Sonntag hat Olaf Scholz im Bundestag eine Zeitenwende | |
| verkündet. Deutschland liefert nun Waffen in die Ukraine und unterstützt | |
| harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Vor allem aber will Scholz ein | |
| Sondervermögen von 100 Milliarden Euro bilden, das im Grundgesetz verankert | |
| wird. Dafür braucht die Ampel eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag – und | |
| damit das Ja der Union. | |
| Doch manche in der SPD und bei den Grünen [1][fühlen sich vom Kanzler | |
| überfahren]. Jürgen Trittin, außenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, | |
| nannte Scholz’ Idee, sich in der Verteidigungspolitik faktisch von der | |
| Union abhängig zu machen, „schräg“. Auch in der SPD sind viele Abgeordnete | |
| über Scholz Reißschwenk not amused. Ralf Stegner, SPD-Linker und Mitglied | |
| im Auswärtigen Ausschuss, sieht den rabiaten Kurswechsel kritisch. | |
| „Zeitenwende heißt, dass wir auf den russischen Überfall mit scharfen | |
| Sanktionen und einer Ertüchtigung der Bundeswehr antworten. Aber nicht mit | |
| einer Militarisierung des eigenen Denkens und Handelns“, so der SPD-Linke | |
| zur taz. | |
| Noch entschiedener klingt die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal. Sie | |
| kündigte an, die Pläne von Bundeskanzler Scholz, die Bundeswehr mit einem | |
| Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro auszustatten, nicht zu | |
| unterstützen. Deutschland brauche eine wehrhafte Bundeswehr. Es bringe aber | |
| nichts, weitere Milliarden Euro in einem „schwarzen Loch“ zu versenken, so | |
| Rosenthal zur [2][Süddeutschen Zeitung]. Auch sei das Grundgesetz auch | |
| nicht der Ort, an dem auf alle Zeiten Militärausgaben festgeschrieben | |
| werden sollten. | |
| Manchen SPD-Linke stößt besonders Scholz’ Verfahren und Informationspolitik | |
| sauer auf. Denn vor Scholz’ Regierungserklärung tagte am Sonntag die | |
| SPD-Fraktion. Dort haben der Kanzler kein Wort über den Plan verloren, die | |
| Union ins Boot zu holen und 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr locker | |
| zu machen. FDP-Finanzminister Christian Lindner war offenbar eingeweiht, | |
| die Spitze von Scholz’ eigener Fraktion nicht. Die Grünen kannten die | |
| Konstruktion des Sondervermögens, aber nicht die Zahl 100 Milliarden Euro. | |
| Aus Scholz’ Umfeld ist zu hören, dass nach dem russischen Überfall | |
| schnelles Handeln nötig war. Die Pro-Scholz-Sozialdemokraten argumentieren, | |
| dass der Kanzler mit dem 100-Milliarden-Euro-Programm ein doppeltes Signal | |
| senden wollte. Richtung Nato, dass Deutschland eine verlässliche und aktive | |
| Rolle spielt, und Richtung Russland, dass Berlin die Zeitenwende ernst | |
| meine. | |
| Angst vor Aufrüstung statt Diplomatie | |
| Doch das überzeugt manche SPD-Linke nicht. Das Argument der Zeitnot sei bei | |
| dem Schwenk der Bundesregierung in Sachen Waffenlieferungen und den | |
| Sanktionen bei Swift völlig nachvollziehbar. Doch bei der von Scholz | |
| angekündigten langfristigen Umorientierung der deutschen | |
| Verteidigungspolitik, die sogar eine Grundgesetzänderung nötig macht, habe | |
| es keinerlei Zeitnot gegeben, so SPD-Linke. Manche Sozialdemokraten | |
| fürchten, dass Scholz’ Zeitenwende das Kind mit dem Bade ausschüttet und | |
| Aufrüstung künftig Diplomatie ersetzen soll. | |
| Vieles ist auch noch unklar: Wird der Bundestag damit entmachtet? Oder hat | |
| das Parlament via Haushaltsausschuss noch Einfluss auf die Ausgaben aus dem | |
| Sondervermögen? Inwiefern werden die Tilgungen der 100 Milliarden Euro | |
| Sonderschulden den Bundeshaushalt belasten? Vor allem Letzteres macht in | |
| der SPD vielen Sorgen. Finanzminister Lindner hatte angekündigt, bei den | |
| Ausgaben mehr Prioritäten setzen zu wollen. Auch SPD-Abgeordnete, die | |
| Scholz’ Coup am Sonntag unterstützen, schwant da Böses. Wenn de facto | |
| soziale SPD-Lieblingsprojekte wie Kindergrundsicherung, Bafög und | |
| Bürgergeld aufgekündigt werden, wird die Zahl der Skeptiker in der | |
| SPD-Fraktion rasant steigen. | |
| Auch die Grüne Jugend ist skeptisch, ob die langfristige Aufrüstung der | |
| Bundeswehr die richtige Antwort auf den russischen Angriffskrieg ist. Die | |
| SPD-Fraktion traf sich am Dienstagnachmittag zu einer Sondersitzung, die | |
| bei Redaktionsschluss noch nicht beendet war. | |
| 1 Mar 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Erhoehung-der-Militaerausgaben/!5837955 | |
| [2] https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-scholz-sondervermoegen-juso-… | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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